Wohnst du noch oder lebst du schon? Der bekannte Werbeslogan von Ikea bekommt eine ganz neue Bedeutung, wenn wir uns genauer anschauen, wie wir heute bauen. Utopia.de hat mit Theresa Mai, Gründerin von Wohnwagon und Bauleiterin hunderter Modulholzhäuser, darüber gesprochen, warum sich die Baubranche dringend verändern muss und wie nachhaltiges Bauen und Wohnen gelingen kann.

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Für die einen ist es das Häuschen im Grünen, für die anderen eine Altbauwohnung in der Innenstadt: Wie wir bauen und wohnen, hat nicht nur einen großen Einfluss auf unser privates Glück, sondern auch auf die Umwelt und das Klima. Beides leidet darunter, wie sich die Baubranche in den vergangenen Jahrzehnten entwickelt hat. Das österreichische Unternehmen Wohnwagon möchte es anders machen und errichtet seit inzwischen zehn Jahren modulare Holzhäuser, die autark und generationsübergreifend gedacht sind.

Utopia hat mit Gründerin Theresa Mai darüber gesprochen, warum Einfamilienhäuser aus der Zeit gefallen sind, wie sich das Leben mit einer Bio-Trockentoilette anfühlt und warum Architektur das Sozialleben mitgestalten muss.

Wohnwagon-Gründerin Theresa Mai im Utopia-Interview

Utopia.de: Wie wohnen Sie privat?

Theresa Mai: Wir wohnen nicht in einem großen Einfamilienhaus mit Thujenhecke, zwei Autos und Pool. Wir haben weniger als 50 Quadratmeter Wohnfläche und sind mittlerweile zu dritt mit einer kleinen Tochter. Wir sind in der Nachbarschaft angeschlossen an das Gemeinschaftsprojekt "Dorfschmiede" im Gutensteiner Hof. In diesem ehemaligen Gasthaus befindet sich auch das Büro von Wohnwagon.

Können Sie das Gemeinschaftsprojekt genauer beschreiben?

Wir haben das Gebäude als Genossenschaft gekauft und saniert. Im ersten Stock haben wir Büroflächen und sechs Kleinstwohnungen, im Erdgeschoss befinden sich eine große Küche und Veranstaltungsräume, die als erweiterte Wohnzimmer genutzt werden oder dafür, wenn man zum Beispiel größer angelegt Marmelade einkochen will.

Wir Genossenschaftsmitglieder können damit selbst auf kleiner Fläche wohnen, weil wir sozusagen Bonusflächen haben, die wir gemeinsam nutzen. Wir haben einen Garten, eine Werkstatt und eine Sauna – alles Dinge, die das Wohnen groß und teuer machen, weil man noch einen Keller oder zusätzlichen Raum braucht.

Besser kleiner wohnen und Gemeinschaftsräume schaffen

Das ist ein deutliches Gegenmodell zur durchschnittlichen Wohnsituation in Deutschland und Österreich. Was macht die Art, wie wir heutzutage Bauen und Wohnen überhaupt problematisch?

Das übergeordnete Problem ist, dass wir den Maßstab Mensch verloren haben. Die Bauwirtschaft agiert danach, was den meisten Profit abwirft. Das ist mit viel Fläche billig pro Quadratmeter zu bauen. Die Menschen bekommen dadurch Lösungen aus dem Katalog, die zu groß und zu teuer sind. Dabei hat sich unsere Lebenssituation grundlegend geändert, das Traumbild vom Einfamilienhaus im Grünen ist aber geblieben. Das führt zu einer Überforderung. Denn wenn zwei Personen in Vollzeit arbeiten, wer soll sich dann wann um ein 2.000 Quadratmeter Grundstück mit Garten kümmern? Vor 40 Jahren war die Situation anders, als Frauen oft nur stundenweise gearbeitet oder sich ausschließlich um die Kinderbetreuung gekümmert haben.

"Menschen bekommen Lösungen aus dem Katalog, die zu groß und zu teuer sind"

Im Gegenzug arbeiten heute viele Menschen zumindest zeitweise im Home-Office und möchten ein Zuhause, in dem sie sich wohlfühlen. Für viele bedeutet das auch großzügig Platz zur Verfügung zu haben.

