Rage Bait: gezielte Provokation im Netz

Reißerische Headlines, provokante Thesen, gepaart mit Halbwahrheiten: Rage Bait ist ein Phänomen, das gezielt Empörung schüren und wütende Reaktionen emporrufen möchte. Das Kalkül dahinter: Mehr Klicks, mehr Follower für das eigene Social Media Profil generieren!
  Von Nicole – Lesedauer: 5 Min.


Schon seit geraumer Zeit fällt mir im Netz ein unschöner Trend auf: Sogenannte Rage Baits fluten die Sozialen Medien. Doch was genau steckt hinter diesem Begriff? In diesem Artikel nehmen wir das Ganze mal genauer unter die Lupe.
 

Was bedeutet Rage Bait?

Wie so viele andere Wortschöpfungen im Netz stammt der Begriff "Rage Bait" ursprünglich aus dem Englischen. Es ist ein Konstrukt aus den Wörtern "Rage" – Wut – und "Bait", der Köder.

Tatsächlich trifft es die Sache auf den Punkt, denn mit ihren "Wut-Ködern" versuchen Content-Creator bzw. Influencer ihre Leser gezielt in Rage zu versetzen und für ihre Zwecke zu ködern. Das passiert vorwiegend über Posts auf Social Media: Mit provokanten Inhalten schüren sie dort Empörung und negative Gefühle. Dabei geht es Ihnen gar nicht um die Sache an sich. Ihr wahres Ziel ist es, möglichst viele Reaktionen und Kommentare auf ihrem Profil zu generieren.
Junge Frau schaut stirnrunzelnd auf ihr Handy.
Rage Bait: Provokante Tweets und Posts in Sozialen Medien
Getriggert wird mit verschiedenen Ködern:
 
  • Kontroverse Aussagen oder polarisierende Statements, die bewusst starke Meinungsunterschiede provozieren
  • Fake News und Falschbehauptungen
  • Angst schürende Inhalte (z. B. gegenüber Minderheiten)
 
Formate, in denen Rage Bait oft in Erscheinung tritt:
 
  • "Meinungsvideos" mit provozierender Tonspur
  • Bildschirmfotos von Tweets bzw. Posts mit bewusst radikalen, absoluten Aussagen
  • Video-Clips, die aus dem Zusammenhang gerissen wurden
  • Memes mit klarem Framing
Kurz erklärt: Was sind Memes?
Bei Memes handelt es sich um Fotos oder andere Medieninhalte mit meist humoristischem oder gesellschaftskritischem Charakter. Häufig ist Musik hinterlegt oder eine entsprechende Überschrift.

Beispiel für einen Rage Bait Post

"Klimakleber ruinieren unseren Alltag – und keiner stoppt diesen Wahnsinn!"

Schauen wir uns diese Aussage mal im Detail an. Sie weist die typischen Merkmale von Rage Bait auf:
 
  • Sie emotionalisiert und dramatisiert: Die Worte "ruinieren" und "Wahnsinn" erzeugen starke Gefühle.
  • Sie polarisiert: Die rücksichtslosen Klimakleber gegen die "normale" Bevölkerung.
  • Sie erzeugt ein Feindbild: Die Protestler werden pauschal als Urheber von Chaos und Zerstörung dargestellt.
  • Sie empört durch Schuldzuweisung: "… und keiner stoppt…!" wendet sich gegen die Politik bzw. vermittelt den Eindruck einer schwachen Gesellschaft, die sich alles gefallen lässt.
  • Sie liefert einen Anreiz zur Reaktion, und zwar auf beiden Seiten: Klimaaktivisten und Befürworter von Klimaschutz fühlen sich angegriffen – Kritiker und Gegner hingegen fühlen sich bestätigt.

Hier ein paar Beispiele, wie eine typische Reaktion von Gegnern und Befürwortern auf den obigen Post aussehen könnte:

"Endlich spricht es mal jemand aus! Diese Spinner sollen arbeiten gehen, statt sich auf der Straße festzukleben!"

"Die unfähigen Politiker schauen zu und die normale Bevölkerung leidet darunter! Typisch …so ein #?!%!"

