Zwei mutmaßliche NSU-Mitglieder sollen für Firmen eines V-Mannes gearbeitet haben, der für den Bundesverfassungsschutz tätig war. Auch wenn die Bundesanwaltschaft inzwischen entsprechenden Medienberichten widersprochen hat, bleibt die Frage: Wie funktioniert in Deutschland die Arbeit mit den V-Männern?

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Schon die Herkunft des Begriffs "V-Mann" ist umstritten. Es gibt Menschen, die sagen, das "V" steht für Verrat, denn ein "V"-Mann sei ja immer auch ein Verräter an den Menschen, über die er Informationen weitergibt. Andere sagen, das "V" stehe für ein besonderes Vertrauen, das die Ermittlungsbehörde Menschen entgegenbringt, die nicht-offiziell für sie arbeiten.

Es kommt eben immer auf die Perspektive an. Wahrscheinlich ist, dass keine der der beiden Erklärungen stimmt und das "V" von dem altmodischen Begriff "Vigilant" herrührt. So bezeichnete man bis Mitte des 20. Jahrhunderts einen "Informanten der Polizei" oder auch einen "Spitzel" - so steht es jedenfalls im Grimmschen Wörterbuch.

Richtig ist in jedem Fall, dass ein V-Mann für eine Ermittlungsbehörde arbeitet - ohne bei ihr beschäftigt oder angestellt zu sein. Das unterscheidet ihn grundsätzlich von einem verdeckten Ermittler, der als angestellter Polizist oder Geheimdienstmitarbeiter zur Tarnung eine andere Identität annimmt und sich damit in ein kriminelles Milieu einschleicht.

Rechtlich geregelt ist der Einsatz der V-Männer in den "Gemeinsamen Richtlinien der Justizminister/-senatoren und der Innenminister/-senatoren der Länder über die Inanspruchnahme von Informanten sowie über den Einsatz von Vertrauenspersonen (V-Personen) und verdeckten Ermittlern im Rahmen der Strafverfolgung" - auch in Bezug auf V-Männer muss in Deutschland alles seine Ordnung haben.

Kriminelle Karriere statt Polizeiausbildung

Im Gegensatz zum verdeckten Ermittler bleibt der V-Mann auch während seines Einsatzes eine Privatperson, die weiterhin ihrem Leben jenseits der Polizei-Arbeit nachgeht. Genau das macht sie für die Ermittler interessant.

Denn anders als ein verdeckter Ermittler muss der V-Mann nicht erst mit einer falschen Identität ausgestattet und mit viel Aufwand in ein kriminelles Milieu eingeschleust werden, sondern er ist im Idealfall schon da. Über V-Männer können die Ermittlungsbehörden so zum Beispiel Informationen aus den Gremien extremistischer Parteien oder krimineller Organisationen bekommen.

Verdeckte Ermittler müssten sich oftmals sehr lange ein falsches Leben im Untergrund aufbauen, um nach mehreren Jahren Positionen zu erreichen, die ein V-Mann sich bereits in seinem Leben vor der Zusammenarbeit mit der Polizei erarbeitet hat. Seine oft kriminelle "Karriere" jenseits einer klassischen Polizei-Ausbildung kann so bei der Informationsbeschaffung zu einem großen Vorteil werden.

Wichtig ist: Ein V-Mann kann im Gegensatz zum verdeckten Ermittler ausschließlich Informationen liefern. Da er kein Polizist ist und keinerlei rechtliche Kompetenzen hat, kann er keine Verhaftungen vornehmen oder Zugriffe anordnen. Er bleibt immer ein klassischer Informant - und nur das.

Die Motive für einen V-Mann, mit der Polizei zusammenzuarbeiten, können dabei höchst unterschiedlich sein. Neben einem schlichten finanziellen Interesse an möglichen Honorarzahlungen, kann auch die Hoffnung auf eine Straferleichterung eine Rolle spielen. Auch eine Zusammenarbeit aus Rachegedanken gegenüber den Zielpersonen, Streitigkeiten innerhalb der kriminellen Szene oder sogar moralische Zweifel am eigenen Lebensentwurf sind denkbar.

Die Behörden schweigen über die Höhe der gezahlten Honorare und sonstige Motive ihrer V-Leute. Da diese Menschen meistens über einen sehr langen Zeitraum mit der Polizei oder den Geheimdiensten zusammenarbeiten und oft nie enttarnt werden, sind nicht viele Details aus der Zusammenarbeit bekannt.

Gefahr für Leib und Leben - und doppeltes Spiel

Die Geheimniskrämerei dient auch dem Schutz der V-Leute, die mit ihrer Arbeit oftmals beträchtliche Risiken für Leib und Leben eingehen. Denn sie arbeiten meisten in politisch extremen Organisationen oder in kriminellen Milieus, wie etwa der Rauschgiftszene oder dem Rotlicht-Milieu, in denen ein Verrat zum Teil mit extremer Gewalt und Mord bestraft werden kann.

Der Einsatz von V-Leuten in der Ermittlungsarbeit ist nicht nur deshalb umstritten. Kritiker verweisen immer wieder auf das Dilemma der Behörden, dass sie, um Straftaten aufzuklären, oftmals mit Kriminellen zusammenarbeiten müssen. Und dass viele V-Männer, schon um nicht aufzufliegen, selbst an kriminellen Aktionen beteiligt sind - oder diese sogar erst ins Rollen bringen.

Vor allem aus der rechten Szene sind immer wieder Einsätze von V-Männern bekannt geworden, die auch noch ein doppeltes Spiel spielten. So könnte es auch im Falle des V-Mannes geschehen sein, der angeblich die beiden NSU-Terroristen Uwe Mundlos und Beate Zschäpe angestellt haben soll.

Dann besteht die Gefahr, dass der Staat mit Honorar-Zahlungen in solchen Fällen eben jene Organisationen unterstützt, die er eigentlich bekämpfen will - und mit falschen Informationen bei seiner Ermittlungsarbeit gezielt in die Irre geführt wird.

Unter Kritikern und Befürwortern des Einsatzes von V-Männern ist umstritten, ob deren Einsatz mehr Schaden oder Nutzen bringt. Bisher verweisen die Ermittlungsbehörden aber unisono darauf, dass sie bestimmte Informationen ohne den Einsatz von V-Leuten nicht bekommen könnten.

V-Leute als Überlebensgarantie für die NPD

Wie sehr der Einsatz von V-Leuten dem Kampf gegen eine extreme Organisation schaden kann, hat exemplarisch der erste Verbotsprozess gegen die NPD im Jahr 2003 gezeigt. Damals wurde während des Prozesses vor dem Bundesverfassungsgericht bekannt, dass sich das staatliche Beweismaterial gegen die rechtsextremistische Partei teilweise auf Aussagen von V-Leuten des Verfassungsschutzes stützte.

Inoffizielle Mitarbeiter der Ermittlungsbehörden hatten rechtsextreme Aussagen geliefert, die das Verbot der Partei begründen sollten: Der NPD-Verbotsantrag scheiterte daraufhin aus Verfahrensgründen. Die Durchsetzung der NPD mit V-Leuten hatte absurderweise nicht zu deren Zerschlagung, sondern zu einer Überlebensgarantie geführt.

Allerdings nicht zu einer unbefristeten. Für das zweite NPD-Verbotsverfahren, das seit 2013 läuft, musste der Verfassungsschutz alle V-Leute aus der Partei abschalten.

Ob der Verbotsantrag durchgeht, ist dennoch nicht sicher. Dass die Ermittlungsbehörden seitdem wohl weniger Informationen über die NPD erhalten, hingegen schon.

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