40 Tage vor der Parlamentswahl in Israel veröffentlicht der Generalstaatsanwalt seine dramatische Entscheidung: Netanjahu droht ein Verfahren wegen Korruption - als erstem amtierenden Ministerpräsidenten in der Geschichte des Landes.

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Israels Generalstaatsanwalt will Anklage gegen Regierungschef Benjamin Netanjahu wegen Korruptionsvorwürfen erheben. Dies teilte Avichai Mandelblit am Donnerstag in einem Schreiben an Netanjahu mit. Nach juristischer Praxis in Israel muss zuvor jedoch noch eine Anhörung Netanjahus erfolgen. In einem Fall sprach Mandelblit sich für eine Anklage wegen Bestechlichkeit sowie wegen Betrugs und Untreue aus, in zwei weiteren Fällen wegen Betrugs und Untreue.

Am 9. April finden in Israel Parlamentswahlen statt. Netanjahu will erneut Ministerpräsident werden und hat einen Rücktritt auch im Fall einer Anklage bereits ausgeschlossen. Er nannte die Vorwürfe noch vor der Veröffentlichung "lächerlich" und sprach von einem Versuch, seine politische Karriere zu zerstören.

Wann die Anhörung Netanjahus stattfinden soll, war zunächst unklar. Bis zu einer endgültigen Entscheidung über eine Anklage kann noch bis zu einem Jahr vergehen.

Bestechlichkeit, Betrug und Untreue

Der Ministerpräsident wird verdächtigt, als Kommunikationsminister dem Telekom-Riesen Bezeq rechtliche Vergünstigungen gewährt zu haben. Im Austausch dagegen soll das zum Konzern gehörende Medium "Walla" positiv über ihn berichtet haben. In diesem Fall geht der Generalstaatsanwalt von Bestechlichkeit sowie von Betrug und Untreue aus.

Außerdem wird Netanjahu verdächtigt, von befreundeten Milliardären teure Geschenke angenommen zu haben. Zudem soll er dem kritischen Zeitungsverleger Arnon Moses angeboten haben, im Gegenzug für positive Berichterstattung dessen Konkurrenzblatt zu schwächen. Er soll auch negative Berichterstattung über politische Rivalen bestellt haben.

Die Korruptionsvorwürfe würden "bald wie ein Kartenhaus in sich zusammenfallen", sagte Netanjahu nach Medienberichten noch vor der Veröffentlichung. Der Regierungschef hat Mandelblit vorgeworfen, sich mit der Entscheidung in die Wahl einzumischen.

Mandelblit teilte zudem mit, dass es im Zusammenhang mit der Bezeq-Affäre keine Anklage gegen Netanjahus Frau Sara sowie den gemeinsamen Sohn Jair geben werde. Die gesammelten Beweise rechtfertigten eine Anklage nicht.

Rückendeckung von Trump

Auf eine Frage nach den Korruptionsvorwürfen gegen Netanjahu lobte US-Präsident Donald Trump diesen am Donnerstag bei einer Pressekonferenz nach seinem Gipfel mit dem nordkoreanischen Machthaber Kim Jong Un in Hanoi. "Er ist zäh, er ist klug, er ist stark", sagte Trump und nannte Netanjahu einen "großartigen Ministerpräsidenten".

Es ist noch unklar, wie die Entscheidung des Generalstaatsanwalts sich auf Netanjahus Chancen auswirken, ein fünftes Mal Regierungschef zu werden. Seine Anhänger standen zwar bislang klar an seiner Seite. In einer Anfang des Monats veröffentlichten Umfrage hatten sich jedoch 52 Prozent der Bevölkerung für einen Rücktritt Netanjahus ausgesprochen, sollte der Generalstaatsanwalt eine Anklage empfehlen. Nur 35,5 Prozent waren in der Umfrage des Israelischen Demokratie-Institutes (IDI) der Ansicht, Netanjahu könne in diesem Fall Ministerpräsident bleiben.

Nach Angaben des IDI muss Netanjahu rechtlich gesehen weder bei einer Anklage-Empfehlung des Staatsanwaltes noch bei einer Anklage zurücktreten. Der öffentliche Druck dürfte nun allerdings erheblich steigen.

Sollte Netanjahu wegen Bestechlichkeit verurteilt werden, drohen ihm nach Angaben des IDI maximal zehn Jahre Haft. Im Falle einer Verurteilung wegen Betrugs und Untreue könnten es bis zu drei Jahre Haft sein. Eine Verhängung der Höchststrafe gilt allerdings als sehr unwahrscheinlich.

Es wäre das erste Mal in Israels Geschichte, dass gegen einen amtierenden Regierungschef Anklage erhoben wird. Als Oppositionsführer hatte Netanjahu 2008 den damaligen Regierungschef Ehud Olmert zum Rücktritt gedrängt, als dieser unter Korruptionsverdacht stand.

Die Korruptionsvorwürfe hatten damals Olmerts politische Karriere beendet. Er trat 2008 schon vor einer Anklage gegen ihn zurück, blieb aber noch bis zu Neuwahlen im Frühjahr 2009 im Amt. Nach einer Verurteilung trat Olmert im Februar 2016 eine 19-monatige Haftstrafe an, kam allerdings drei Monate früher wieder auf freien Fuß.

Olmert reagierte direkt auf die Entscheidung Mandelblits und sagte: "Ich fordere Netanjahu zum Rücktritt auf. Als es mir passiert ist, habe ich meinen Posten verlassen."

(dpa)

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