Ja, aber auch das Bewusstsein und die Dringlichkeit für das Thema Nachhaltigkeit beim Bauen und Wohnen ist gestiegen. Wir wissen mittlerweile, dass ein hoher Ressourcenverbrauch Schäden verursacht. Für mich ist aber die soziale Seite fast wichtiger. Wir müssen uns fragen, was gutes Wohnen für mich und meine Familie ausmacht.

Für mich ist das eine lebendige Nachbarschaft, die zwar individuelle Rückzugsräume schafft und die Möglichkeit bietet, dass jeder sich entfalten kann, die aber eben auch das Gesamtkonzept mitdenkt. Wir dürfen weglassen, was wir nicht brauchen und das mit Freude, weil wir uns darum nicht kümmern müssen. Mit weniger Platz müssen wir weniger finanzieren, weniger heizen und weniger Fläche putzen. Die gewonnene Zeit können wir fürs Leben nutzen und dafür, die Qualität von dem, was wir bauen, zu steigern.

Inwiefern?

Die Art, wie gebaut wird, ist die vergangenen Jahre ausgeartet. Wir bauen lieblose Schuhschachteln aus Sondermüll. Welche Baustoffe wir in die Landschaft stellen, wird für die nächsten Generationen ein riesiges Problem werden. Wir müssen anfangen, bei der Wahl der Baustoffe an die nächsten Generationen zu denken, nicht nur jetzt billig pro Quadratmeter zu bauen. Wir müssen uns fragen, wie ein Haus gewartet und wie es zurückgebaut werden kann.

Theresa Mai: Sanierung ja, aber auch modular neu bauen

Wenn das Traumbild Einfamilienhaus gar nicht mehr zur Lebensrealität vieler Menschen passt und wir zu groß und zu teuer bauen, ist es dann überhaupt noch zeitgemäß, neue Häuser zu bauen? Ist Sanieren nicht die dringlichere Aufgabe?

Ich bin ein Fan von ökologischer Sanierung, vor allem dort, wie sie einfach umzusetzen ist. Allerdings lässt sich nicht jeder Altbestand sanieren. Es braucht auch eine modulare Nachverdichtung, um eine gute Substanz für die nächsten Jahrzehnte zu schaffen. Mit Modulbauten lassen sich vorhandene Flächen nicht nur nachverdichten, sondern auch die Lebendigkeit wieder schaffen, die wir im Bauen verloren haben. Unser Unternehmen baut viele kleine Bauprojekte zwischen 50 und 100 Quadratmeter, die modular oft als Ergänzung zu einem vorhandenen Wohngebäude gebaut werden.

Wie sieht das dann genau aus?

Klassischerweise steht ein großes Einfamilienhaus auf einem Grundstück, auf dem noch viel Platz frei ist und in dem zum Beispiel eine einsame alte Dame wohnt. Auf diesem Grundstück oder dem gekauften Nachbargrundstück wird eine zweite Wohneinheit geschaffen und es entsteht eine kleine Nachbarschaft mit ein, zwei oder drei Wohneinheiten, die auch Leben auf dem Platz zurückbringt.

Haubau muss mehrere Generationen mitdenken

Und wenn es doch das neue Einfamilienhaus sein soll?

Wir bauen keine 150 Quadratmeter Wohnfläche für vier Leute und wenn die Kinder ausgezogen sind, steht die Hälfte leer. Wir entwickeln eine Geschichte für mehrere Generationen. Wir fragen bei größeren Häusern: Kann man einen Bereich später separat als Einliegerwohnung vermieten? Oder einen Bereich hinzunehmen, wenn zum Beispiel die eigenen Eltern pflegebedürftig werden. Die Grundrisse, die wir bauen, sollen die Flexibilität mitbringen, die wir heute im Leben dringend brauchen. Bei klassischen Gebäuden ist das meist nicht der Fall.

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Bauexpertin: Es reicht nicht mehr, "die Dinge weniger schlecht zu machen als bisher"

Viele Gebäude sind nicht nur sehr groß gebaut, sondern auch ökologisch in keinem guten Zustand. Ich denke dabei an unsanierte Altbauten, ineffiziente Heizsysteme, die mit fossilen Brennstoffen betrieben werden und auch Betonklötze mit Steingarten als Vorgarten. Was muss sich ändern?

Wir müssen anfangen zu verstehen, dass wir längst in einer Situation sind, in der es nicht reicht, die Dinge weniger schlecht zu machen als bisher. Wir müssen anfangen, Projekte umzusetzen, die bewusst einen positiven Beitrag leisten. Es geht zum Beispiel nicht drum, ein bisschen CO2 in meinem Haus einzusparen, sondern Häuser bauen, die einen nachhaltig positiven Beitrag leisten.

