- Der Tod eines 27-jährigen Mannes mit deutsch-britischer Staatsbürgerschaft in Südengland wirft viele Fragen zur Arbeit der Polizei auf.
- Ende April wurde Arthur H.-E. von einem Polizeiauto angefahren und dabei verletzt.
- Statt dem Mann zu helfen, sollen die Beamten versucht haben, ihm Handschellen anzulegen. Kurze Zeit später verstarb er.
- Gegen den betroffenen Polizisten werde zwar intern ermittelt, verhaftet wurde er allerdings nicht.
Nach dem Tod eines 27-Jährigen, der im südenglischen Peacehaven von einem Polizeiauto erfasst wurde, hat eine Aufsichtsbehörde Ermittlungen gegen den fahrenden Polizisten aufgenommen. Gegen den Betroffenen werde wegen gefährlichen Fahrens und groben Fehlverhaltens ermittelt, teilten die Polizei der Grafschaft Sussex und die zuständige Aufsichtsbehörde am Freitagabend mit.
Der 27-Jährige, der nach Informationen unserer Redaktion als Deutsch-Brite über eine doppelte Staatsbürgerschaft verfügte, war am späten Abend des 30. April von einem ungekennzeichneten Polizeiauto erfasst worden und starb noch am Unfallort an seinen Verletzungen.
Polizei fährt Opfer um - Handschellen statt Erster Hilfe
Videoaufnahmen von Passanten befeuern britischen Medienberichten zufolge Spekulationen, dass die Polizei ihm nicht geholfen habe, sogar noch Handschellen habe anlegen wollen.
Laut der englischen "Times" wollte Arthur H.-E. mit dem Auto eines Freundes, ein blauer Audi ohne Versicherung, zu einem nahe gelegenen Burger-Restaurant fahren, allerdings ohne Führerschein.
Auch laut Angaben der Polizei Sussex soll der junge Mann zuvor in einem Auto unterwegs gewesen sein - und dieses verlassen haben, nachdem ein anderes Polizeiauto ihm gefolgt war.
Bruder des Opfers sieht Parallelen zu George Floyd
Arthurs Bruder Karl H.-E., ebenfalls deutsch-britischer Staatsbürger, sieht Parallelen zum Fall von George Floyd. Der 46 Jahre alte Afroamerikaner war am 25. Mai 2020 in Minneapolis bei einer Festnahme ums Leben gekommen. Videos dokumentierten, wie Polizisten den unbewaffneten Mann zu Boden drückten.
Polizist Derek Chauvin presste dabei sein Knie gut neun Minuten lang auf Floyds Hals, während dieser flehte, ihn atmen zu lassen. Floyd verlor der Autopsie zufolge das Bewusstsein und starb wenig später.
"Nachdem Arthur von der Polizei angefahren und zu Fall gebracht wurde, haben sie nicht etwa versucht ihm zu helfen. Sie knien auf ihm, drücken seine Beine nach unten und versuchen, ihn zu fixieren", kommentiert der Bruder die Videos, die bei Social Media zu dem Vorfall kursieren.
"Die Bilder liegen vor. Sie hatten die Möglichkeit, sein Leben zu retten, aber sie haben nichts getan. Erst als es zu spät war, als er schon tot war, haben sie versucht, ihn wiederzubeleben. Wie falsch ist das?", zitiert die "Times" den wütenden Bruder.
Jens H., der deutsche Vater des Opfers, ist Professor an der Universität Bournemouth, die Familie hat der Polizei Sussex mit einer Klage gedroht und verlangt zudem eine offizielle Entschuldigung. Mutter Karin E., ebenfalls Deutsche, verstarb vor drei Jahren.
Arthur lebte mit seiner Lebensgefährtin und deren beiden Kindern zusammen. Am Nachmittag seines Todestages war Arthur noch mit den Kindern im Park spielen.
Aufsichtsbehörde der Polizei: Keine Beweise für den Versuch, Handschellen anzulegen
Man kenne die Spekulationen, dass dem Unfallopfer nach der Kollision Handschellen angelegt worden sein sollen, sagte der regionale Direktor der Aufsichtsbehörde, Graham Beesley, der Mitteilung von Freitag zufolge. "In den Videoaufnahmen der Polizei, die bislang ausgewertet worden sind, sehen wir dafür jedoch keine Beweise." Weiterhin würden große Mengen an Videomaterial gesichtet. Man sei außerdem mit der Familie des Opfers in Kontakt und setze sich für eine vollständige Aufklärung des Vorfalls ein.
Der betroffene Polizist sei bislang nicht festgenommen worden, hieß es. Am Ende der Ermittlungen der Aufsichtsbehörde werde sich entscheiden, ob der Fall an die Strafverfolgungsbehörde weitergeleitet werde. Nach Angaben der Polizei Sussex soll der Polizist zunächst nur noch beschränkte Aufgaben ausführen dürfen.
Am Samstagnachmittag versammelten sich im nahegelegenen Lewes der BBC zufolge rund 100 Menschen und demonstrierten. Karl H.-E., der Bruder des Opfers, kritisierte dort, dass der Verantwortliche bislang nicht festgenommen oder suspendiert wurde.
Verwendete Quellen:
- Gespräche mit Angehörigen der Familie
- Webseite der "Times"
- Agenturmaterial der dpa
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