Im russischen Krieg gegen die Ukraine versuchen beide Seiten, den Gegner mit Minen am Vorrücken zu hindern. Auch Deutschland beliefert die Ukraine mit Panzerabwehrminen. Die Räumung tödlicher Sprengfallen wird das Land noch lange beschäftigen.

Mehr News zum Krieg in der Ukraine

Eines Tages endet jeder Krieg. Doch in Böden von Wäldern oder Äckern, neben Straßen und in Gebäuden kann eine gefährliche Saat lauern. 110 Millionen nicht geräumte Landminen sollen auf der ganzen Welt verstreut sein. Noch Jahre oder Jahrzehnte nach einem Konflikt sind sie potenzielle Todesfallen. Dem Landminen-Monitor zufolge wurden im Jahr 2021 weltweit mindestens 5.544 Menschen von Landminen getötet oder verletzt – die Mehrheit davon Zivilisten, auch viele Kinder waren unter den Opfern.

Antipersonenminen: Vorwürfe gegen Russland und die Ukraine

Mine ist jedoch nicht gleich Mine. Als besonders tückisch gelten Antipersonen- oder Schützenminen: Sie sind klein und leicht, manche Modelle können schon detonieren, wenn sich eine Person nur nähert. Auch in Russlands Krieg gegen die Ukraine stellen diese Minen eine Gefahr dar.

Ein Bericht der Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch (HRW) dokumentierte im Juni 2022, dass Russland sieben verschiedene Typen von Antipersonenminen in mindestens vier ukrainischen Regionen eingesetzt hat. Daran hat sich offenbar nichts geändert: Man dokumentiere weiterhin einen "umfangreichen Einsatz" dieser Minen durch Russland, teilt Human Rights Watch auf Anfrage unserer Redaktion mit.

Ein Soldat demonstriert während eines Journalistenlehrgangs eine sogenannte "Butterfly"-Antipersonenmine (Archivbild vom 4.12.2007). © picture-alliance/ dpa/Bodo Marks

Völkerrechtlich verbietet die Ottawa-Konvention seit 1999 Produktion und Einsatz von Antipersonenminen. 164 Staaten (darunter Deutschland) haben das Abkommen unterzeichnet – Russland, China und die USA nicht.

Die Ukraine schien sich zu Beginn ihres Verteidigungskriegs an das Verbot zu halten. Im Januar 2023 dokumentierte Human Rights Watch dann allerdings das Gegenteil. Demnach feuerten ukrainische Streitkräfte Raketen mit Antipersonenminen auf die von Russland besetzten Gebiete rund um die ukrainische Stadt Isjum. Die Gräueltaten Russlands würden diesen Einsatz nicht rechtfertigen, kritisierte damals Steve Goose, Direktor der Abteilung Waffen bei Human Rights Watch. Die Ukraine kündigte daraufhin an, die Vorwürfe zu untersuchen. Ergebnisse habe sie bisher aber nicht veröffentlicht, heißt es von der Menschenrechtsorganisation.

Minenteppiche sollen Vorrücken verhindern

Neben Antipersonen-Minen kommen im Krieg gegen die Ukraine auch Panzerabwehrminen mit einer deutlich größeren Sprengwirkung zum Einsatz. Aus militärischer Sicht sollen sie vor allem ein Ziel erfüllen: die Bewegungsfreiheit des Gegners einschränken.

Das spielt auch in der aktuellen Phase des Ukraine-Krieges eine Rolle. Die russische Armee hat offenbar ganze "Minenteppiche" auf den besetzten Gebieten ausgelegt, um das Vorrücken der Ukraine zu verhindern. Nach Angaben der "Washington Post" gilt die Ukraine heute als das am stärksten verminte Gebiet der Welt.

Bei der Minenräumung erhält die Ukraine auch Unterstützung aus Deutschland. So haben hiesige Rüstungsunternehmen die ukrainische Armee unter anderem mit dem Minenräumpanzer Wisent 1 beliefert, der mit einem Baggerarm ausgerüstet ist. Auch elf Minenräumpflüge stehen auf der Liste der militärischen Unterstützungsleistungen für die Ukraine.

