Es erinnert an das Drehbuch eines Mafia-Films: Ein Insasse der Justizanstalt (JA) Krems-Stein soll aus dem Gefängnis heraus Morde in Auftrag gegeben haben.

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Gegen einen siebenfach vorbestraften und wohl der Schwerstkriminalität zurechenbaren Insassen der Justizanstalt (JA) Krems-Stein laufen Ermittlungen, die aus dem Drehbuch eines Mafia-Films stammen könnten. Der mutmaßliche Mafioso, dem ein Naheverhältnis zur Bande des auf Drogenhandel spezialisierten und inzwischen rechtskräftig zu lebenslanger Haft verurteilten Dario D. alias "Dexter" nachgesagt wird, soll aus seiner Zelle mittels Handys mehrfach Mordaufträge vergeben haben.

Mehrere Anschläge in der Heimat des Insassen

Erkenntnissen des Bundeskriminalamts zufolge, das nach APA-Recherchen seit längerem in enger Kooperation mit den serbischen Polizeibehörden gegen den 27-jährigen Serben ermitteln dürfte, wurden in der Heimat des Mannes mehrere Anschläge durchgeführt. Diese kosteten nur aufgrund glücklicher Umstände bzw. Unvermögen der gedungenen Killer keine Menschenleben.

Konkret soll der 27-Jährige zwei Männer beauftragt haben, in Belgrad einen Mann zu töten, indem er ihnen über einen Mittelsmann eine Handgranate vermittelte, die die beiden am 1. November 2021 auf das Opfer werfen sollten. Zeitnahe schleuderten dieselben beiden Täter eine Handgranate und einen Brandsatz gegen das Wohnhaus eines weiteren Mannes, in dem der 27-Jährige einen "Verräter" erblickte. Am Gebäude entstand Sachschaden.

Geschoß aus Panzerabwehrwaffe auf Haus abgefeuert

Weil der zur Zielscheibe auserkorene "Verräter" nicht zu Schaden kam, soll der 27-Jährige zwei neue Killer gesucht haben. Diese feuerten am 25. August 2023 mit einer Panzerabwehrwaffe der Marke M80 "Zolja" ein Geschoß auf das Wohnhaus des Mannes, in dem sich zu diesem Zeitpunkt dessen Mutter und ein Bruder befanden.

Es kam nur deshalb zu keiner Katastrophe, weil die Hohlladungsgranate in einem suboptimalen Winkel auf das Gemäuer traf und dieses deshalb nicht durchdrang. Es entstand nur geringer Sachschaden.

Häftling soll auch spektakuläre Flucht geplant haben

Damit nicht genug: Der 27-Jährige soll seine spektakuläre Flucht aus der JA Stein geplant gehabt haben. Wie das Bundeskriminalamt herausfand, soll er Anfang Jänner 2024 versucht haben, einen Bekannten dazu zu bringen, ihn mit einem gekaperten Helikopter zu befreien. Dieser hätte in Bad Vöslau für eine halbe Stunde einen Hubschrauber anmieten und die Pilotin mit einer Pistole bedrohen und dazu zwingen sollen, nach Krems zu fliegen. Über dem Gelände der JA Stein hätte dann eine Leiter bzw. ein Seil herabgelassen werden und dem 27-Jährigen so die Flucht ermöglicht werden sollen. Das Vorhaben konnte - zumindest bisher - nicht umgesetzt werden.

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Der Rechtsvertreter des 27-Jährigen weist die Vorwürfe gegen den mutmaßlichen Mafioso zurück. "Es sind weder die Ermittlungen der serbischen noch die der heimischen Behörden abgeschlossen", sagte der Wiener Rechtsanwalt Nikolaus Rast auf APA-Anfrage. Am Ende würden sich "die Vorwürfe ins Nichts auflösen", meinte der Verteidiger.

Erste Anklage wegen in Haft betriebener Drogen- und Schlepperei-Geschäfte

Allerdings liegt gegen den 27-Jährigen eine erste, bereits rechtskräftige Anklage vor. Vor seiner Überstellung in die JA Stein war der Serbe in der JA Hirtenberg untergebracht. Dort soll er im Februar 2021 Mithäftlinge mit Kokain, Heroin, Ecstasy und Crystal Meth versorgt und den Verkauf von fünf Kilogramm Cannabiskraut organisiert haben, das dem Abnehmer Anfang März 2021 in Wien-Ottakring übergeben wurde.

Nach seiner Verlegung nach Stein soll der Serbe die Branche gewechselt haben: Mittels illegaler, vermeintlich abhörsicherer Kryptohandys soll er sich im Sommer 2023 als Organisator von drei Schlepper-Fahrten betätigt und zumindest 25 Geflüchtete über die Türkei nach Griechenland illegal nach Europa gebracht haben. Kosten: 1.200 Euro pro geschleppter Person. Die kriminelle Organisation, in die der 27-Jährige ungeachtet seiner Inhaftierung weiterhin federführend eingebunden war, wird von den Strafverfolgungsbehörden als "serbischstämmige Intensivtätergruppe im Bereich der Schwerstkriminalität" bezeichnet.

Der Prozess gegen den 27-Jährigen wegen Schlepperei und Drogenhandels wird am Landesgericht Wiener Neustadt stattfinden. Die Verhandlung ist für Ende Juni anberaumt. Ein Ende der laufenden Ermittlungen wegen versuchter Bestimmung zum Mord, Luftpiraterie und krimineller Organisation ist vorerst nicht absehbar.

In Zelle des Mannes wurden acht Mobiltelefone entdeckt

Dass der mutmaßliche Mafioso im Gefängnis offenbar nach Belieben Zugang zu verbotenen Mobiltelefonen - darunter Kryptohandys - hatte, steht fest. Nach gesicherten Informationen der APA wurden am 28. September 2023 in seiner Zelle in der JA Stein nicht weniger als acht Geräte sichergestellt. Obwohl er seither als so genanntes Sicherheitsrisiko eingestuft wurde, fanden sich auch danach in seinem Haftraum und an anderen Orten vermeintlich abhörsichere Kryptohandys, die der 27-Jährige benutzt haben soll und deren Kommunikation entschlüsselt und ausgelesen werden konnten.

Diese Daten belasten den Mann im bevorstehenden Prozess um Drogen-Deals schwer. In einem Chat verriet er einem Gesprächspartner, der derselben Bande angehört haben dürfte: "Weißes (gemeint: Kokain, Anm.), Braunes (gemeint: Heroin, Anm.), Ecstasy, Crystal. Habe den ganzen Block (im Gefängnis, Anm.) unter Drogen gesetzt." (apa/bearbeitet von sbi)