Es ist ein Fall, der erschaudern lässt: In Wien steht ein 16-Jähriger vor Gericht, weil er ein Mädchen wiederholt erpresst und mutmaßlich auch vergewaltigt haben soll. Der Bursche bestreitet die Vorwürfe. Die Richterin sieht die Beweislage eindeutig.

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Gegen einen 16-Jährigen ist am Dienstag am Wiener Landesgericht verhandelt worden, weil er zwischen September und November 2024 einem zwölfjährigen Mädchen wiederholt Geld abgepresst und die Betroffene schließlich missbraucht und mutmaßlich vergewaltigt haben soll. Die beiden besuchten dieselbe Schule.

Der Angeklagte zeigte sich abgesehen von den inkriminierten Erpressungen nicht geständig. Beim Prozess wurde die Öffentlichkeit teilweise ausgeschlossen.

Staatsanwältin spricht von "wirklich schweren Verbrechen"

Die Staatsanwältin sprach in ihrem Eröffnungsplädoyer vor dem Schöffensenat vom "Terrorisieren eines Kindes". Angefangen habe es mit "Schulhofbullying", der Angeklagte habe erst kleine Geldbeträge von der zwölfjährigen Schülerin gefordert und die Schulden auch zurückgegeben. Doch das habe sich zu "wirklich schweren Verbrechen" gesteigert: Der mittlerweile 16-Jährige habe mehr Geld gefordert, dem Opfer Gewalt angedroht und das Mädchen auch tätlich angegriffen und schwer verletzt.

Zu dem sexuellen Übergriff sei es gekommen sein, indem der Bursch das an einer Bushaltestelle wartende Mädchen gepackt und auf eine Toilettenanlage gezerrt habe. Dort soll der damals 15-Jährige das Mädchen mit Gewalt zur Vornahme sexueller Handlungen gezwungen haben.

Unter der Vorgabe, er habe die Szene gefilmt, soll er wenig später versucht haben, die Schülerin neuerlich zur Duldung geschlechtlicher Handlungen beziehungsweise zur Zahlung von 100 Euro zu bringen. Das Mädchen vertraute sich allerdings seiner Mutter an, die den Fall zur Anzeige brachte.

Angeklagter großteils nicht geständig

Im Zuge der Einvernahme der Betroffenen zeigte sich, dass der Angeklagte diese seit Beginn des Schuljahres 2024/25 erpresst haben dürfte, indem er ihr mehrfach Schläge androhte und sie laut Zeugenaussage tatsächlich schlug.

Rund 100 Euro überließ ihm die Zwölfjährige laut Anklage im Gesamten. Mitte Oktober soll der Bursche ihr eine schwere Körperverletzung zugefügt haben, indem er ihr zwei Faustschläge sowie einen Schlag mit der flachen Hand ins Gesicht versetzte. Die Zwölfjährige erlitt ein Knalltrauma, was laut einem ärztlichen Gutachten eine dauerhafte Verminderung der Hörleistung ihres linken Ohres um zehn Prozent zur Folge hatte.

Die Verteidigung zeichnete ein anderes Bild. "Mein Mandant ist sicher kein Guter", sagte die Verteidigerin des Jugendlichen. Er bekenne sich zur Erpressung schuldig, beim Schadensbetrag sei man sich aber uneinig.

Die Vergewaltigung – die ob des jungen Alters der Betroffenen gleichzeitig auch als sexueller Missbrauch von Unmündigen inkriminiert ist – bestritt der Angeklagte. Die Verteidigerin betonte, die Betroffene sei sich nicht sicher, ob sich die mutmaßlichen sexuellen Handlungen an einem Sonntag oder Montag zugetragen haben sollen.

"Sie hat mich halt geliebt"

Bei der Befragung des Angeklagten durch die vorsitzende Richterin verwickelte sich der schmächtige 16-Jährige immer wieder in Widersprüche. Erst gab er an, per Snapchat insgesamt 20 Euro von dem Opfer gefordert zu haben, später waren es 40 Euro – die er immer wieder zurückgegeben haben will.

Danach sprach er davon, das Mädchen mit einem Video erpresst zu haben, das sie beim Vape-Rauchen zeigen soll. Das Video habe das Opfer selbst auf Tiktok gepostet. Erst viel später sprach der Jugendliche von einem zweiten Video, das ihm "Freunde geschickt" haben sollen. Auch das Video zeige die Zwölfjährige beim Rauchen.

Nach ein paar Wochen will der Angeklagte das Opfer auf Snapchat blockiert haben. Sie soll ihm angeboten haben, ihm Geld zu geben, wenn er andere Schüler schlage – dieses "Geschäft" sei die Zwölfjährige bereits mit anderen eingegangen. Der Jugendliche lehnte das ab.

In einer Nachricht soll das Mädchen ihn zudem gefragt haben, ob die beiden ein Paar sein wollen, "Ich finde dich sehr schön", soll sie ihm geschrieben haben. Er habe die Nachricht "auf gelesen gelassen", aber nicht geantwortet. Wenige Tage später hätte er das Mädchen auf Drängen seiner Freundin blockiert. Danach hätte das Opfer ihm noch einmal von sich aus Geld angeboten. Auf die Frage, warum sie das nach dem Blockiertwerden machen sollte, antwortete er: "Keine Ahnung. Sie hat mich halt geliebt."

Richterin: Beweislage spricht gegen Angeklagten

Einige Wochen später habe laut dem 16-Jährigen dann die Erpressung mit dem Video stattgefunden. Die Beweislage spreche gegen den Angeklagten, sagte die Richterin, nachdem sie Screenshots von Snapchat-Unterhaltungen zwischen Angeklagtem und Opfer im Prozess zeigte.

In diesen war von sexuellen Handlungen die Rede und von Geld, das das Opfer zahlen sollte, damit ein Video gelöscht wird. Das sei nicht sein Account, behauptete der Jugendliche. Die Vorsitzende wies ihn darauf hin, dass die Screenshots von einem Sachverständigen auf seinem Handy gefunden wurden. Auf die Frage, warum die App Snapchat gelöscht worden sei, bevor sein Handy untersucht wurde, sagte er 16-Jährige: "Keine Ahnung, vielleicht hat meine Oma es gelöscht".

Für die kontradiktorische Vernehmung hatte der Privatbeteiligtenvertreter einen Antrag zum Ausschluss der Öffentlichkeit gestellt. (APA/bearbeitet von ank)  © APA