Israel macht den Islamischen Dschihad für die Explosion an einer Gaza-Klinik verantwortlich. Das habe eine Prüfung ergeben. Fraglich, ob das auch aufgebrachte Menschen in arabischen Ländern überzeugt. Den Besuch von US-Präsident Biden brachte der Vorfall durcheinander.
Die Explosion an einem Krankenhaus im Gazastreifen mit vielen Toten geht nach israelischen Erkenntnissen klar auf das Konto militanter Palästinenser. Dort sei am Dienstagabend eine fehlgeleitete Rakete der militanten Palästinenserorganisation Islamischer Dschihad eingeschlagen. Das gehe aus Luftaufnahmen und einem abgefangenen Telefongespräch hervor, sagte der israelische Armeesprecher Daniel Hagari am Mittwoch in Tel Aviv.
Unterschiedliche Schuldzuweisungen nach Angriff auf Gaza-Klinik
Der Dschihad wies die Darstellung zurück und in arabischen Ländern wurde Israel für den Angriff verantwortlich gemacht. Ein geplantes Treffen von US-Präsident Joe
Biden sagte kurz nach seiner Ankunft in Israel, die Explosion scheine nicht auf Israel zurückzugehen. "Nach dem, was ich gesehen habe, sieht es so aus, als ob es vom anderen Team gemacht wurde, nicht von Ihnen", sagte Biden kurz nach seiner Ankunft in Tel Aviv zu Israels Ministerpräsident
Im Anschluss an seinen Kurzbesuch in Israel wollte Biden ursprünglich nach Jordanien, um mit dem palästinensischen Präsidenten Mahmud Abbas, Ägyptens Staatschef al-Sisi und Jordaniens König Abdullah II. zusammenzukommen. Jordanien habe das Treffen in Absprache mit der US-Delegation abgesagt, so Kirby. Abbas werde wegen einer dreitägigen Staatstrauer nach der Explosion nicht anreisen.
Was die israelische Seite sagt:
Hagari sagte vor Journalisten, auf einem Parkplatz neben der Klinik seien Zerstörungen vor allem durch eine sehr große Menge an Raketenantriebsmittel (Propellant) zu erklären. "Der Treibstoff hat eine größere Explosion ausgelöst als der Sprengkopf selbst." Darum seien Fahrzeuge in Brand geraten. Auf dem Parkplatz hätten sich zum Zeitpunkt der Explosion viele Menschen aufgehalten.
Es gebe auch keine typischen Zerstörungen an den umliegenden Gebäuden oder einen Krater wie nach einem israelischen Luftangriff, betonte Hagari. "Der Parkplatz wurde nicht von Munition der Luftwaffe getroffen." Das Raketenabwehrsystem Iron Dome werde auch nicht über dem Gazastreifen, sondern nur über Israel eingesetzt. Es gebe häufiger Vorfälle fehlgeleiteter Raketen militanter Palästinenser, die im Gazastreifen selbst einschlugen, sagte er.
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Sprecher Daniel Hagari sagte, die palästinensische Rakete sei vermutlich von einem Friedhof hinter dem Krankenhaus abgefeuert worden. In einem von Israel abgefangenen Telefongespräch zwischen zwei Mitgliedern der im Gazastreifen herrschenden islamistischen Hamas sei ebenfalls von der Fehlfunktion einer palästinensischen Rakete die Rede gewesen. Der israelische Armeesprecher Jonathan Conricus hatte zuvor schon dem US-Sender CNN gesagt, das Militär habe Beweise vorliegen über ein von Israel abgehörtes Gespräch zwischen Hamas-Terroristen. Sie hätten gesagt: "Oh, da gab es offenbar eine Fehlfunktion oder eine Explosion einer Rakete, die im Gazastreifen gelandet ist."
Hagari sagte weiter, es gebe auch Radaraufzeichnungen von einer Salve von Raketen, die kurz vor der Explosion vom Gazastreifen aus auf Israel abgefeuert worden sei. Die Armee habe auch Luftaufnahmen ausgewertet. Es gebe zwei unabhängige Videos, die als Beweis für eine fehlgeleitete Rakete dienten. Man werde diese Informationen sowie weitere Beweise an Israels Verbündete weitergeben, allen voran die USA.
Die Hamas habe sofort gewusst, dass es sich um eine fehlgeleitete Rakete des Islamischen Dschihad gehandelt habe, und dennoch versucht, Israel für den tödlichen Vorfall verantwortlich zu machen, sagte Hagari.
Was die palästinensische Seite sagt:
Die militante Palästinenserorganisation Islamischer Dschihad wies die Schuldzuweisung der Israelis zurück. Das Gesundheitsministerium im Gazastreifen, das der dort herrschenden islamistischen Palästinenserorganisation Hamas untersteht, teilte mit, dass "mehrere Hundert" Menschen bei einem israelischen Luftangriff auf das Krankenhaus getötet und verletzt worden seien. Eine genaue Zahl wurde nicht genannt. Es gibt keine unabhängige Bestätigung für diese Angaben.
Seit Beginn des Gaza-Kriegs am 7. Oktober starben demnach rund 3200 Menschen im Gazastreifen. Rund 11 000 weitere seien verletzt worden, erklärte das Ministerium am Mittwoch. In Israel waren bei Massakern im Auftrag der Hamas im Grenzgebiet und in den Tagen danach mehr als 1400 Menschen getötet worden. Rund 4400 Menschen wurden nach Angaben der israelischen Regierung verletzt.
Mehrere arabische Staaten geben Israel die Schuld
Nach der Explosion gab es in der arabischen Welt, auch unter westlichen Verbündeten, schnell Schuldzuweisungen an Israel. In mehreren Ländern, auch in Deutschland, folgten wütende Proteste.
Saudi-Arabien verurteilte das "abscheuliche Verbrechen" aufs Schärfste - und machte Israel dafür verantwortlich, wie aus einer Erklärung des saudischen Außenministeriums hervorging. Riad verurteile die "anhaltenden Angriffe der israelischen Besatzung" auf Zivilisten. Auch die Vereinigten Arabischen Emirate (VAE) gaben Israel die Schuld. Marokko verurteilte die "Bombardierung" der Klinik "durch israelische Streitkräfte" ebenso "aufs Schärfste". Auch Bahrain schloss sich der Kritik am "israelischen Bombenanschlag" an.
UN-Generalsekretär fordert Feuerpause
UN-Generalsekretär António Guterres forderte eine Feuerpause. "Ich rufe zu einer sofortigen Feuerpause auf, um genug Zeit und Platz bereitzustellen, damit meine beiden Aufrufe realisiert und das epische menschliche Leid gelindert werden kann", sagte er am Mittwoch in Peking. Damit meinte er seine Forderung an die Hamas, Geiseln freizulassen, und an Israel, humanitäre Hilfe in Gaza zuzulassen.
Die israelische Armee rief die Einwohner der Stadt Gaza sowie des nördlichen Gazastreifens dazu auf, ein "humanitäres Gebiet" südlich von Wadi Gaza (Flussbett) aufzusuchen. Dort solle humanitäre Hilfe zur Verfügung gestellt werden, hieß es in dem am Mittwoch veröffentlichten Aufruf. (dpa/lag)
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