Manchmal ist es die einfachste Lösung, sich aus Dingen, die einen nichts angehen, herauszuhalten. Doch das muss man auch mit seinem Gewissen vereinbaren können. Wie geht man etwa damit um, wenn jemand, der einem nahesteht, eine Affäre hat?

Prof. Dr. Michael Kühler
Prof. Dr. Michael Kühler © Fachhochschule Dortmund/Florian Freimuth

Eins steht für den Ethiker Michael Kühler fest: Eine Affäre an sich ist wegen des Vertrauensbruchs und Hintergehens aus moralischer Sicht hochproblematisch. Und es gibt für ihn auch eine klare Antwort, wie man sich richtig verhält, wenn man von einer erfährt.

Im Gespräch mit unserer Redaktion unterscheidet Kühler zwischen zwei verschiedenen Szenarien. Im ersten ist man mit beiden Personen befreundet – mit der, die hintergeht, aber auch mit der betrogenen Person. Im zweiten Fall kennt man die betrogene Person weniger gut.

"Gerade, wenn man beide kennt, scheint es eine schwierige Situation zu sein", sagt Kühler. "Auf der einen Seite will man der Freundschaft zu beiden gerecht werden und niemanden verpetzen – andererseits möchte man das Verhalten auch nicht gutheißen." Der Ethiker empfiehlt in dieser Situation einen Kompromiss: das Gespräch mit demjenigen zu suchen, der betrügt.

"Im Gespräch kann man sagen: 'Sei ehrlich zu deiner Partnerperson und mach reinen Tisch, das geht nicht, was du da machst!'", sagt Kühler. Dann sei es die Entscheidung der anderen Person.

Wenn dann aber nichts passiere, so könne man argumentieren, mache man sich moralisch mitschuldig. Dann liege es an einem selbst, zu handeln, so Kühler: "Wenn man in dieser Situation nichts zu der betrogenen Person sagt, ermöglicht man durch seine Unterlassung unmoralisches Handeln."

Eine Frage sollte man sich stellen

Kühler betont, dass das Unethische, Problematische an einer Affäre nicht sei, dass es sich um Sex mit einer anderen Person als dem Partner handelt, sondern dass eine Vereinbarung zwischen den Beziehungspersonen verletzt wurde.

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Und das gelte auch, wenn man nur mit dem oder der Betrügenden befreundet sei: "In diesem Fall sollte man sich die Frage stellen: Verdient die hintergangene Person es, so behandelt zu werden?" Wenn die Antwort Nein laute, würde man mit seinem Schweigen unmoralisches Verhalten ermöglichen. "Wenn ich mich komplett raushalte, mache ich mich auch hier moralisch mitschuldig", sagt Kühler als Fazit und ergänzt: "Auch hier lässt sich ethisch gut begründen, welche Handlungsoption richtig und welche falsch ist."

  • In unserem Format "... und jetzt?" beantwortet Michael Kühler gemeinsam mit anderen Expertinnen und Expertin weitere Fragen:

Zum Gesprächspartner

  • Prof. Dr. Michael Kühler hat die Professur für "Angewandte Ethik in der gesellschaftlichen Verantwortung" an der Fachhochschule Dortmund.
  • Einer seiner Arbeitsschwerpunkte ist die Philosophie der Liebe.
Teaserbild: © Getty Images/iStockphoto/Delmaine Donson