In Ländern wie Südkorea, China, Malaysia, dem Iran, Italien und Spanien gehören sie inzwischen zum Straßenbild: Menschen in weißen Schutzanzügen und mit Atemschutzmasken, die Plätze, Straßen und Züge mit Desinfektionsmitteln besprühen. In Deutschland wird die Maßnahme nicht angewandt. Verpassen wir hier eine Chance, das Virus effektiv einzudämmen?

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Der Mensch ist bekanntlich der Hauptüberträger des Coronavirus. Per Tröpfcheninfektion verbreitet es sich von Mensch zu Mensch.

Aber auch eine Übertragung per Schmierinfektion ist laut Bundesinstitut für Risikobewertung denkbar. Dabei gelangen Erreger, die sich auf den Händen befinden, an die Schleimhäute der Nase oder des Auges, wo sie zu einer Infektion führen können. Kann eine Desinfektion des öffentlichen Raums dieser Verbreitung Einhalt gebieten?

Wie lange können Flächen und die Luft mit dem Virus kontaminiert sein?

In einer Studie aus den USA, durchgeführt von den National Institutes of Health der Universität Princeton sowie der Universität von Kalifornien, wurde untersucht, wie lange das neue Coronavirus auf Flächen überleben kann.

Das Ergebnis: Auf Edelstahl- und Kunststoffoberflächen könne sich das Coronavirus bis zu 72 Stunden halten, auf Papier bis zu 24 Stunden und in der Luft einige Stunden. Die Studie wurde allerdings bislang ohne wissenschaftliches Gutachten veröffentlicht und bedarf noch der Überprüfung.

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Skepsis bei den Experten

Virologe Christian Drosten von der Charité in Berlin sieht das Ergebnis der Studie kritisch. Gegenüber tagesschau.de gab er zu Bedenken, dass für die Studie vermutlich größere Mengen Viruslösung verwendet wurden, als die, mit denen man im Alltag zu tun habe.

Das Centers of Disease Control and Prevention (CDC) sowie das Robert-Koch-Institut (RKI) schließen eine Übertragung durch kontaminierte Oberflächen per Schmierinfektion zwar prinzipiell nicht aus.

Aufgrund der relativ geringen Stabilität von Coronaviren in der Umwelt sei dies aber nur in einem kurzen Zeitraum nach der Kontamination wahrscheinlich. Die Tröpfcheninfektion von Mensch zu Mensch bleibe der Hauptübertragungsweg.

Wie sinnvoll ist die Desinfizierung von öffentlichen Räumen?

Wie Melanie Brinkmann, Virologin am Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung, gegenüber zeit.de angibt, seien Desinfektionsmittel für viele Menschen im Alltag nur an bestimmten Stellen sinnvoll. Beispielsweise "überall dort, wo viele Menschen nach Fahrten im öffentlichen Nahverkehr nicht sofort ihre Hände waschen können".

Das Desinfizieren von Griffflächen wie Türklinken, Liftknöpfen und Haltestangen in Bussen, Bahnhöfen oder Wartezimmern könnte also durchaus Sinn ergeben.

Allerdings meint das Bayerische Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit (LGL) in einer Stellungnahme dazu: "Eine Desinfektion von Flächen im öffentlichen Raum ist grundsätzlich nicht sinnvoll. Oberflächen, die angefasst werden, werden ständig rekontaminiert, sodass eine Desinfektion, die nur eine begrenzte Zeit wirkt, keinen wirksamen Schutz vor Infektionen darstellt."

Sinnvoller sei es, sich an die geltenden Hygienemaßnahmen zu halten: Abstand halten, Hände gründlich waschen, sich nicht ins Gesicht fassen.

Desinfizierung von öffentlichen Plätzen und Straßen nicht sinnvoll

Vom Besprühen von Plätzen, Straßen, Hauswänden und Laternen halten die Experten hierzulande nichts. Dies biete keinen Nutzen, sondern sei eine öffentlichkeitswirksame Maßnahme, die Stärke demonstrieren und beruhigen solle.

Melanie Brinkmann nennt die Maßnahme RP online gegenüber "totalen Unsinn". Von Straßen könnten keine Viren in die Luft gelangen.

Gesundheitsgefahren durch massenhafte Desinfektion?

Kommt Desinfektionsmittel flächendeckend zum Einsatz, kann dies auch gesundheitliche Folgen haben, da es die Atemwege und die Haut angreifen kann.

Allerdings: Zur Desinfektion von öffentlichen Räumen werden in anderen Ländern häufig verschiedene Oxidationsmittel eingesetzt, beispielsweise verdünntes Wasserstoffperoxid. Dieses kann sich in der Umwelt rasch abbauen. Desinfektionsmittel, die in Krankenhäusern dringend benötigt werden, kommen in der Regel also nicht zum Einsatz.

Verwendete Quellen:

  • Bundesinstitut für Risikobewertung: Kann das neuartige Coronavirus über Lebensmittel und Gegenstände übertragen werden?
  • Tagblatt.ch: Politik für die Psyche: Was bringt es, Straßen und Hauswände zu desinfizieren?
  • RKI.de: SARS-CoV-2 Steckbrief zur Coronavirus-Krankheit-2019 (COVID-19)
  • RP-online.de: Das hilft wirklich zum Schutz vor Corona
Boris Johnson

Boris Johnson wegen Corona-Infektion in Klinik eingeliefert

Der britische Premierminister Boris Johnson ist positiv auf das Coronavirus getestet worden. Da seine Symptome schon viele Tage anhalten, wurde er nun in ein Krankenhaus gebracht.
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