Wir schaffen mit jedem gebauten Gebäude eine CO2-Senke, weil wir CO2 durch das Holz langfristig im Gebäude binden. Wir betonieren nicht nur weniger, sondern betonieren gar nicht. Und durch die autarke Gebäudelogik wird der Boden rundherum aufgebaut, unter anderem durch die Bio-Toilette, die wir in vielen Projekten einsetzen.

Müssen wir künftig mit Trockentoiletten bauen?

Eine Bio-Toilette klingt für viele sehr gewöhnungsbedürftig. Wie funktioniert die genau?

Bio-Toiletten sind sogenannte Trocken-Trenntoiletten, die mit einer einfachen mechanischen Trennung, Urin und Feststoffe getrennt sammeln und die Nährstoffe, die wir dem Kreislauf durch die Nahrung entzogen haben, wieder zurückgeben. Urin enthält sehr viel Phosphor, Kalium und Stickstoff und ist deswegen ein wunderbarer Dünger. Die Feststoffe lassen sich per Kompostierung wieder zu hochwertigem Humus machen.

Entscheiden sich viele Kund:innen dafür?

Das ist noch ein ziemliches Pionierthema, aber ungefähr ein Drittel der Kunden lassen sich darauf ein. Wenn einem das zu weit geht, ist das kein Problem. Dann bauen wir eine wassersparende Spültoilette ein. Viel wichtiger ist, Wasserkreisläufe zu schaffen, die Wasser langfristig am Grundstück halten.

Dazu muss eine gute Regenwassernutzung vorhanden sein.

Genau, es fängt damit an, das Regenwasser, das am Grundstück ankommt, lange dort zu halten und die Pflanzen im Garten damit zu bewässern. Deshalb bauen wir Gründächer, die Wasser speichern und langsam abgeben ohne es zu überschwemmen. Das Regenwasser kann auch in einer Zisterne gespeichert und zur Gartenbewässerung genutzt oder als Trinkwasser aufbereitet werden. Dafür gibt es mittlerweile tolle Membranfilter.

Für den Wasserbedarf einer vierköpfigen Familie reicht das doch aber niemals aus?

Wir haben Projekte, bei denen wir durch Wasserautarkie das komplette Wassermanagement schaffen. Das hängt aber vom Standort, dem Gebäude und dem Verbraucherverhalten ab. Bei großen Dachflächen hat man natürlich mehr Kapazität als bei einem Tiny House mit 30-Quadratmeter-Dach.

Darf man in Deutschland ein autarkes Haus bauen?

Welche baurechtlichen Vorgaben erschweren es, nachhaltiger zu bauen?

In Deutschland, Österreich und der Schweiz ist Wasserautarkie rechtlich noch nicht vollständig genehmigungsfähig. Ich kann also nicht sagen, dass ich keinen Wasser- und Kanalanschluss brauche. Trotzdem darf ich Regenwasser aufbereiten und eine Bio-Toilette verwenden.

Strom- und Wärmeautarkie sind dagegen rechtlich zulässig und nicht groß genehmigungspflichtig. Mit einem integrierten Gesamtkonzept kann man die Fixkosten auf ein Minimum reduzieren! Mit einer großen Photovoltaikanlage, Batteriespeicher, intelligentem Managementsystem und einer guten Gebäudehülle, muss man nur im Winter und auch nur wenig heizen.

Wie sieht das Heizsystem in Ihren Häusern im Detail aus?

Das Heizsystem beginnt bei uns mit der guten Gebäudehülle und Solararchitektur. Wir verwenden Materialien, die sich warm anfühlen und verbrauchen dadurch schon 20 bis 30 Prozent weniger Wärmeenergie. Holzoberflächen fühlen sich einfach wärmer als Glas und Beton. Für die Wärmeenergie, die noch notwendig ist, verwenden wir eine Kombination aus Photovoltaik mit elektrischer Heizung und einen Holzofen. Von etwa April bis Ende Oktober heizen wir mit den Überschüssen aus der PV-Anlage, je nach Gebäudetyp mit Infrarotmodulen oder einer Luftwärmepumpe. Für den minimalen Restenergiebedarf verbauen wir eine einfache Holz- oder Holzpellets-Heizung.

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Warum keine Wärmepumpe?

