Wie entlädt sich das Wasser des aufgestauten Flüsschens Lonza? Das Flussbett ist blockiert, der entstandene Stausee droht überzulaufen. Am Freitagmittag entspannt sich die Situation leicht.

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Im Schweizer Katastrophengebiet läuft das dramatisch aufgestaute Wasser des Flusses Lonza zunächst in geordneten Bahnen ab. Die schlimmsten Befürchtungen einer Flutwelle oder einer Gerölllawine, die ins Lötschental donnern und weitere Dörfer gefährden könnten, sind zunächst ausgeblieben. "Wir rechnen nicht mit etwas Gröberem", sagte Christian Studer von der Dienststelle Naturgefahren bei einer Pressekonferenz in Ferden. Risiken bestünden aber weiter.

"Es zeichnet sich ein erstes Gerinne ab", sagte Studer. "Der Verlauf hat uns optimistisch gestimmt, dass das Wasser sich einen guten Weg sucht." Auf Drohnenaufnahmen ist auf dem gut zwei Kilometer langen Schuttkegel ein Wasserrinnsal zu sehen, und weiter unten im Flussbett der Lonza fließt ebenfalls Wasser. Das deutet darauf hin, dass Wasser auch durch den zwei Kilometer Schuttkegel sickert.

Anteilnahme nach Gletscherabbruch – Blatten kämpft mit den Folgen

Ein Gletscherabbruch hat das Dorf Blatten im Wallis schwer getroffen. Der Fluss Lonza ist aufgestaut, weitere Orte sind bedroht. Die Menschen in der Region zeigen große Solidarität – doch viele Betroffene stehen vor dem Nichts.

Unmittelbare Gefahr gesunken

Fachleute, die das Katastrophengebiet auf rund 1.500 Metern Höhe im Lötschental im Kanton Wallis immer wieder überfliegen, sahen keine unmittelbaren Gefahren für die weiter unten im Tal gelegenen Ortschaften.

Allerdings ist schwer zu beurteilen, wie der instabile Schuttkegel sich verändert. Am Talboden liegen rund neun Millionen Kubikmeter Material, sagte Studer. Ein Drittel dürfte Eis des Birschgletschers sein, sagte Studer. Er gehe aber bislang nicht davon aus, dass das Material sehr schnell schmilzt, sagte er.

Gletscherabbruch im Wallis
Die Lonza kann nicht abfließen, der Stausee dürfte bald überlaufen. © Jean-Christophe Bott/KEYSTONE/dpa

Größere Gefahr sehen Experten durch weitere Abbrüche am Kleinen Nesthorn auf mehr als 3.000 Metern, das die Katastrophe ausgelöst hat. Dort sei die Lage weiter unberechenbar. Das Gelände sei sehr steil, was die Gefahr von weiteren Gerölllawinen vergrößert. Auch Niederschläge machen den Experten sorgen, so Studer. Ab Sonntag ist in dem Gebiet schlechtes Wetter vorhergesagt.

Ganzes Dorf ausgelöscht

Am Mittwoch war nach tagelangen Felsstürzen auf rund 3000 Metern Höhe der darunterliegende Birschgletscher abgebrochen und mit gigantischen Mengen Fels und Geröll ins Tal gestürzt. Er hat das Flussbett der Lonza komplett blockiert. Das Dorf Blatten mit rund 300 Einwohnern wurde fast vollständig unter dem Schutt begraben. Die Einwohner waren schon vergangene Woche in Sicherheit gebracht worden. Ein Einheimischer, der sich am Mittwoch im Katastrophengebiet aufhielt, wird noch vermisst.

"Dass ein ganzes Dorf ausgelöscht wurde, ist unbegreiflich", sagte die Schweizer Bundespräsidentin Karin Keller-Sutter nach einem Hubschrauberüberflug über das Katastrophengebiet. Sie sicherte den Bewohnern weitreichende Unterstützung zu.

Gletscherabbruch im Wallis
"Es sieht aus wie auf dem Mond", sagt ein Anwohner © Jean-Christophe Bott/KEYSTONE/dpa

Vorsichtiges Aufatmen weiter unten im Tal

Für die Gemeinden Gampel und Steg, die an der Lonza rund 20 Kilometer unterhalb von Blatten liegen, habe sich die Lage positiv entwickelt, sagte Stéphane Ganzer, Staatsrat im Kanton Wallis. "Dennoch bleibt das Risiko, auch, wenn es sinkt." Die Einwohner waren in der Nacht aufgefordert worden, das Nötigste für den Fall einer nötigen Evakuierung zu packen. Diese wäre nötig, wenn sich doch noch eine Flutwelle oder Gerölllawine aus dem Katastrophengebiet das Tal hinunterwälzt.

"Die Geschichte von Blatten ist wie wegradiert."

Matthias Bellwald, Gemeindepräsident von Blatten

Zwischen Blatten und Gampel liegt Ferden, mit einem Staudamm und einem Auffangbecken. Dort wurde bereits Wasser abgelassen, und die Hoffnung ist, dass das Becken ausreicht, wenn größere Wassermassen schnell abfließen.

Der Gemeindepräsident von Blatten, Matthias Bellwald, spricht von Schicksalstagen. "Die Geschichte von Blatten ist wie wegradiert", sagte er. Die Erinnerungen würden aber in den Köpfen und Herzen der Einwohner getragen. Die Blattener blickten aber entschlossen in die Zukunft: "Das alte Blatten können wir nicht mehr aufstellen, aber wir wollen Blatten neu aufbauen", sagte er. Wo, könne jetzt noch nicht gesagt werden.

Aufräumarbeiten noch zu gefährlich

Satellitenbilder zeigen den Zustand vor und nach dem Gletschersturz bei Blatten. © picture alliance/ASSOCIATED PRESS/Maxar Technologies

Bewohner und Behörden sind zum Abwarten verdammt. Es besteht keine Möglichkeit, den Abfluss des gestauten Wassers etwa durch das Fräsen einer Rinne in den Schuttberg zu lenken. Dafür ist das Gelände zu instabil. Menschen und Maschinen könnten einbrechen. Die Armee steht aber bereit, sobald es die Lage zulässt, mit Räumungsarbeiten zu beginnen. Womöglich seien in Kürze erste Einsätze am Rande des Katastrophengebietes möglich, meinte Studer.

Im Stausee, der sich gebildet hat, sei viel Schwemmgut aus den überfluteten Häusern. Empfehlenswert sei dort eine Schwemmholzrückhaltestelle, damit der Abfluss nicht erneut blockiert werde. (dpa/bearbeitet von skr)

Teaserbild: © AFP/FABRICE COFFRINI