• Die Warenhauskette Galeria Karstadt Kaufhof prägte jahrelang die großen deutschen Innenstädte.
  • Mittlerweile befindet sich der Konzern in einem jahrelangen Abstieg – der Kette droht abermals die Pleite.
  • Schuld an der Misere soll ausgerechnet der Mann sein, der einst angetreten war, das Unternehmen zu retten.

Mehr News zum Thema Wirtschaft

Es lief schon mal besser für René Benko, Immobilienmogul, sechstreicher Österreicher und Inhaber der maroden Kaufhauskette "Galeria Karstadt Kaufhof" (GKK). Einst vom österreichischen "Standard" als "Goldjunge mit Pokerface" gefeiert, ist Benko heute in einen der größten Korruptionsskandale in der Geschichte der österreichischen Politik verstrickt. Anfang Oktober versetzte Thomas Schmid, ehemals hochrangiger Beamter im Finanzministerium, das Land mit brisanten Chats in Aufregung, die Bestechung, Korruption und Steuervergehen im inzwischen abgetretenen Kabinett von Ex-Kanzler Sebastian Kurz dokumentieren sollten. In den Chats tauchten auch Nachrichten auf, nach denen Benko dem Staatsbeamten Schmid einen gut bezahlten Posten in seiner Immobilienfirma Signa Holding angeboten haben soll. Das versprochene Jahressalär: 300.000 Euro plus Boni und Dienstwagen. Im Gegenzug sollte Schmid demnach zwei millionenschwere Steuersachen "auf Schiene" bringen, zu Deutsch: eine Steuerprüfung beeinflussen. Im Zuge der Ermittlungen wurden die Büros von Benkos Immobilienfirma in Innsbruck und Wien durchsucht. Es gilt die Unschuldsvermutung.

Der Rettungsschirm als letzter Ausweg vor der Insolvenz

Wenig freudvoll sieht es auch für die wirtschaftlichen Aktivitäten des Unternehmers aus Innsbruck aus. Anfang November musste GKK, der letzte große deutsche Warenhauskonzern, erneut Rettung in einem Schutzschirmverfahren suchen. In einem Mitarbeiterbrief warnte Galeria-Chef Miguel Müllenbach, das Unternehmen befinde sich aufgrund der explodierenden Energiepreise und der Konsumflaute "in bedrohlicher Lage". Der Konzern brauche frisches Geld, um weitermachen zu können. Tausende Stellen sollen deshalb abgebaut, mindestens 40 der 131 verbliebenen Filialen geschlossen werden. Gläubiger bangen um ihre Rückzahlungen und rund 17.000 Mitarbeiter des Konzerns um ihre Jobs. Bereits seit diesem Monat werden die Löhne vom Insolvenzgeld beglichen.

Die Schuld dafür, dass sich GKK in einer desolaten Lage befindet, sehen viele bei Benko. 2019 hatte er die ehemals eigenständigen Unternehmen Galeria Kaufhof und Karstadt zusammengeführt und unter dem Dach seiner Signa Holding vereint. Alles sah nach einer Traumhochzeit aus: Für die Beschäftigten, weil in Europa niemand einen ähnlichen Track-Record darin vorweisen kann, klassische Kaufhäuser in eine Art soziale Begegnungsstätten zu verwandeln, in denen es um mehr geht als nur ums Einkaufen. Das Alsterhaus in Hamburg oder das KaDeWe in Berlin sind Beispiele, wie Kaufhäuser unter Benkos Regie zu eigenständigen Marken wurden, die heute als Synonym für ein luxuriöses Shoppingerlebnis gelten. In Wien lässt Benko gerade ein Pendant zum Berliner KaDeWe errichten. In Hamburg soll bis 2025 der Elbtower hochgezogen werden. Erst in diesem Jahr kaufte Benko die Luxuskaufhauskette Selfridges auf, die in London seit 1909 eine Institution ist.