"Wie könnt Ihr so über die jungen Menschen reden, die für unsere Zukunft kämpfen, einfach unfassbar!"

"Ich will gar nicht wissen, was das kostet, die da vom Asphalt wieder wegzubekommen :/ "

Was genau ist das Ziel von Rage Bait?

Tatsächlich ist die Antwort erschreckend einfach:

Rage Bait wird ganz gezielt dazu genutzt, mehr Aufmerksamkeit für das eigene Instagram-Profil oder für eigene Posts auf Twitter zu erhalten.
Denn durch die starke Emotionalisierung durch Rage Bait werden besonders viele Interaktionen erzeugt: Follower und andere Nutzer kommentieren und teilen die Inhalte.

Das wiederum wird von den Sozialen Medien belohnt: Die Algorithmen von TikTok oder Instagram bewerten Reaktionen, Kommentare und Verweildauer nämlich meist stärker als reine Klicks. Der Rage Baiter bekommt so mehr Reichweite.
Böse schauendes Teufel-Smiley mit Wutparole vor dem Mund
Rage Bait: Perfide Masche, um mit Wut Reichweite zu generieren

Gehört Rage Bait damit zu den manipulativen Content-Strategien?

Klares Ja. Spielen Content Creator gezielt mit den Emotionen von anderen Menschen, schüren sie kalkuliert Wut, Empörung und Entrüstung, dann ist hier definitiv Manipulation im Spiel.
 
Zunehmend werden auch mehr und mehr politisch motivierte Rage Baits abgesetzt. Die Gründe sind dabei sehr vielschichtig:
 
  • Politiker möchten mehr Aufmerksamkeit für ihre eigene Agenda erzeugen.
  • Wähler(innen) sollen mobilisiert werden.
  • Politische Gegner sollen diskreditiert werden.
  • Ein bestehendes System soll destabilisiert werden.
  • Es wird Angst, Empörung und ein Gefühl der Identitätsbedrohung verbreitet, um das eigene politische Programm als heilsbringende Lösung verkaufen zu können.
 
Insgesamt sind Rage Baits ein sehr wirkmächtiges Werkzeug, das von Politikern, Parteien, aber auch Aktivisten, Influencern und alternativen Kanälen gleichermaßen eingesetzt wird.

Warum ist Rage Bait so gefährlich?

Rage Bait ist in vielerlei Hinsicht gefährlich:
 
  • Es lebt von extremen Meinungen und Positionen und fördert das "Wir-gegen-die-Narrativ". Damit hetzt es gesellschaftliche Gruppen gegeneinander auf.
  • Es fördert Ängste in der Gesellschaft und hat damit auch negative psychische Effekte.
  • Es schürt Aggressionen und zerstört den Dialog.
  • Es streut toxische, falsche und unvollständige Inhalte und fördert damit auch Desinformation.
  • Politisches Rage Bait führt dazu, dass Menschen ihr Vertrauen in demokratische Prozesse und in den Rechtsstaat verlieren.
  • Rage Bait kann vor allem bei jüngeren Menschen zur "Einstiegsdroge" für eine Radikalisierung werden.

Was ist der Unterschied zwischen Rage Bait und Hate Speech?

Rage Bait geht – im Gegensatz zur Hate Speech, bei dem ganz unverblümt menschenverachtende und auch bedrohliche Hasskommentare gepostet werden – meist etwas subtiler vor: Man wirft lediglich einen "Meinungs-Happen" als Köder aus.

Rage Bait ist zwar moralisch extrem fragwürdig, bewegt sich aber von der Wortwahl her meist noch im legalen Bereich. Bei Hate Speech hingegen sind die Inhalte oft strafbar und können entsprechend belangt werden (z. B. wenn sie den Straftatbestand der Volksverhetzung, Bedrohung, Nötigung erfüllen). Perfide: Manche Inhalte tarnen sich als Rage Bait, enthalten aber bei genauerem Hinsehen rechtsradikale und rassistische Codes.
 
Zudem ist die Motivation bei Rage Bait auch eine andere: Man fördert gezielt negative Emotionen, um selbst davon zu profitieren. Der Post ist hier nur Mittel zum Zweck. Anders bei Hate Speech, wo es um die Sache an sich geht: Hass und Hetze im Netz zu verbreiten.

