Wolodymyr Selenskyj ist am Montag in Wien empfangen worden. Es ist der erste Staatsbesuch des ukrainischen Präsidenten seit Beginn des russischen Angriffskrieges. Er drückte seine Hoffnung aus, dass Österreich sein Land bei der Kinder-Rückholung unterstützt.

Mehr News zum Krieg in der Ukraine

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hat eine Vermittlung Österreichs in den Bemühungen um die Rückkehr verschleppter ukrainischer Kinder ins Spiel gebracht. "Wir haben über die Möglichkeit der Vermittlung Österreichs in dieser Frage gesprochen, damit die Kinder zurückkommen", sagte Selenskyj am Montag nach einem Treffen mit Bundespräsident Alexander Van der Bellen in Wien. Skeptisch zeigte sich Selenskyj zu einer Neutralität der Ukraine nach Österreichs Vorbild.

Bezüglich der verschleppten Kinder erteilte Selenskyj einer Austauschvereinbarung mit Russland eine Absage. "Wir können Kinder nicht umtauschen, die sind keine Tauschware", betonte der ukrainische Präsident in einer gemeinsamen Pressekonferenz mit Van der Bellen.

Selenskyj machte auch klar, dass er sich eine stärkere Kooperation der österreichischen Behörden bei Auslieferungsbestrebungen in Bezug auf eigene Staatsbürger erwartet. Es gehe dabei um Ukrainer, "die sich jetzt in Österreich verstecken, damit sie sich der Verantwortung entziehen können. Das ist verantwortungslos vor allem in Zeichen des Krieges", sagte er. "Wir hoffen, dass Österreich uns in dieser Frage helfen wird und uns unterstützen wird."

Selenskyj bekräftigte auf die Frage eines österreichischen Journalisten auch seine Skepsis, was russische Neutralitätsvorschläge für sein Land betrifft. "Im Jahr 2014 war die Ukraine ein blockfreies Land und wir sehen, wie das alles geendet hat. Das hat mit einem Krieg geendet, mit der Okkupation der Halbinsel Krim und eines Teils der östlichen Ukraine", sagte er. Die Ukraine sei damals "quasi neutral" gewesen, habe nicht genug Entschlossenheit gehabt und ihre Armee nicht genug Kraft. "Wir wollen, dass dieser Krieg beendet wird, aber nicht nach einem Ultimatum und nicht um den Preis der Unabhängigkeit der Ukraine", sagte er in Richtung Moskau.

Selenskyj fordert mehr Druck auf Moskau

Mit Blick auf den bevorstehenden G7-Gipfel forderte Selenskyj, den Druck auf Russland durch weitere Sanktionen zu erhöhen. Besonders wichtig seien etwa Sanktionen gegen russische Energieträger wie etwa Erdöl.

Der ukrainische Präsident zeigte sich auch zuversichtlich, dass die USA weiter Waffen an Kiew liefern werden. "Wir reden mit Trump über Militärhilfe und Waffen, welche wir bereit sind zu kaufen", betonte er. Man müsse daran arbeiten, dass das Bündnis zwischen den USA und Europa "nicht zugrunde geht". "Keiner kann einer Union aus EU und USA Widerstand leisten. Deshalb sind wir an einer starken Bindung sehr interessiert", betonte er. Sollte es in diesem Bereich Schwierigkeiten geben, "dann müssen wir einen Riesensprung in der Entwicklung der eigenen Militärindustrie machen und dafür haben wir nicht zu viel Zeit."

"Diesen Kampf führt die Ukraine nicht nur für sich selbst, sondern für ganz Europa, auch für uns."

Alexander Van der Bellen, Bundespräsident

Van der Bellen bekräftigte die klare Unterstützung Österreichs für die Ukraine. "Die Menschen der Ukraine wollen keine russischen Untertanen sein, sie kämpfen für ihre Freiheit", betonte er. Es gehe darum, dass ein Land sein Wertesystem selbst wählen dürfe. "Diesen Kampf führt die Ukraine nicht nur für sich selbst, sondern für ganz Europa, auch für uns. Dafür danke ich Ihnen", sagte er in Richtung Selenskyjs. Österreich unterstütze die Ukraine in vielen Bereichen, nur nicht militärisch. Selbst wenn es letzteres tun wollte, "ich wüsste nicht, was wir für die Ukraine tun könnten, weil wir selbst mit dem Aufbau (des Militärs, Anm.) beschäftigt sind", so der Bundespräsident.

Mehrere Memoranden unterzeichnet

Zu Beginn des gemeinsamen Pressegesprächs wurden mehrere bilaterale Memoranden und Absichtserklärungen präsentiert, in den Bereichen Außenpolitik, Landwirtschaft, Regionen und Kommunales.

Selenskyj war am frühen Nachmittag mit militärischen Ehren in Wien empfangen worden. Es handelt sich um den ersten Österreich-Besuch des ukrainischen Staatsoberhaupts seit Beginn des russischen Angriffskriegs im Februar 2022. Selenskyj wird von seiner Ehefrau Olena Selenska zu dem offiziellen Besuch begleitet.

Heldenplatz
Platzsperre am Heldenplatz wegen des Besuchs des ukrainischen Präsidenten Selenskyj. © APA/HELMUT FOHRINGER

Selenskyj traf außerdem mit Bundeskanzler Christian Stocker (ÖVP) und Vertretern aus der Wirtschaft zusammen. Außenministerin Beate Meinl-Reisinger (NEOS) hatte Selenskyj vom Flughafen abgeholt. Auch Vizekanzler Andreas Babler (SPÖ) traf Selenskyj zu einem Arbeitsgespräch. Dabei wollte der SPÖ-Chef ihm Österreich als Standort für zukünftige Friedensverhandlungen anbieten.

In der Delegation Selenskyjs befinden sich mehrere Minister, unter anderen der ukrainische Außenminister Andrij Sibyha und Wirtschaftsministerin Julia Swyrydenko sowie der Chef des ukrainischen Präsidentenbüros, Andrij Jermak, und der Gouverneur von Odessa Oleh Kiper, der eine Patenschaftserklärung für seine Region mit dem oberösterreichischen Landeshauptmann Thomas Stelzer (ÖVP) unterzeichnete. (APA/bearbeitet von mbo)

Teaserbild: © Steinsiek.ch/IMAGO/Luka Kolanovic