Auch Benko nutzte der Deal mit GKK: Seine Firma bekam auf einen Schlag Zugriff auf zahlreiche lukrative Innenstadt-Immobilien, die er langfristig an externe Unternehmen vermieten und einige Jahre später mit Rendite weiterverkaufen konnte. Doch die Corona-Pandemie machte die Pläne nur neun Monate nach der Fusion zunichte: 40 Filialen mussten geschlossen werden, 4.000 Stellen wurden gestrichen. Dass GKK nur wankte, aber nicht fiel, lag vor allem daran, dass die Bundesregierung aushalf. Ähnlich wie Lufthansa, Thyssen-Krupp oder TUI schlüpfte auch GKK unter das Dach des Wirtschaftsstabilisierungsfonds (WSF), mit dem der deutsche Staat besonders gefährdete Unternehmen durch die Krise rettete. GKK wurden insgesamt 680 Millionen Euro injiziert, dazu kam ein Schuldenschnitt in Milliardenhöhe, der den Neustart ebnen sollte.

GKK braucht dringend liquide Mittel – und bekommt sie offenbar nicht

Doch dieser missglückte. Mit dem neuen Geld wurden offenbar nur Löcher gestopft, dazu kamen die in den letzten Monaten steigenden Energiepreise, die Rezession und Zukunftssorgen, die den Deutschen auch jetzt wieder die Konsumlaune abschnüren. Am 31. Oktober, nur wenige Monate nach der letzten staatlichen Finanzspritze, stellte GKK erneut einen Antrag auf einen Schutzschirm in Eigenverwaltung. Das bedeutet, dass das Unternehmen die Insolvenz selbst verwaltet und versucht, sich mithilfe externer Experten zu sanieren.

Um zu überleben, braucht GKK dringend liquide Mittel – und dafür kommen in der aktuellen Lage nur zwei Investoren infrage: Benkos Signa Holding als Eigentümer, und – zum wiederholten Male – der deutsche Steuerzahler. Denn klar ist: Ohne frisches Kapital sind die Chancen auf eine Sanierung aussichtslos. Das schien auch Benko bereits im Oktober zu dämmern. Nach Recherchen des Magazins "Capital" soll er sich persönlich in Gespräche zwischen dem Galeria-Management und der Bundesregierung eingeschaltet haben. In diesen soll ernsthaft darüber verhandelt worden sein, ob der Konzern erneut Hilfen aus dem Wirtschaftsstabilisierungsfonds erhält. Gewichtige Gründe hätte es gegeben: Das Argument, das zu den letzten Hilfen führte, nämlich rund 17.000 Arbeitsplätze zu sichern und eine Verödung vieler Innenstädte zu verhindern, gilt weiterhin. Dazu kommt: Eine Pleite von GKK, so zeigt es ein Gutachten der Universität St. Gallen, würde die Sozialkassen voraussichtlich mit 2,4 Milliarden Euro belasten.

Dennoch gingen beide Parteien ohne Einigung auseinander. Zu groß soll der Bundesregierung das Risiko in Zeiten klammer Kassen gewesen sein, gutem Geld noch schlechtes hinterherzuwerfen. Eine neuerliche Finanzspritze hätte es demnach nur mit einer stattlichen Eigenbeteiligung seitens der Signa-Holding gegeben – das Bundeswirtschaftsministerium habe Sicherheiten verlangt, die Signa nicht leisten wollte. Und selbst wenn es eine Einigung gegeben hätte, wären die rechtlichen Hürden hoch gewesen. So hätte die EU den Fall prüfen müssen, weil der Wirtschaftsstabilisierungsfonds nur für Corona-Problemfälle konzipiert ist, nicht aber für Unternehmen, die aufgrund der steigenden Energiekosten in Schieflage geraten sind. Dazu kommt immer lauter werdende Kritik von anderen Handelsunternehmen, die ebenfalls über mangelnde Kundschaft klagen und keine Staatshilfe erwarten können.

Politik hat Vertrauen in Signa-Chef Benko verloren

Aus den Gesprächen heißt es, dass sowohl die Politik als auch die Gewerkschaften zweifeln, ob Benko das Ruder bei Galeria dauerhaft herumreißen kann – oder es überhaupt will. Was viele der Beteiligten denken, verbalisierte zuletzt der Investor Carsten Maschmeyer besonders forsch. Seine Analyse der Situation: "Mit dem Druckmittel der Insolvenz in Eigenverwaltung soll durchgesetzt werden, noch mehr Geld zu bekommen, aber trotzdem Menschen zu entlassen und Filialen abzustoßen. Das ist schon fast Erpressung und das Gesamtgebaren erinnert an einen Heuschrecken-Kapitalismus."

