Das Scrollen durch deine E-Mails und andere Arbeiten am Bildschirm können dir buchstäblich den Atem rauben – die sogenannte Bildschirm-Apnoe. Und das vielleicht, ohne dass du es überhaupt bemerkst.
Die ehemalige Microsoft-Mitarbeiterin Linda Stone prägte den Begriff der "email apnea" oder "E-Mail Apnoe", als sie an sich selbst und 200 Versuchspersonen ein besonderes Phänomen bemerkte: Ein Großteil der Menschen leidet unter gestörter Atmung während des Lesens von E-Mails. Symptome reichen dabei von unregelmäßiger, flacher Atmung bis hin zu Atemaussetzern, ganz ähnlich wie bei der Schlafapnoe.
Seit der erstmaligen Veröffentlichung ihrer Ergebnisse in der Huffington Post im Jahr 2008 hat Linda Stone den Begriff ausgeweitet und in "screen apnea" oder "Bildschirm-Apnoe" umbenannt, nachdem sie herausfand, dass sich das Phänomen nicht nur auf das Lesen von E-Mails beschränkt, sondern alle Aktivitäten am Bildschirm betrifft.
Die Wahrscheinlichkeit ist hoch, dass auch du schon einmal Bildschirm-Apnoe erlebt hast oder sogar regelmäßig erlebst, ohne es zu wissen. Woher das kommt und warum das problematisch ist, erklären wir dir im Folgenden.
Bildschirm-Apnoe: Was ist das?
Mit dem Begriff Bildschirm-Apnoe beschreibt Stone die veränderte Atmung, die bei vielen Menschen auftritt, sobald sie Aufgaben am Bildschirm ausführen. Eine solche Veränderung der Atmung hatte sie zuerst bei sich selbst beobachtet. So schrieb sie in ihrem Originalbericht in der Huffington Post: Als sie ihre E-Mails öffnete, "war da nichts Ungewöhnliches. Es ist die übliche tägliche Flut aus Planung, Projekten, Reisen, Informationen und Spam-Mails. Als ich plötzlich realisiere… Ich halte den Atem an".
Dieses Verhalten konnte die ehemalige Microsoft-Mitarbeiterin dann auch bei vielen anderen Menschen beobachten. In dem Versuch zu erforschen, wie weit verbreitet E-Mail-Apnoe tatsächlich ist, observiertesie etwa 200 Freund:innen und Kolleg:innen dabei, wie diese E-Mails beantworteten. Stone zeichnete dabei den Puls und die Atmung der Beteiligten auf und fand heraus: 80 Prozent der Teilnehmenden erging es wie ihr selbst. Sie litten ebenfalls unter gestörter Atmung während ihrer Zeit am Bildschirm. Dabei beobachtete sie vor allem Symptome wie:
- flache, schnelle Atmung wie bei der Hyperventilation
- angehaltener Atem
Die restlichen 20 Prozent der Teilnehmenden, welche keine Störungen der Atmung zeigten, waren Personen, die das normale Atmen in Stresssituationen gezielt trainiert hatte, wie beispielsweise ein ehemaliger Pilot, Tänzer:innen, Triathlet:innen, Sänger:innen und ein Cello-Spieler.
Seitdem weitete Stone ihre Forschung aus und entdeckte, dass nicht nur das Lesen von E-Mails, sondern sämtliche Aktivitäten am Bildschirm diese Atemstörungen auslösen und änderte die Bezeichnung entsprechend zu Bildschirm-Apnoe, wie die New York Times berichtet.
Wie wird Bildschirm-Apnoe ausgelöst?
In der New York Times beschreibt ein Professor der Neurowissenschaften die Bildschirm-Apnoe als Stressreaktion des Körpers auf die ständige digitale Stimulation durch neue Nachrichten und auf dich einströmende Informationen. Der ständige Überfluss an neuen Eindrücken und Informationen muss von deinem Gehirn verarbeitet werden. Dies geschieht durch eine Kettenreaktion, die dazu dient, äußere Stimuli auf potenzielle Gefahren zu überprüfen. Dabei wird deine Atmung flacher und dein Herzschlag beschleunigt sich. All dies soll dabei helfen, dass du dich im Falle einer echten Gefahr besser konzentrieren und reagieren kannst.
Genau dieselben Prozesse laufen auch dann ab, wenn du lediglich eine neue Nachricht oder E-Mail bekommst, so der Experte. Die Bildschirm-Apnoe ist also ein Teil der Stressreaktion deines Körpers, die eigentlich deine Konzentration im Ernstfall erhöhen soll. Wenn du jedoch ständig unter dieser Art von Stress stehst und regelmäßig Bildschirm-Apnoe erlebst, kann das zu einer Kettenreaktion aus Stress und Stresssymptomen führen.
In ihrem Originalbericht zu dem Thema schreibt Stone in der Huffington Post zudem, dass die oft schlechte Sitzhaltung vor dem Bildschirm dieses Problem noch verstärkt, weil dadurch die Atmung ebenfalls behindert wird und wir automatisch flacher atmen, wenn wir vornübergebeugt sitzen.
Wie schädlich ist Bildschirm-Apnoe?
Gelegentlich ist Bildschirm-Apnoe kein Problem und stellt kein Gesundheitsrisiko dar. Wenn du aber ständig unter solchem Disstress stehst, bringst du dein Nervensystem in einen Dauerzustand der Gefahr, so Dr. Porges in der New York Times. Nach einem ganzen Tag voll falscher Atmung durch Bildschirm-Apnoe ist es kein Wunder, wenn du dich nach einem eigentlich körperlich nicht anstrengenden Tag am Bildschirm erschöpft fühlst.