Wir möchten eine Technologie verwenden, die geringe Anschaffungskosten hat und die unsere Kunden autark bedienen können. Die Effizienzgrade bei neuen Holz- und Holzpellets-Heizungen sind inzwischen bei 90 Prozent. Aus meiner Sicht ist das geringe Zuheizen mit Holz ökologisch gut vertretbar. Für größere Gebäude haben wir auch schon mit Wärmepumpen gearbeitet. Die Wahl der Technik muss immer auf das konkrete Projekt abgestimmt werden

Wenn man sich die realisierten Wohnwagon-Häuser auf Ihrer Website anschaut, sticht sofort das viele Grün drumherum ins Auge. Ist Wohnwagon aufs Bauen auf dem Land beschränkt?

Wir sind keine Lösung für den urbanen Raum mit Hochhäusern. Unsere Bauweise geht bis zu drei Geschossen. Mehrfamilienhäuser als "Zinshaus am Land" beziehungsweise Alternativen zu klassischen Wohnbauträgersiedlungen sind mit uns also möglich, aber im kleineren Rahmen.

Fürs städtische Wohnen gibt es Unternehmen mit ähnlichen Prinzipien. Ein Beispiel ist das Wohnprojekt Wien, das als Baugruppe ein Wohngebäude mit kleinen, individuellen Wohnungen und großzügigen Gemeinschaftsflächen gebaut hat. Das Sozialleben wird auch dort in der Architektur mitgedacht. Diese bewussten Begegnungszonen verhindern wir, dass wir vereinsamen.

Die soziale Komponente beim Bauen scheint Ihre Leidenschaft zu sein.

Es liegt meiner Ansicht nach absolut in der Verantwortung der Architektur, das Sozialleben mitzugestalten und Begegnungen und Austausch im Alltag mitzudenken. Architektur ist Sozialverhalten.

Therea Mai: ein Tiny House ist kein Muss

Sie sind mit der Idee gestartet Tiny Häuser zu bauen und haben als Prototyp einen Zirkuswagon gebaut. Was hat Sie dazu veranlasst, das Konzept Tiny House zu vergrößern?

Wir sind mit unserer Community gewachsen. Es gibt nach wie vor die Pioniere, die sagen, sie kommen mit 20 Quadratmetern aus. Aber auch Golden Ager wollen sich verkleinern und Familien nachhaltiger bauen, wir haben jetzt eine breitere Zielgruppe.

Deshalb haben wir unsere Produktpalette angepasst, bauen aber nach wie vor konsequent mit Naturbaustoffen – wir verlegen zum Beispiel keinen Laminatboden und bauen keine Plastikfenster ein. Und wir bauen immer noch kompakt. Bei größeren Projekten für Familien sparen wir ungefähr 20 bis 30 Prozent Grundfläche durch unser Wissen aus dem Tiny-House-Bereich. Diese Familien kommen dann mit 70 bis 90 Quadratmetern gut zurecht und hätten vorher vielleicht 130 Quadratmeter gebaut.

Gleichzeitig sind die Häuser inzwischen an einen festen Standort gebunden und können nicht mehr so leicht versetzt werden wie ein Tiny House.

Wir haben anlässlich unseres zehnjährigen Bestehens geschaut, wie viele der kleinen Projekte wirklich gewandert sind über die vergangenen zehn Jahre. Man konnte einer Hand abzählen, wie viele Leute wirklich das Grundstück wechselten.

Mobilität ist deshalb vor allem im Kopf wichtig, um umzudenken und die Wertanlage Haus von der Wertanlage Grundstück zu entkoppeln. Wir sehen oft, dass sich Menschen durch die modulare Bauweise trauen, auf einem Grundstück zu bauen, das ihnen nicht gehört. Hier sehe ich viel ökologisches Potenzial für Nachverdichtung, bessere Flächennutzung und Gemeinschaftswohnprojekte. Wenn nicht die Person, die das Grundstück hat, auch in den Gebäudekauf investieren muss, können Nachbarschaftsprojekte einfacher entstehen.

So teuer ist nachhaltigeres Bauen

Naturbaustoffe und Gründächer haben ihren Preis. In welchem Kostenrahmen bewegen sich Ihre Häuser?

Wir realisieren die meisten Projekte in einer Preisspanne zwischen 200.000 und 400.000 Euro, egal ob wir Wohnraum für zwei Personen oder vier Personen schaffen. Diese Summe ist für mich noch finanzierbar. Wenn es in Richtung 600.000 bis 800.000 Euro geht, ist es für die meisten Familien, ohne geerbt zu haben, schwer machbar.