Wie reagiert man am besten auf Rage Bait?

Tatsächlich sollte man – frei nach dem Motto – "Don't Feed the Troll" solche Posts oder Tweets am besten einfach ignorieren. Schließlich spekulieren die Rage Baiter ja darauf, dass jemand reagiert.
Im ersten Schritt ist es daher immer wichtig, die Wut-Falle auch als solche zu erkennen. Und zu meiden.
 
Übrigens: Sollte Ihnen selbst Rage Bait öfters mal begegnen: Hinterfragen Sie Ihre Informationsquellen bzw. die Personen, denen Sie in den Sozialen Medien folgen.
 
Alternativ kann man wie bei Hate Speech aber auch versuchen, sachlich auf den Post zu antworten. Vielleicht gelingt es Ihnen, argumentativ der Sache den Wind aus den Segeln zu nehmen und den Rage Bait zu entlarven. Eventuell auch mit einer so simplen Frage wie: "Gibt es konkrete Zahlen, die Deine Behauptung belegen?"
 
Wenn Sie reagieren möchten, hier noch ein paar Tipps dazu, wie Sie vorgehen können:
 
  • Netiquette: Bleiben Sie immer sachlich und höflich.
  • Entschärfen Sie den Ton: Versuchen Sie, das Thema kritisch, aber dennoch konstruktiv anzugehen. Z. B., indem Sie folgende Formulierung wählen: "Ich finde: Klimaprotest braucht definitiv Aufmerksamkeit, aber es darf nicht auf Kosten des gesellschaftlichen Zusammenhalts gehen." Damit stellen Sie das Verhalten der Protestierenden und die Art des Protests in Frage, und machen klar, dass es bessere Lösungen gibt. Dennoch erkennen Sie den Klimaschutz als legitimes und wichtiges Anliegen an. Möglicherweise regt Ihre Antwort ja zum Nachdenken an und erstickt so negative oder aggressive Kommentare im Keim.
  • Antworten Sie humorvoll, aber nicht zynisch oder sarkastisch: Zugegeben, ein etwas unkonventionellerer Ansatz, um auf Rage Bait zu reagieren, aber auf diese Weise können Sie dem Rage Baiter womöglich ebenfalls ein Schnippchen schlagen.
  • Beweisen Sie das Gegenteil: Führen Sie Fakten und Quellen an, die das Gesagte widerlegen. Zeigen Sie auf, dass das Thema komplexer ist und nicht verkürzt dargestellt werden sollte.
  • Im Notfall handeln: Läuft die Diskussion aus dem Ruder bzw. driftet in echte Hassrede ab, melden Sie es auf der entsprechenden Plattform bzw. erstatten sie Anzeige bei der Polizei. Rassistische, antisemitische Äußerungen oder offen ausgesprochene Drohungen haben mit Recht auf freie Meinungsäußerung nichts zu tun!

Fassen wir es zusammen:

Rage Bait ist ein gefährlicher Internet-Trend, dessen Existenz man sich bewusst sein sollte. Wenn man sich jedoch ein wenig damit befasst, lässt sich Rage Bait relativ leicht anhand der entsprechenden Merkmale enttarnen. Eltern, Erziehende und Bildungseinrichtungen sind gleichermaßen gefordert, Kindern und Jugendlichen eine entsprechende Medienkompetenz zu vermitteln.

So laufen auch sie nicht Gefahr, den vergifteten Wut-Köder zu schlucken, wenn man ihnen diesen hinwirft!
Wenn Sie den Artikel hilfreich fanden, teilen Sie ihn gerne auch per E-Mail


Und wenn Ihnen GMX gefällt, geben Sie uns auch gerne positives Feedback auf der Bewertungsplattform Trustpilot!

1 Person findet diesen Artikel hilfreich.

Ähnliche Artikel

Einen Spendenaufruf starten: In E-Mails nach Hilfe fragen

Facebook-Konto löschen – so klappt es

Mit dem Handy sorgenfrei in den Urlaub starten!