Hunderttausende Menschen suchen vor Israels Bodenoffensive gegen die Hamas im Gazastreifen Schutz im Süden. Ihre Lage ist katastrophal. Derweil fordert UN-Generalsekretär António Guterres eindringlich die sofortige Freilassung der Geiseln. Was seit Sonntagabend im Nahen Osten geschah - und was am Montag wichtig wird.
Aus Angst vor Israels erwarteter Bodenoffensive im Gazastreifen gegen die islamistischen Hamas-Angreifer suchen Hunderttausende Palästinenser unter katastrophalen Bedingungen Schutz im Süden des hermetisch abgeriegelten Küstenstreifens. Nach mehreren Evakuierungsaufrufen an die Zivilbevölkerung hätten sich dort inzwischen mehr als 600.000 Menschen hinbegeben, teilte Israels Armeesprecher Daniel Hagari am Sonntag mit.
Die Versorgung der dicht gedrängten Menschenmassen ist jedoch dramatisch. Wenigstens Wasser sollen sie wieder bekommen. Das kündigte Israels Energieminister Israel Katz am Sonntag auf der Plattform X (vormals Twitter) an.
Israel bereitet sich auf Zerstörung der Hamas vor
Dies werde dazu beitragen, dass die Zivilbevölkerung - wie von Israels Armee gewünscht - den Norden der schmalen Küstenenklave räume und sich in den Süden bewege, sagte Katz. Israels Militär könne so die Zerstörung der Infrastruktur der Hamas im Norden intensivieren. Beobachter gehen davon aus, dass das israelische Militär die mehr als eine Million Palästinenser im Norden des Küstenstreifens zur Evakuierung in den Süden aufgefordert hat, weil eine Bodenoffensive bevorsteht.
Israel bestätigt Entführung von 155 Geiseln in Gazastreifen
Israel will die im Gazastreifen herrschende Hamas zerstören, die bei dem beispiellosen Terrorüberfall auf Israel vor mehr als einer Woche mehr als 1300 Menschen getötet und mehr als 3600 Menschen verletzt hatte. Israels Armee konnte inzwischen die Entführung von 155 Menschen aus Israel in den Gazastreifen bestätigen. Deren Angehörige seien informiert worden. Die Armee werde alles tun, um sie nach Hause zu bringen. Unter den Entführten sind auch acht Deutsche. Die Bundesregierung hat nach Aussagen von Außenministerin
Abbas: Hamas-Taten repräsentieren nicht das palästinensische Volk
Die Taten und die Politik der Hamas repräsentieren nach den Worten von Palästinenserpräsident Mahmud Abbas nicht das palästinensische Volk. Er lehne die Tötung von Zivilisten auf beiden Seiten ab, betonte Abbas, der die Autonomiebehörde im Westjordanland leitet, am Sonntag in einem Telefonat mit Venezuelas Staatschef Nicolás Maduro, wie die palästinensische Nachrichtenagentur Wafa berichtete. Abbas forderte alle Beteiligten auf, Gefangene freizulassen.
UN-Chef Guterres: Naher Osten "am Rand des Abgrunds"
Angesichts eines Nahen Ostens "am Rande des Abgrunds" forderte auch UN-Generalsekretär António Guterres eindringlich die sofortige Freilassung der Geiseln sowie einen raschen humanitären Zugang zum Gazastreifen. "Jedes dieser beiden Ziele ist berechtigt", sagte Guterres am Sonntag in New York laut einer Mitteilung. Unterdessen soll der einzige Grenzübergang aus dem Gazastreifen zum Nachbarland Ägypten einer ägyptischen Sicherheitsquelle zufolge am Montag für die Ausreise von ausländischen Staatsangehörigen geöffnet werden.
Den Angaben zufolge laufen dafür die Vorbereitungen. Auch die Einfuhr von humanitären Hilfslieferungen über den Grenzübergang Rafah soll demnach ermöglicht werden. Wegen der israelischen Luftangriffe ist der Grenzübergang derzeit außer Betrieb. Für die Menschen im Gazastreifen gibt es keine Möglichkeit, das Gebiet zu verlassen.
Zahl der Toten steigt weiter
Israels Luftangriffe als Antwort auf die beispiellosen Massaker der Hamas haben schwere Verwüstungen angerichtet. Mehr als 1.000 Menschen seien unter Trümmern verschüttet worden, darunter seien Verletzte und Tote, teilte der Zivilschutz im Gazastreifen am Sonntag mit. Die Zahl der Toten im Gazastreifen stieg unterdessen auf 2.670. Dies teilte das Gesundheitsministerium in Gaza, das auch der Hamas untersteht, am Sonntagabend mit. Rund 9.600 weitere Menschen seien verletzt worden. Das waren binnen einer Woche schon mehr Todesopfer als bei dem bislang letzten großen Gaza-Krieg von 2014, der 50 Tage dauerte.
Sorge vor Ausweitung des Konflikts
Frankreichs Präsident Emmanuel Macron warnte den Iran vor einer Eskalation und Ausweitung des Konflikts, insbesondere im Libanon. Angesichts der engen Beziehungen Irans zur Hisbollah-Miliz im Libanon und zur Hamas im Gazastreifen trage die Führung in Teheran Verantwortung, sagte Macron in einem Telefonat mit dem iranischen Präsidenten Ebrahim Raissi. Er forderte ihn auf, alles tun, um einen regionalen Flächenbrand zu verhindern. Die vom Iran finanzierte Hisbollah gilt als wesentlich schlagkräftiger als die Hamas.
Erneut Schusswechsel an Grenze zu Libanon
Seit den Terrorattacken der Hamas auf Israel und den Gegenschlägen Israels auf den Gazastreifen kam es regelmäßig zu Zwischenfällen an der Grenze zwischen Israel und dem Libanon. Am Sonntagabend attackierte Israels Armee nach eigenen Angaben erneut Stellungen der Hisbollah. Stunden zuvor hatte die Hisbollah Ziele im Nachbarland angegriffen. Israelischen Medienberichten zufolge wurden acht Menschen in Israel verletzt, einige davon schwer. Am Sonntag wurde das Unifil-Hauptquartier im südlibanesischen Nakura von einer Rakete getroffen. Niemand sei verletzt worden. Unklar war zunächst, wer die Rakete abfeuerte.
Die Bundeswehr holte derweil am späten Sonntagabend mit einem weiteren Flugzeug deutsche Staatsangehörige aus Israel. Der Militärtransporter vom Typ A400M sei gegen 21.20 Uhr in Tel Aviv gestartet, teilte das Einsatzführungskommando auf X mit. Die Maschine sei mit 60 Passagieren an Bord auf dem Weg nach Deutschland.
Das wird am Montag wichtig
US-Außenminister Antony Blinken will nach seinem Besuch verschiedener Länder im Nahen Osten an diesem Montag erneut nach Israel reisen. Welche Termine in Israel geplant sind, war zunächst nicht bekannt. Der einzige Grenzübergang aus dem Gazastreifen zum Nachbarland Ägypten soll für die Ausreise ausländischer Staatsangehöriger geöffnet werden. Auch die Wasserversorgung der Palästinenser im Süden des Gazastreifens soll wiederhergestellt werden. (dpa/mbo)
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