• Bei den schweren Erdbeben am 6. Februar in der türkisch-syrischen Grenzregion sind mehr als 50.000 Menschen gestorben.
  • Über sechs Millionen Kinder sind von der Naturkatastrophe betroffen. In Syrien ist die Lage besonders dramatisch.
  • Nach zwölf Jahren Bürgerkrieg, Massenvertreibungen und Cholera-Ausbrüchen rauben die Folgen der Beben vielen die letzte Hoffnung.

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"Wir sind vor zehn Tagen in der Hölle aufgewacht“, sagt eine junge Mutter mit ihrem Kind auf dem Arm. "Wir liefen barfuß raus. Meine Kinder flehten mich an: 'Bitte, Papa. Ich will meine Jacke und eine Decke'", erinnert sich ein Vater an den Morgen der Katastrophe. Zurück ging es nicht mehr. Das Zuhause bestand nur noch aus Trümmern.

Mehrere Erdbeben haben in der Nacht zum 6. Februar in der türkisch-syrischen Grenzregion ganze Städte und Regionen zerstört. Mehr als 50.000 Menschen sind gestorben, davon über 42.000 in der Türkei. Nach UN-Angaben wurden im Land rund 1,5 Millionen Menschen obdachlos. Zehntausende Menschen wurden verletzt, darunter viele Kinder. Rettungsteams, Nachbarn, Angehörige versuchten teils mit bloßen Händen, Menschen aus dem Schutt zu bergen. Die Zahl der Todesopfer steigt noch immer.

In den Wochen nach der verheerenden Naturkatastrophe erlebten Kinder und Familien immer wieder schwere Erdbeben. Am Montag (27. Februar) starb dabei ein Mensch und 110 wurden verletzt.

Nach Gewalt, Vertreibung und Wirtschaftskollaps kam Erdbeben

Die Naturkatastrophe traf insbesondere in Syrien Millionen Menschen, die nach zwölf Jahren Bürgerkrieg am Ende ihrer Kräfte sind. Die Schockwellen des Bebens der Stärke 7,7 trafen mehrere syrische Städte – darunter Aleppo, Idlib, Homs, Hama und Latakia. Durch Gewalt, Vertreibung und den Kollaps der Wirtschaft hatten viele schon vorher alles verloren. Ein Großteil der Menschen ist verarmt, Kinder hungern.

Erschwerend kommt hinzu, dass in vielen Gebieten Syriens derzeit ein harter Winter herrscht. Zehntausende Menschen sind nun Schnee und Kälte schutzlos ausgeliefert, da sie durch das Erdbeben obdachlos sind. Viele andere Familien harren aus Angst vor weiteren Nachbeben ebenfalls auf der Straße aus.

Die internationale Hilfsorganisation UNICEF, das Kinderhilfswerk der Vereinten Nationen, leistet in Nordsyrien seit vielen Jahren Hilfe für Kinder und ihre Familien. "Unsere Kolleginnen und Kollegen vor Ort untersuchen derzeit gemeinsam mit den UNICEF-Partnerorganisationen das Ausmaß der Schäden, um den Bedarf der Hilfe zu ermitteln", informiert UNICEF-Sprecher James Elder. Tausende Wohnhäuser seien durch das Erdbeben zerstört worden, dazu zahlreiche Schulen und Krankenhäuser.

Ein Schulleiter aus Syrien berichtet, er selbst habe seine Kinder im Laufschritt aus dem Haus getragen, legte sie auf eine Treppe – dann stürzte sein Haus zusammen. Seine Schützlinge und er leben nun in Zelten. Trotz all dem Leid hofft der Schulleiter, bald wieder unterrichten zu können, um den Schülerinnen und Schülern Mut zu machen.

