Konzentrieren fällt schwer? Im Zeitalter des Smartphones ist das keine Seltenheit. Ein Experte erklärt den Zusammenhang und gibt Tipps.

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Eine Push- oder Whatsapp- Nachricht kommt aufs Handy – und schon ist man abgelenkt. Viele Menschen hadern damit, konzentriert zu bleiben. Doch hängt das wirklich mit digitalen Medien zusammen? Und wie kann man die eigene Aufmerksamkeitsspanne wieder verlängern? Julian Hellmann-Regen ist Oberarzt und leitet unter anderem die Spezialambulanz ADHS an der Berliner Charité. Im Gespräch mit dem Süddeutsche Zeitung Magazin erklärt er, wie man konzentrierter wird und welchen Einfluss unsere digitale Umgebung auf uns hat.

Aufmerksamkeitsspanne verlängern: Was kann man tun?

Wie kann man wieder konzentrierter werden? Im Rahmen seiner Tätigkeit berät Hellmann-Regen unter anderem Patient:innen mit Aufmerksamkeitsdefizit-Störung. Ihnen empfiehlt er, sich erstmal möglichst keinen Reizen auszusetzen, die ablenken könnten. Dabei können zum Beispiel Noise-Cancelling-Kopfhörer helfen. Weiter rät der Experte, Push-Nachrichten zu deaktivieren.

"Der nächste Schritt könnte ‚Digital Detox‘ sein, also die sozialen Medien für einen bestimmten Zeitraum ganz ausgeschaltet zu lassen", so der Mediziner gegenüber Süddeutsche Zeitung Magazin. Soziale Kontakte müsse man dann auf anderem Wege pflegen.

Auch progressive Muskelentspannung, kurz Schlafen, Spazierengehen oder Selbstmassagen hätten sich als hilfreich erwiesen. Diese Maßnahmen würden Beruhigung und Konzentration trainieren. Vielen seiner Patient:innen würde auch die "Pomodoro-Technik" helfen, bei der man 25 Minuten arbeitet, gefolgt von fünf Minuten Pause. Außerdem empfiehlt der Experte beispielsweise Planungshilfen wie To-Do-Listen, Kalender oder entsprechende Apps und ausreichend Schlaf, regelmäßige Mahlzeiten, Bewegung und mit Freund:innen Tipps und Erfahrungen auszutauschen.

Kürzere Aufmerksamkeit ist keine evolutionäre Veränderung

Wird unsere Aufmerksamkeitsspanne wirklich kürzer? Hellmann-Regen vermutet gegenüber dem Süddeutsche Zeitung Magazin, dass es so eine Entwicklung gibt. Doch handelt es sich dem Experten zufolge nicht um evolutionäre Veränderungen. "Was da beobachtet werden kann, ist eine Eigenschaft, die wir brauchen: Wir müssen grundsätzlich in der Lage sein, schnell ablenkbar zu sein", so der Mediziner. Er spricht stattdessen von einem "Trainingseffekt" und erklärt ihn so:

Eine kurze Aufmerksamkeitsspanne ermögliche es, Nützliches sowie Gefahren in der Umgebung wahrzunehmen. Der Experte geht davon aus, dass der Mensch sich durch Lernprozesse an Veränderungen in der Umwelt anpasst. Diese hat sich verändert: Heutzutage würden Messenger-Dienste und Pop-ups dauernd um unsere Aufmerksamkeit ringen. Auf diese Reize reagieren wir entsprechend.

Glücksgefühle beim Weiterswipen

Dass Menschen auf Ablenkung anspringen, habe mit dem Belohnungssystem im Gehirn zu tun. "In früheren Zeiten war es das Rascheln im Gebüsch, das auf den kapitalen Hirsch hinwies, den man dann erlegen konnte", so der Experte. "Heute werden wir mit perfekt auf uns zugeschnittenen Werbebotschaften gelockt, und dann sind wir glücklich, was wir da gefunden haben."

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Neben Werbung können beispielsweise auch spannende Videos so ein Glücksgefühl auslösen. Selbst wenn dazwischen mehrere Clips dem eigenen Geschmack nicht entsprechen, bleibt ein Anreiz zum Weiterswipen. Hellmann-Regen erklärt das mit dem Konzept der "intermittierenden Verstärkung". "Es muss nicht alles gut sein, es reicht, wenn immer mal wieder ein Highlight erscheint. Das hält uns dann am Ball."

Verwendete Quelle: Süddeutsche Zeitung Magazin  © UTOPIA

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