Zum Weltflüchtlingstag veröffentlicht das UN-Flüchtlingshilfswerk UNHCR erschreckende Zahlen: Ende 2024 waren weltweit 123,2 Millionen Menschen auf der Flucht – ein Anstieg um sieben Millionen im Vergleich zum Vorjahr. Besonders alarmierend: Etwa 40 Prozent aller Vertriebenen sind Kinder.

Die Folgen von Flucht treffen Kinder besonders hart. Laut dem aktuellen UNHCR-Bericht sind etwa 50 Millionen Kinder weltweit betroffen. Die Auswirkungen zeigen sich in verschiedenen Lebensbereichen, zum Beispiel in ihrer physischen und psychischen Gesundheit, dem Zugang zu Bildung und der Gefährdung ihrer Sicherheit.

Die größten Krisen treiben Menschen in die Flucht

Die vier größten Vertreibungskrisen weltweit betrafen Ende 2024 den Sudan (14,3 Millionen Vertriebene), Syrien (13,5 Millionen), Afghanistan (10,3 Millionen) und die Ukraine (8,8 Millionen). In der Demokratischen Republik Kongo wurden 3,1 Millionen Menschen durch bewaffnete Konflikte vertrieben, insgesamt sind dort 7,4 Millionen Menschen auf der Flucht. In Gaza sind fast zwei Millionen Menschen – nahezu die gesamte Bevölkerung – vertrieben worden.

Rohingya in Bangladesch: Vertrieben und vergessen

Das größte Flüchtlingslager der Welt liegt in Bangladesch: in Kutupalong, in der Region Cox's Bazar leben rund 600.000 Rohingya. Die Rohingya sind eine muslimische Minderheit, die eigentlich aus Myanmar kommt. Jedoch sehen sich die Rohingya seit Jahrzehnten Diskriminierung und Vertreibung ausgesetzt.

2017 kam es zu einer gewaltvollen Vertreibungswelle durch das myanmarische Militär. Damals flohen rund 700.000 Rohingya ins benachbarte Bangladesch, wo sie bis heute ausharren müssen. Ob sie jemals nach Myanmar zurückkehren können, ist laut UNICEF unklar.

Aber die Menschen in Cox’s Bazar geben nicht auf

Die 32-jährige Anowara lebt mit ihrer Tochter in einem Teil des Lagers in Cox's Bazar. Rifa wurde gesund geboren, jedoch bereits nach kurzer Zeit krank und verlor schnell an Gewicht. Sie entwickelte eine schwere akute Mangelernährung. Anowara fand Hilfe im integrierten Ernährungszentrum im Flüchtlingslager, welches von UNICEF unterstützt wird.

Eine Mutter füttert ihr Kind auf dem Schoß.
Anowara füttert ihre Tochter, die akut mangelernährt ist. Rund eine halbe Million Rohingya-Flüchtlingskinder leben nun seit sieben Jahren fernab ihrer Heimat. Die Ernährungssituation in den Flüchtlingslagern hat sich verschlechtert, da die Geflüchteten ausschließlich auf humanitäre Hilfe angewiesen sind und kaum oder gar keine andere Lebensgrundlage haben. © UNICEF/UNI622136/Njiokiktjien

Trotz der Härte, die sie in ihrem Leben erfahren hat und den katastrophalen Bedingungen, unter denen sie in Bangladesch leben, verliert Anowara nicht die Hoffnung für ihre Tochter: "Ich wünsche mir, dass mein Baby lächelt, läuft und spricht."

Seit 2017 unterstützt das Kinderhilfswerk der UN die Rohingya in Bangladesch mit Spezialnahrung, Impfungen oder Notschulen. Ehrenamtliche Helferinnen und Helfer besuchen die Menschen zu Hause, um sie rund um das Thema Ernährung zu beraten. Zudem prüfen sie den Ernährungszustand der Kinder und überweisen mangelernährte Kinder zur Behandlung.