Millionen Menschen erhalten humanitäre Unterstützung

Unterstützt von internationalen Spenden konnten Millionen Menschen humanitäre Unterstützung erhalten. Allein die Stiftung United Internet for UNICEF hat bisher 600.000 Euro für Syrien zur Verfügung stellen können. Mit Spenden konnten diese Hilfen veranlasst werden (Stand 22. Februar):

  • Gesundheitsversorgung: 18.265 Menschen haben mit der Unterstützung von UNICEF medizinische Beratung und lebensrettende Gesundheitsdienste in den syrischen Städten Aleppo und Idlib erhalten.
  • Psychologische Hilfe/Kinderschutz: UNICEF und Partner haben insgesamt über 55.000 Kinder mit Materialien und Diensten in den Bereichen Kinderschutz erreicht, wozu auch die psychologische Unterstützung zählt. In den am stärksten betroffenen Gebieten rund um Aleppo, Hama und Latakia erreichten sie 38.436 Kinder und Betreuer mit psychologischer Erstversorgung, psychologischer Erste Hilfe, Freizeitaktivitäten, Hilfe für psychische Gesundheit und psychosozialer Unterstützung und Elternseminaren.
  • Zugang zu sauberem Wasser: 425.000 Menschen wurden mit Wasser und Hygiene-Zubehör versorgt, wie etwa Wasserreinigungstabletten. In Aleppo, Hama und Latakia bekamen rund 125.000 Menschen täglich Wasser per Lkw geliefert, da Leitungen und Pumpen beschädigt oder zerstört sind.
  • Bildungsangebote: Über 1.550 beschädigte Schulen wurden in Aleppo, Hama, Homs, Latakia untersucht, um ihre Sicherheit zu prüfen. Außerdem werden Schulmaterialien, Heizungen und Schulzelte geliefert.

"Es ist herzzerreißend, das Leid gerade bei den Kindern zu sehen", sagte UNICEF-Sprecher Elder kürzlich bei einer internationalen Online-Konferenz der Hilfsorganisation. In Syrien ist die Situation der Kinder besonders dramatisch, seit zwölf Jahren haben sie nichts anderes als Krieg erlebt. Nun sind über 3,5 Millionen von ihnen vom Erdbeben betroffen.

Laut UNICEF-Angaben sind insgesamt Zweidrittel der syrischen Bevölkerung auf Hilfe angewiesen. Infolge des Bürgerkriegs sei es im Land zu Massenvertreibungen gekommen, berichtet Elder. Dazu kam es zu Ausbrüchen von Cholera und dann das verheerende Erdbeben.

Am Schreibtisch arbeiten und darunter schlafen

Melinda Young, die für UNICEF in Syrien arbeitet, erzählt: "Das ganze Gebäude hat sich bewegt. Wir mussten Türen aufbrechen, um vom zehnten Stock runter- und rauszukommen". Früh morgens habe sie und ihre Nachbarn draußen Kälte und Schnee erwartet, drumherum Chaos, verzweifelte Menschen, die Schutz vor Nachbeben oder nach Angehörigen in den Trümmern suchen.

Trotzdem: "Wir sind dankbar, dass wir leben", sagt Young. Tagsüber arbeitet sie nun in einem Büro an ihrem Schreibtisch. Nachts schläft sie darunter, um sich im Schlaf vor herabstürzenden Deckenteilen zu schützen.

Sie und ihre Kolleginnen und Kollegen haben zunächst tagelang unter Schock gestanden. "Wir waren anfangs wie versteinert. Haben dann aber instinktiv das Richtige getan", sagt sie. Young und ihr Team verteilten als erstes Hygiene-Kits, sogenannte Nothilfepakete, um dem Ausbruch von Krankheiten und Seuchen vorzubeugen. Sie enthalten beispielsweise antibakterielle Seife, Shampoo, Zahnpasta und Zahnbürste, Windeln, Waschmittel, Handtücher, Desinfektionsmittel, Rasierschaum, eine Rasierklinge und Hygieneartikel für Frauen. Aufgrund des Bürgerkriegs ist das Land auf die Hilfe von Nichtregierungsorganisationen (NGOs) angewiesen.

73 Tonnen Hilfsmaterialien über Kopenhagen angeliefert

"Außerdem muss für den Transport von Wasser gesorgt werden, und wenn neue Nothilfepaketen ankommen, verteilen wir diese weiter", sagt die Helferin. In einigen Monaten werde es dann darum gehen, die Infrastruktur und Schulen wiederaufzubauen.

