Israels Regierung will im Gazastreifen eine "humanitäre Stadt" bauen und hunderttausende Palästinenser dorthin bringen. Ex-Ministerpräsident Ehud Olmert unterstellt ihr niedere Motive – und zieht einen drastischen Vergleich.

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Der ehemalige israelische Ministerpräsident Ehud Olmert hat schwere Vorwürfe gegen die Regierung von Benjamin Netanjahu erhoben. Mit Blick auf deren Pläne, eine sogenannte humanitäre Stadt für 600.000 Menschen auf den Trümmern von Rafah zu bauen, sagte Olmert dem britischen Guardian: "Das ist ein Konzentrationslager. Es tut mir leid."

Olmert bezeichnete es als "unvermeidliche Interpretation", dass, falls die Palästinenser in diese neue Stadt "deportiert" würden, "dass dies Teil einer ethnischen Säuberung ist".

Der Ex-Ministerpräsident betonte zugleich, dass das bisherige Vorgehen Israels diesen Umstand nicht erfülle. Bislang habe die Armee Evakuierungen zum Schutz von Zivilisten durchgeführt. Sobald die Kampfhandlungen in diesen Gebieten eingestellt würden, sei diesen auch die Rückkehr dorthin erlaubt. Das sei mit internationalem Recht vereinbar.

Olmert: "Es geht darum, sie zu deportieren"

Israels Verteidigungsminister Israel Katz hatte angekündigt, dass in der "humanitären Stadt" dort zunächst 600.000 Menschen untergebracht werden sollen. Später soll demnach die gesamte Bevölkerung des Gazastreifens in die Stadt gebracht werden. Die Menschen dürften die Stadt nicht wieder verlassen. Ausnahme sei eine Ausreise in andere Staaten.

Olmert sagte dem Guardian, solch ein Vorgehen diene nicht dazu, Palästinenser zu retten. "Es geht darum, sie zu deportieren, zu vertreiben und wegzuwerfen. Zumindest ich habe kein anderes Verständnis davon."

Außerdem warf Olmert Israel vor, bereits jetzt Kriegsverbrechen in Gaza und dem Westjordanland zu begehen. Aus seiner Sicht würde die Regierung keine expliziten Befehle für solche Verbrechen erteilen. Doch sie würde "die Tötung einer großen Zahl unbeteiligter Menschen" tolerieren. Auch gebe es eine Bereitschaft, ein unzumutbares Maß an Tod und Verwüstung zuzulassen. "Deshalb kann ich es nicht unterlassen, dieser Regierung die Verantwortung für die begangenen Kriegsverbrechen vorzuwerfen."

Nicht der erste Kriegsverbrechen-Vorwurf Olmerts

Es ist nicht das erste Mal, dass Olmert scharfe Kritik an der amtierenden Regierung äußert. Ende Mai warf er Israel im US-Sender CNN vor, Kriegsverbrechen zu begehen und zugleich keine Strategie zu haben, wie der Krieg beendet werden kann.

Wenige Tage zuvor hatte er diesen Vorwurf bereits in einem Beitrag für die israelische Zeitung "Haaretz" erhoben. Darin schrieb er, Israel würde einen "Verwüstungskrieg" führen, bei dem wahllos Zivilisten getötet würden. Dies sei nicht auf unverhältnismäßiges Verhalten mancher Soldaten zurückzuführen, sondern das Ergebnis der Regierungspolitik.

Olmert war von April 2006 bis März 2009 Ministerpräsident Israels. Der inzwischen 79-Jährige war nach seiner Amtszeit zu insgesamt 27 Monaten Gefängnis wegen Korruption verurteilt worden. Davon musste er 16 tatsächlich verbüßen, bevor er 2017 vorzeitig aus der Haft entlassen wurde. (thp)

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