Die ausgesprochen solide Finanzlage von Benkos Signa-Holding spricht zumindest dafür, dass Maschmeyer einen Punkt hat. So soll Benkos Firma ihre Anteilseigner im Januar vergangenen Jahres, kurz nachdem die letzte Tranche der Beihilfen ausgezahlt war, mit einer Dividende von 450 Millionen Euro belohnt haben. Ausweislich der Bilanz des Unternehmens für das vergangene Jahr verdiente allein Benkos Firmenmutter 570 Millionen Euro nach Steuern, und damit beinahe doppelt so viel wie im Jahr zuvor. Es ist vermutlich einer der Gründe, warum die Experten der Bundesregierung laut "Spiegel" eine Reihe "intangibler Risiken" sahen, mit denen ein erneutes Engagement bei GKK behaftet sei.

Exemplarisch steht dafür auch eine besonders fragwürdige Geschäftspraxis, über die zuletzt die "Bild" berichtet hatte. Benko habe demnach die Kaufhauskette geradezu auseinandergenommen und in die Pleite getrieben. Signa habe etliche Kaufhaus-Filialen an andere Investoren verkauft und GKK anschließend ihre Handelsflächen zu überhöhten Preisen zurückmieten lassen. Bis zu 8,6 Millionen Euro sollen die Filialen auf diesem Wege im laufenden Jahr an die neuen Immobilieneigentümer bezahlt haben. Die Gesamtsumme für die 22 Filialen soll sich auf 58 Millionen Euro belaufen. Viel zu viel, wie es aus der Branche heißt.

Noch ist unklar, wie es angesichts des drohenden Bankrotts für die Mitarbeiter weitergeht. Die offizielle Insolvenzeröffnung wird für Anfang Februar erwartet, ohne neues Kapital dürften die Lichter kurz danach ausgehen. Um dies zu verhindern, soll der Restrukturierungsexperte Arndt Geiwitz als neuer Generalbevollmächtigter das Management bei der Sanierung im Schutzschirmverfahren unterstützen. Geplant ist unter anderem eine deutliche Verringerung der Zahl der Filialen. Mindestens ein Drittel soll geschlossen werden, heißt es intern. Offiziell heißt es von Galeria-Seite dazu bislang nur: "Die Neugestaltung der ersten rund zehn Galeria-Filialen im Rahmen der neu implementierten Strategie Galeria 2.0 seit Oktober 2022 zeigt nachweisliche Erfolge und muss deshalb nach einer Feinjustierung fortgesetzt werden." Das bestehende Filialportfolio müsse "deutlich reduziert" werden. Oder anders formuliert: Wer nicht ins Konzept passt, wird geschlossen.

Und auch René Benko, der sich zu seinen Plänen lange bedeckt gehalten hatte, meldete sich Mitte November zu Wort: Er wolle weitere "sehr hohe Investitionen" in Galeria tätigen. Besonders verbindlich klang das nicht.

Verwendete Quellen:

  • Capital.de: Benko will Galeria "weiterhin unterstützen"
  • ntv.de: Carsten Maschmeyer attackiert René Benko
  • Spiegel.de: Warum am Ende immer Benko gewinnt (kostenpflichtiger Artikel)
  • Bild.de: Das miese Spiel des Kaufhaus-Königs (kostenpflichtiger Artikel)
  • Pressestatement von Galeria Karstadt Kaufhof
Interessiert Sie, wie unsere Redaktion arbeitet? In unserer Rubrik "So arbeitet die Redaktion" finden Sie unter anderem Informationen dazu, wann und worüber wir berichten, wie wir mit Fehlern umgehen und woher unsere Inhalte kommen. Unsere Berichterstattung findet in Übereinstimmung mit der Journalism Trust Initiative statt.