Die meisten der Hilfsgüter wurden über Kopenhagen angeliefert. In einer großen Lagerhalle stehen aufgereiht und gestapelt Berge von Kisten und braunen Kartons. "Wir sind der größte humanitäre Hub [Dreh- und Angelpunkt; Anm. d. Red.] in Europa", erklärt Lindsay Cotton, die für die Logistik von UNICEF zuständig ist. Mehr als 73 Tonnen an Hilfsmaterialien (Stand: 16. Februar) gingen aus Dänemark in die Türkei und nach Syrien.

"Wegen der Schäden durch den Bürgerkrieg sind viele Gebäude einfach in sich zusammengebrochen", berichtet Angela Kearney, die ebenfalls für das UNICEF-Team Syrien arbeitet. Sie musste am Morgen des Erdbebens aus dem 20. Stockwerk nach unten kommen. Schreiende Kinder und Menschen, die verletzt oder tot in den Fluren lagen, haben sich in ihr Gedächtnis gebrannt.

Einige Kinder schließen sich bewaffneten Banden an

Ihre Prioritäten waren in den ersten Tagen, die Hilfslieferungen aus den Flugzeugen zu verteilen und für zwei Stunden am Tag den syrischen Kindern mit Spielzeug und Puppen "ein paar schöne Momente der Ablenkung" zu bereiten, bevor es wieder in die Schutzräume geht.

"Kinder sind am meisten von der katastrophalen Lage betroffen", sagt Hazel de Wet von UNICEF. Bis zum Erdbeben hätten viele bis zu zehnmal ihr Zuhause wechseln müssen. Viele haben ihre Eltern verloren.

"Zusammen mit der Regierung und Verwandten versuchen wir, die Eltern zu finden. Übergangsweise kommen sie in ein Heim." Aufgrund der ausweglosen Lage hätten sich einige Kinder bewaffneten Banden angeschlossen. Andere sind Kinderarbeit zum Opfer gefallen.

Die Türkei liegt in einem extremen Erdbebengebiet

"47.000 Gebäude sind hier zerstört", sagt Regina de Dominicis aus Ankara. Sie ist UNICEF-Repräsentantin für die Türkei, wo die Hilfsorganisation bereits seit 1971 tätig ist. Das Land am Bosporus hat seitdem schon einige Erdbeben erlebt – wie das im iranisch-türkischen Grenzgebiet von 1976, mit mehreren Tausend Toten oder 1999 in Gölcük, mit fast 20.000 Opfern.

Nach dem jüngsten Beben habe man bereits über 700 Kinder in andere Provinzen umgesiedelt (Stand: 16. Februar), sagt Dominicis. Insgesamt sind laut UNICEF 2,5 Millionen Kinder in der Türkei betroffen.

Auch in den türkischen Erdbebengebieten steht der Schutz der gefährdeten Kinder für UNICEF im Mittelpunkt. Zusammen mit dem türkischen Familienministerium wurden bereits Hunderte Kinder, die in Kinderheimen und anderen Einrichtungen leben, an sichere Orte evakuiert. Außerdem werden dringend benötigte Winterkleidung und Decken für Tausende Kinder und Babys verteilt, dazu auch Hygiene-Sets für Familien sowie Mutter-Baby-Sets.

Größter Wunsch der Kinder: Wieder zur Schule können

UNICEF steht in engem Kontakt mit der türkischen Regierung und koordiniert Teile der Katastrophenhilfe im Land. "Dabei bewerten wir täglich neu, welche Unterstützung die betroffenen Kinder und Familien in den kommenden Tagen und Wochen konkret brauchen werden", erklärt Sprecher Elder. Denn nur so könne gezielt geholfen werden.

So hat der zehnjährige Bissan, der seit dem schweren Erdbeben in einem Zeltcamp lebt, nur einen Wunsch: "Ich hoffe, dass unser Haus wieder aufgebaut wird und ich in die Schule zurückgehen kann."

UNICEF ist das Kinderhilfswerk der Vereinten Nationen. United Internet, wozu auch die Marken WEB.DE, GMX und 1&1 gehören, sammelt über die Stiftung United Internet for UNICEF Spenden für die Organisation.
Dieser Artikel entstand in Zusammenarbeit mit unserem Kooperationspartner UNICEF. Mehr dazu lesen Sie unter „Warum und wie wir mit UNICEF zusammenarbeiten“.