Wenn der Preis leistbar ist, warum fristet ökologisches und nachhaltiges Bauen nach wie vor ein Nischendasein?

Es tut sich schon einiges, es darf sich aber noch viel mehr tun. In der Bauwirtschaft haben wir eine Megaaufgabe vor uns und es braucht tolle Unternehmen, die in der Sanierung Vollgas geben und solche, die sich beim Neubau konsequent auf nachhaltige Baustoffe ausrichten. Bei Wohnwagon wollen wir nicht nur als solider Mittelstandsbetrieb bis zu 100 Häuser im Jahr bauen, sondern auch inspirieren. Dann bauen Menschen vielleicht nicht mit uns ihr Haus, sondern mit einem lokalen Partner, aber eben mit der klaren Anforderung zu Naturbaustoffen.

Inspirierende Geschichten bewegen manchmal ein schnelleres Umdenken als nackte Fakten, welchen Schaden die Baubranche verursacht.

Ja, wir müssen ein Gefühl dafür schaffen, dass es nicht um Verzicht geht, sondern einen Vorgeschmack auf ein richtig schönes Wohn- und Lebensgefühl geben. Nur die Wege dorthin sind noch neu und erfordern ein bisschen Mut.

Wie die Politik die Baubranche unterstützen sollte

Welche Unterstützung erwarten Sie sich von politischer Seite, beispielsweise in Bezug auf Fördermöglichkeiten?

Ich versuche als Unternehmerin meinen bestmöglichen Beitrag zu leisten und wünsche mir, dass die Politik das gleiche tut. Sie hätte die Möglichkeit, einen bewusst positiven Beitrag zu leisten und nicht nur einen weniger schlechten.

In der Baupolitik braucht es verstärkt den Blick aufs große Ganze und weniger Aktionismus auf Einzellösungen. Ich finde es zum Beispiel schade, dass die Photovoltaik-Förderung in Österreich ausläuft. Sie hat viele unserer Kunden dazu bewegt, trotz kleinem Budget eine Photovoltaikanlage zu installieren. Wenn wir konsequent auf Elektromobilität und Wärmepumpen setzen, brauchen wir diesen kleinstrukturierten Ausbau an Stromproduzenten, um eine Netzstabilität zu erreichen.

Wie wir in 20 Jahren wohnen werden

Werfen wir einen Blick in die Zukunft: Wie werden wir in 20 Jahren wohnen und wie viel hat sich bis dahin verändert?

Ich sehe, dass viele Menschen jetzt anfangen, umzudenken und nach neuen Lösungen suchen. Gleichzeitig liefern Pioniere, die wie wir vor zehn Jahren begonnen haben, inzwischen tragfähige Lösungen. Wir waren beim Start jung und träumerisch und hatten wenig Erfahrung aus der Praxis. Genossenschaftsprojekte und gemeinschaftliche Finanzierungsformen waren vor zehn Jahren Utopien, jetzt haben diese Projekte solide Abläufe und Strukturen. Das macht sie zugänglicher, weil viele Menschen nur an neue Idee anschließen können, wenn man sieht, dass es sich bewährt hat.

Ich glaube, dass es in Baubranche trotzdem mehr als 20 Jahre dauern wird, um das konsequent umzusetzen. Die Geschwindigkeit, in der wir Veränderung sehen werden, wird sich aber erhöhen, weil wir auf einem Erfahrungsschatz aufbauen und sich dadurch mehr Menschen zutrauen, es auch zu probieren und dies wiederum noch mehr Menschen anzieht.

Macht sich das bereits in Ihrer Auftragslage bemerkbar?

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Wir merken es bei der Anzahl der Anfragen und auch bei den Kundentypen. Es sind nicht mehr nur Pioniere, sondern auch Menschen, die statt eines Einfamilienhauses lieber gemeinsam mit Freunden in geteilter Nachbarschaft bauen möchten. Die derzeitig wirtschaftlich sehr herausfordernden Rahmenbedingungen fördern das sogar. Wenn Schema F nicht mehr finanzierbar ist, sucht man nach anderen kreativen Wegen. Das erhöht die Geschwindigkeit, in der wir neue Ideen auf die Straße bringen müssen.

Eine Tiefgarage für Fahrräder statt Autos: Wie man ein autofreies Wohnhaus baut  © UTOPIA