Einem Kleinkind wird der Oberarmumfang gemessen.
Die 28-jährige Rubeda lässt in Cox's Bazar den Ernährungszustand ihrer zweijährigen Tochter Sofiba prüfen. Als Rubeda mit Sofiba schwanger war, hatte die Familie nicht genug zu essen für alle. Sofiba kam gesund zur Welt, erkrankte aber Tage später an Fieber und Durchfall und verlor rasch an Gewicht. Sie ist schwer akut unterernährt und hat eine Behinderung. © UNICEF/UNI622138/Njiokiktjien

Hilfsmittelkürzungen sind laut UNICEF eine Katastrophe

Erst vor Kurzem warnte UNICEF, dass die Mangelernährung in Cox's Bazar stark zugenommen hat. Im Vergleich zu Februar 2024 kam es in den vergangenen Monaten zu vermehrten Einweisungen wegen schwerer akuter Unterernährung. Die Anzahl sei um 27 Prozent gestiegen, dabei seien täglich mehr als 38 Kinder unter fünf Jahren zur Notfallversorgung eingeliefert worden. Die Kürzung von globalen Hilfsmitteln könnte laut UNICEF zu einer "humanitären Katastrophe" führen.

Gesundheitsrisiko Flucht

Ein großes Problem in vielen Flüchtlings- und Vertriebenenlagern ist der tödliche Kreislauf aus Mangelernährung, verunreinigtem Trinkwasser und Infektionskrankheiten. Lebensmittel sind oftmals Mangelware, die Ernährungssituation unsicher. Wenn Kinder, vor allem wenn sie noch klein sind, dann krank werden, ist das Risiko einer Mangelernährung hoch. Trinken sie verschmutztes Wasser, bekommen sie häufig Durchfallerkrankungen, was den Körper zusätzlich schwächt und ihm Nährstoffe entzieht.

Der Zugang zu medizinischer Versorgung ist eingeschränkt oder gar nicht vorhanden, Infektionskrankheiten können sich in überfüllten Camps schnell und ungehindert ausbreiten, insbesondere wenn es keine oder zu wenig Toiletten oder Duschen gibt.

Wenn Kinder alleine fliehen, ist es besonders gefährlich

Kinder, die allein auf der Flucht sind, sind eine besonders vulnerable Gruppe. Sie haben ihre Familien entweder auf der Flucht verloren oder schon zuvor in einem Krieg oder Konflikt. Für diese Kinder ist die Flucht ein extrem traumatisches Erlebnis: Sie müssen sich ohne Hilfe durchkämpfen, müssen Essen und Wasser finden und sind von sexualisierter Gewalt, Entführung oder Zwangsrekrutierung bedroht.

Menschen müssen durch einen Fluss laufen
Haitianische Geflüchtete überqueren einen Fluss im Darién Gap auf dem Weg nach Panama. (Archivfoto von 2021). © IMAGO / Agencia EFE

Esmeira aus Venezuela verlor ihre Mutter bei der Durchquerung des Darién Gap, der gefährlichsten Fluchtroute der Welt. Dieses Stück Urwald zwischen Kolumbien und Panama haben allein in den ersten vier Monaten des Jahres 2024 mehr als 30.000 Kinder versucht zu durchqueren – darunter 2.000 Kinder, die von ihren Eltern getrennt wurden. Das sind laut UNICEF 40 Prozent mehr als noch im Vorjahr.

Esmeira musste alleine reißende Flüsse durchqueren, begegnete verletzten Menschen am Wegesrand und litt unter starkem Hunger – zwei Tage lang hatte sie nichts zu essen. Besonders furchtbar waren die Nächte: Voller Angst vor der Dunkelheit und den unheimlichen Geräuschen kauerte sie sich zitternd auf den Boden, so erzählt sie es UNICEF-Mitarbeitenden.

Manche schaffen es, zurückzukehren

Eine positive Bilanz ließ sich dennoch für das letzte Jahr ziehen: 2024 kehrten insgesamt 9,8 Millionen Vertriebene in ihre Heimat zurück, davon 1,6 Millionen Flüchtlinge und 8,2 Millionen Binnenvertriebene. Dies ist die höchste Zahl an Rückkehrern seit mehr als zwei Jahrzehnten.

Organisationen wie UNICEF und UNHCR leisten wichtige Hilfe für Kinder auf der Flucht durch Bekämpfung von Mangelernährung, Bereitstellung von sauberem Trinkwasser, Bildungsangeboten, mobilen Gesundheitsteams und psychosozialer Unterstützung.

Verwendete Quellen