Seit gestern ist es offiziell: Die neue Klub-WM wird 2021 in China ausgetragen. Nicht nur der neu strukturierte Wettbewerb mit nunmehr 24 Mannschaften ist umstritten, auch der Austragungsort sorgt für heftige Kritik - Fifa-Boss Gianni Infantino will davon allerdings nichts wissen.

Pit Gottschalk
Eine Kolumne
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Manchmal weiß man beim Weltverband Fifa nicht, was wütender machen soll: das einstimmige Votum, dass die Klub-WM 2021 in der Parteidiktatur China stattfinden soll, oder die Unverfrorenheit des Fifa-Präsidenten selbst.

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Gianni Infantino nahm bei der Verkündung des Gastgeberlandes für sich in Anspruch, das Meinungsbild über die “historische Entscheidung” genauestens zu kennen: “Es wird ein Wettbewerb, auf den sich jeder Mensch, jedes Kind und jeder, der den Fußball liebt, freut.”

Wenn er sich da mal nicht irrt. Jeder, der den Fußball liebt, schlägt die Hände über dem Kopf zusammen, dass die besten Spieler in einem Land antreten müssen, das die Bürgerrechte in Hong Kong niederknüppelt. Infantino sollte nicht schwindeln, sondern bei der Wahrheit bleiben: Bei der Turniervergabe nach China geht es allein um eine Entwicklungshilfe, von der sich die Fifa ein Milliardengeschäft verspricht. Die Klub-WM ist nur die Vorstufe: ein Stimmungstest, ob China als WM-Gastgeber Punkte sammeln kann.

China liebt Fußball - und hat Geld

Die nächste Gelegenheit böte sich 2030. Die kommenden Weltmeisterschaften sind bereits vergeben und finden in Katar und in den nordamerikanischen Staaten USA, Kanada und Mexiko statt. Für das WM-Turnier in elf Jahren haben bislang die vier südamerikanischen Länder Argentinien, Chile, Paraguay und Uruguay sowie die vier europäischen Länder Griechenland, Bulgarien, Rumänien und Serbien ihre Interesse bekundet. Besonders lukrativ wären diese Bewerber nicht.

Großes Geld wird in Staaten, die heute ums Überleben kämpfen, auch in einem Jahrzehnt nicht zu verdienen sein. Die Fifa denkt: dann lieber China. Um fair zu bleiben: China liebt Fußball und tut mit staatlich verordneten Millionen-Investitionen einiges, nicht nur eine glamouröse Liga aufzubauen, sondern Nachwuchsarbeit an der Basis zu fördern. Fußball ist Pflichtfach in den Schulen. “Die Welt” bezeichnete Staatspräsident Xi Jinping als obersten Ultra-Fan: Den WM-Sieg bis 2050 erklärte er zur Staatsaufgabe.

Der Größenwahnsinn erinnert sehr an die USA, bevor dort 1994 die erste WM stattfand und mit dem Ziel verbunden war, eine fünfte Top-Liga neben American Football und Baseball, Eishockey und Basketball zu etablieren. Aus dem versprochenen WM-Titel wurde nie etwas, aber die MLS, wo einstige Stars wie David Beckham, Zlatan Ibrahimovic und zuletzt Bastian Schweinsteiger ihren Vorruhestand verbrachten, hat es zu einer stattlichen Akzeptanz gebracht. Der Unterschied zu den USA: die Menschenrechte.

Man erinnere sich nur an die DFB-Kooperation in der Regionalliga, als ein chinesisches Junioren-Team Tibet-Fahnen auf den Tribünen entdeckte. Der Protest im Publikum führte zum diplomatischen Zoff und zum Abbruch der Kooperation.

Die Chinesen wissen, wie sie ihren durch Geld gewachsenen Einfluss zur Geltung bringen. Kürzlich wagte ein amerikanischer Basketball-Manager ein falsches Wort. Prompt wurde die PR-Tournee unterbrochen, die Live-Übertragung von NBA-Spielen ausgesetzt. Kritik ist nicht erwünscht.

Infantino stören die Vorkommnisse ist seiner Geltungssucht nicht. “Jeder kann sagen, was er will”, behauptete er bei der WM-Vergabe in Shanghai, und das besseren Wissens. Es klingt wie Hohn, wenn er sagt: “Wir versuchen, Fußball als Katalysator für Positives und niemals für Negatives einzusetzen.” Fußball bringe “ein Lächeln ins Gesicht der Menschen”.

Erster Stimmungstest: WM 2030 in China?

Es wäre ehrlicher, wenn er einfach sagte: China hat Tonnen von Geld - und an dieses Geld wollen wir mit dem Weltverband dringend ran.

Die WM-Vergabe 2030 oder 2034 an China wäre demnach nur die logische Konsequenz aus der altrömischen Überlieferung, dass Geld nicht stinkt. Wer ein Turnier nach Russland und Katar vergibt, lächelt über jeden vorgetragenen Zweifel an China. Das IOC ist da längst schon weiter als die Fifa und hat mit den Winterspielen 2022 zum zweiten Mal nach den Sommerspielen 2008 Olympia an die Chinesen vergeben.

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Pit Gottschalk, 51, ist Journalist und Buchautor. Seinen kostenlosen Fußball-Newsletter Fever Pit’ch erhalten Sie hier: http://newsletter.pitgottschalk.de.
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