In einem Artikel von GQ berichtet ein Dozent der University of California, dass E-Mail- und Bildschirm-Apnoe folgende negative Auswirkungen mit sich bringen kann:
- gesteigerte Angst– und Stresszustände
- Störungen des klaren Denkens
- Behinderung der Entscheidungsfähigkeit
- Beeinflussung des Erinnerungsvermögens
Bildschirm-Apnoe entsteht also durch den Stress der ständigen Stimulation durch Bildschirme und bringt andererseits noch mehr Stress mit sich. Ein Teufelskreis.
Was kann ich gegen Bildschirm-Apnoe tun?
Bildschirmzeit können die meisten nicht aus ihrem Leben verbannen. Daher ist es wichtig, einen Weg zu finden, mit Bildschirm-Apnoe umzugehen. Wie bereits Stones erste Forschungen zu dem Thema nahelegt, gibt es Menschen mit bestimmten Gewohnheiten, welche weniger unter Bildschirm-Apnoe zu leiden scheinen. Stone assoziiert das unter anderem mit gezielter Achtsamkeit dieser Menschen in Bezug auf ihre Atmung. Zum Beispiel bei Athlet:innen und anderen Personen, welche die Atmung in Stresssituationen bereits zuvor trainiert haben.
Kann mehr Achtsamkeit und ein gezielter Fokus auf das richtige Atmen also die Atemaussetzer beim Scrollen verhindern?
In ihrem originalen Beitrag ebenso wie in GQ und der New York Times geben Linda Stone und andere Expert:innen Tipps zum richtigen Umgang mit dem Problem Bildschirm-Apnoe:
1. Mach dir das Problem bewusst
- Frage dich selbst mehrere Male am Tag: Wie ist meine Atmung? Zu realisieren, ob der Bildschirm deine Atmung beeinflusst, ist der erste Schritt, um deine Atmung zu verbessern.
2. Praktiziere gezielt entspanntes Atmen
- Versuche, so oft wie möglich ganz bewusst tiefe und langsame Atemzüge zu nehmen. Atme dabei durch die Nase ein und aus.
- Beispiele für gezielte Atemübungen findest du zum Beispiel auch hier: Atemübungen: Diese Übungen solltest du kennen.
- Am Anfang musst du dich vermutlich stark darauf konzentrieren, richtig zu atmen. Mit der Zeit wird dein Körper jedoch lernen, diese Atmung auch dann beizubehalten, wenn du dich auf etwas anderes konzentrierst, so die Expert:innen. Bereits einige Minuten Atemübungen am Tag können so bereits viel bewirken und dein Wohlbefinden steigern.
Wim-Hof-Atmung: So funktioniert die Atemtechnik
3. Verbessere deine Körperhaltung
- Stone berichtet, dass bestimmte Gewohnheiten ihr zu einer dauerhaft besseren Körperhaltung verhalfen, was ihr wiederum half, eine gesunde Atmung auch vor ihrem Bildschirm zu bewahren. Stone selbst nennt hier als mögliche Hilfe: Ein Instrument oder Sportart erlernen, bei denen Wert auf gute Körperhaltung gelegt wird. Aber auch Zuhause kannst du deine Körperhaltung verbessern, zum Beispiel mit diesen Übungen: Körperhaltung verbessern: 5 Übungen und Tipps
4. Mach genügend Pausen
- Regelmäßige Pausen fern von deinem Bildschirm können helfen, dein Nervensystem zu beruhigen und so dein Stresslevel zu senken und deine Atmung zu regulieren.
- Wichtig hierbei: Wie bereits gesagt, sollten diese Pausen unbedingt etwas anderes beinhalten, als lediglich mehr Scrolling auf einer anderen App oder einem neuen Gerät. So verführerisch es auch sein mag, deine Pause mit Scrolling durch Social Media zu füllen – das ist keine Erholung für dein Nervensystem, sondern genauso viel Stress wie deine eigentliche Arbeit vor dem Screen.
5. Achte auf deine digitale Balance
- Plane bestimmte Zeiten für bestimmte Aufgaben, sofern das für dich möglich ist. Das heißt: Zum Beispiel E-Mails checken nur zu bestimmten Uhrzeiten und danach die Finger davon lassen. Oder die Bildschirme zu bestimmten Uhrzeiten einfach komplett ausschalten. Beispielsweise könntest du beschließen, in der Mittagspause oder nach 18 Uhr keine Bildschirme zu nutzen.
Gegen Bildschirm-Apnoe: Auszeiten vom Bildschirm
Zusätzlich zu den vorherigen Tipps gegen Bildschirm-Apnoe gibt es besonders eine Methode, die wirklich gegen den digitalen Stress hilft: Den Bildschirm einfach mal ausmachen. Das hilft nicht nur gegen Symptome der Bildschirm-Apnoe, sondern bringt auch noch jede Menge andere Vorteile für dein allgemeines Wohlbefinden.
Immer mehr Menschen entdecken, wie reich sich ein Leben ohne ständige digitale Stimulation anfühlen kann. So finden beispielsweise zunehmend Personen der Gen-Z wieder Freude an alter Technik wie dem Flip-Phone. Du musst nicht komplett auf Bildschirme und digitale Medien verzichten. Es kann bereits helfen, deine Freizeit weniger mit digitalem Stress und mit mehr realen Erlebnissen und echter Entspannung zu füllen.

In weiteren Beiträgen erfährst du, wie du weniger Zeit am Handy verbringen kannst oder wie das Handyfasten funktioniert.
Tipp: Höre dir dazu auch unseren Podcast an:
Der Utopia-Podcast: Digital Detox – so gelingt das Offline-Leben
Bitte lies unseren Hinweis zu Gesundheitsthemen. © UTOPIA