Lissabon steht unter Schock, nachdem am Vortag die berühmte Standseilbahn "Elevador da Gloria" entgleist war und 16 Menschen in den Tod gerissen hatte. Mittlerweile konnte die Polizei die Nationalitäten von 13 Opfern bestätigen. Ein Deutscher ist unter ihnen.
Am Tag nach dem schweren Standseilbahnunglück in Lissabon hat die Polizei die mutmaßliche Staatsbürgerschaft von 13 der 16 Todesopfer bekannt gegeben. Zeugenaussagen, Dokumente und Telefonaufzeichnungen, die bei den Verunglückten gefunden worden seien, deuteten mit "hoher Wahrscheinlichkeit" darauf hin, dass ein Deutscher, zwei Kanadier, ein US-Bürger und ein Ukrainer getötet worden seien, erklärte der Leiter der portugiesischen Kriminalpolizei Luis Neves am Donnerstagabend. Nach Angaben der Staatsanwaltschaft befanden sich zudem fünf Portugiesen, ein Schweizer und zwei Koreaner unter den Toten. Die Identität der drei weiteren Todesopfer wurde zunächst nicht bekannt gegeben.
Deutscher unter den Opfern
Zuvor hatte die portugiesische Online-Zeitung "Observador" unter Berufung auf eine Polizeiquelle über den Tod eines deutschen Familienvaters berichtet. Seine Frau schwebe in Lebensgefahr, ihr dreijähriger Sohn habe leicht verletzt überlebt. "Leider müssen wir davon ausgehen, dass sich auch deutsche Staatsangehörige unter den Betroffenen befinden", hieß es aus dem Auswärtigen Amt in Berlin. Zu ihrer Anzahl gebe es derzeit noch keine verlässlichen Angaben, die Lage nach dem Unglück vom Mittwochabend sei weiter "unübersichtlich".
Portugiesische Medien zitierten eine Augenzeugin, wonach am Mittwochabend eine der gelben Standseilbahnen am Ende ihrer Strecke erst kurz hinter der eigentlichen Haltestelle abrupt zum Stehen gekommen sei. Die Augenzeugin und andere Menschen seien herbeigeeilt, um den Passagieren beim Aussteigen zu helfen, und hätten dann bemerkt, dass eine andere Standseilbahn in vollem Tempo die abschüssige Straße hinuntergerast sei. Sie seien daher weggerannt, doch die Seilbahn habe nicht den zuvor eingetroffenen Wagen gerammt, sondern sei in einer leichten Kurve entgleist und gegen ein Gebäude geprallt.
Zahl in der Nacht auf 16 Todesopfern gestiegen
Die Zahl der Todesopfer stieg nach dem Tod eines Verletzten in der Nacht zum Donnerstag auf 16, wie Portugals Regierungschef Luis Montenegro mitteilte. Er korrigierte damit vorherige Angaben der örtlichen Behörden über 17 Tote. Zudem gebe es fünf Schwerverletzte. Es handele sich um eine "der größten menschlichen Tragödien unserer jüngeren Geschichte", erklärte Montenegro und versprach Aufklärung. In ganz Portugal galt ein von der Regierung ausgerufener Nationaler Trauertag.
Der Zivilschutz in Lissabon sprach von zwei Verletzten aus Deutschland. Demnach waren mindestens elf Ausländer unter den 21 Verletzten: außer den beiden Deutschen auch zwei Spanier, eine Französin, ein Italiener, ein Schweizer sowie jeweils ein Mensch aus Kanada, Südkorea, Marokko und Kap Verde.

Zweifel an der ordentlichen Wartung
Mehrere portugiesische Medien nannten den Bruch eines Sicherheitskabels als mögliche Unglücksursache und äußerten Zweifel an einer ordentlichen Wartung. Die Stadtverwaltung setzte vorsorglich den Betrieb der übrigen drei Standseilbahnen in Lissabon aus. Zunächst soll ihre Funktionstüchtigkeit und Sicherheit überprüft werden, erklärte die Sprecherin des städtischen Zivilschutzes, Margarida Castro.
Das Unternehmen Carris, das den Nahverkehr in Lissabon betreibt, hatte zuvor versichert, dass "alle Wartungsprotokolle" eingehalten worden seien. Demnach erfolgte 2022 die alle vier Jahre fällige Generalwartung und 2024 die alle zwei Jahre vorgenommene Zwischenwartung. Carris-Chef Pedro de Brito Boga räumte am Unglücksort allerdings ein, dass sich bereits seit 14 Jahren ein Subunternehmen um die Wartung kümmere. Sicherheit habe jedoch "seit 152 Jahren oberste Priorität bei Carris", erklärte de Brito Boga weiter. Bei der Suche nach den Verantwortlichen des Unglücks würden "keine Kompromisse eingegangen".
Noch keine eindeutige Erklärung zum Unfall
"Die Stadt braucht Antworten" nach diesem "beispiellosen Unfall", erklärte der Bürgermeister von Lissabon, Carlos Moedas. Bisherige Hypothesen zur Ursache des Unglücks seien jedoch "reine Spekulation". Bei den Ermittlungen nach der Unfallursache werde keine einzige Spur "ausgelassen", bekräftigte die Polizei am späten Donnerstag.
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Die Gesamtzahl der Toten und Verletzten entspricht in etwa dem maximalen Fassungsvermögen der Standseilbahn, die täglich Lissabons steile Hügel hinauf- und hinabfährt und zu den touristischen Attraktionen der portugiesischen Hauptstadt gehört. Die Unglücksursache war noch unklar. Am Donnerstag waren immer noch Ermittler rund um das Seilbahnwrack im Einsatz. Die Straße der Standseilbahn blieb weiterhin gesperrt, einige Blumensträuße wurden als Zeichen der Anteilnahme für die Opfer niedergelegt.
Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier bekundete in einer Kondolenzbotschaft sein "tief empfundenes Beileid". "Wir teilen die Trauer und den Schmerz in diesen schweren Stunden", schrieb Steinmeier im Namen der Deutschen. "Unsere Gedanken sind bei den Opfern dieses tragischen Standseilbahnunglücks", hieß es auch aus dem Auswärtigen Amt.
Die "Gloria"-Standseilbahn wurde 1885 in Betrieb genommen und 1915 an das Stromnetz angeschlossen. Das Unglück löste bei Lissabons Bürgern und Touristen Erschütterung aus. (afp/bearbeitet von cgo)