Auch Deutschland liefert Panzerabwehrminen

Doch zum vollständigen Bild gehört: Auch Deutschland beliefert die Ukraine mit Minen – wenn auch nicht mit Antipersonen-, sondern mit Panzerabwehrminen. 14.900 Stück davon hat die Ukraine der aktuellen Liste zufolge aus Deutschland erhalten.

Panzerabwehrminen sind deutlich größer und schwerer und vom Völkerrecht nicht geächtet. "Im Gegensatz zu Antipersonenminen, die Deutschland ächtet, lösen Panzerabwehrminen erst bei deutlich höheren Belastungen aus und sind daher weniger gefährlich für Personen", sagt Alexander Müller, verteidigungspolitischer Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion, gegenüber unserer Redaktion. Die deutschen Minen des Typs AT2 zerstören sich zudem nach drei bis vier Tagen selbst.

Auch wenn die Gefahr für Zivilisten durch Panzerabwehrminen tendenziell geringer ist: Es gibt durchaus Kritik an ihrem Einsatz in Kriegen weltweit. Nicht alle Panzerabwehrminen zerstören sich nach kurzer Zeit selbst. Sie seien dann noch Jahrzehnte nach einem Konflikt potenziell gefährlich, sagt Richard Weir, Krisen- und Konfliktforscher bei Human Rights Watch, im Gespräch mit unserer Redaktion. Man habe Fälle dokumentiert, in denen zum Beispiel Bauern sie mit ihren Traktoren unbeabsichtigt zur Detonation brachten. "Viele Antipanzerminen – auch solche, die in der Ukraine eingesetzt werden – können von unbeteiligten Personen ausgelöst werden. Damit werden sie zu Antipersonenminen", sagt Weir.

Der verteidigungspolitische Sprecher der Linken-Bundestagsfraktion, Ali Al-Dailami, kritisiert: Die Bundesregierung verstoße mit der Lieferung dieser Minen gegen ihre eigenen Grundsätze. "Auch Panzerabwehrminen können noch Jahre und Jahrzehnte nach ihrem Ausbringen eine unkalkulierbare Gefahr für Leib und Leben darstellen", sagt Al-Dailami unserer Redaktion.

Minenräumung: Eine langwierige Aufgabe

In der Bundeswehr werden Minensperren grundsätzlich dokumentiert. "Es ist also schriftlich festgehalten, wo Minen liegen", heißt es auf der Website der Armee. Ob auch Deutschland der Ukraine solche Vorgaben macht, teilt das Bundesverteidigungsministerium auf Anfrage nicht mit. Die Verantwortung für den Einsatz der Minen vor Ort liege bei der Ukraine.

Klar ist natürlich, dass auch die ukrainische Armee ein großes Interesse daran hat, mit diesen Waffen sorgsam umzugehen: Schließlich liegt die gefährliche Saat – egal welche Seite sie ausbringt – auf ihrem Staatsgebiet, auf dem eines Tages Ukrainerinnen und Ukrainer wieder sicher leben wollen. Experten zufolge wird das Land ein Minenkompetenzzentrum brauchen, um alle potenziellen Todesfallen zu erfassen und zu räumen. Das wird eine langwierige Aufgabe – auch über den Krieg hinaus.

Verwendete Quellen:

  • Stellungnahme von Richard Weir, Human Rights Watch
  • Stellungnahme von Ali Al-Dailami, Bundestagsabgeordneter Die Linke
  • Stellungnahme von Alexander Müller, Bundestagsabgeordneter FDP
  • Bundesministerium der Verteidigung, Pressestelle
  • bundesregierung.de: Krieg in der Ukraine Liste der militärischen Unterstützungsleistungen
  • bundeswehr.de: Achtung Minen! Das Wichtigste zu Landminen kurz erklärt
  • hrw.org: Ukraine: Russian Landmine Use Endangers Civilians
  • hrw.org: Ukraine: Verbotene Landminen schaden Zivilist*innen
  • reliefweb.int: Landmine Monitor 2022
JTI zertifiziert JTI zertifiziert

"So arbeitet die Redaktion" informiert Sie, wann und worüber wir berichten, wie wir mit Fehlern umgehen und woher unsere Inhalte stammen. Bei der Berichterstattung halten wir uns an die Richtlinien der Journalism Trust Initiative.