Die humanitäre Katastrophe in Haiti erreicht neue Dimensionen. Laut einem aktuellen UNICEF-Bericht sind mittlerweile 680.000 Kinder aus ihren Heimatorten vertrieben worden – nahezu doppelt so viele wie im Vorjahr. Bewaffnete Banden kontrollieren große Teile der Hauptstadt.

Die Lage für Kinder in Haiti verschärft sich dramatisch. Aus einem am Donnerstag (9. Oktober) veröffentlichten Bericht des UN-Kinderhilfswerks geht hervor, dass die Anzahl der aus ihren Heimatorten vertriebenen Kindern auf 680.000 gestiegen ist. Das entspricht beinahe einer Verdoppelung im Vergleich zum Vorjahr. Mehr als 1,3 Millionen Menschen sind innerhalb des Landes auf der Flucht vor Bandengewalt.

Durch die anhaltende Gewalt sind zahlreiche Versorgungsstrukturen im Land zusammengebrochen. Die Bedingungen für humanitäre Organisationen haben sich ebenfalls deutlich verschlechtert, wie UNICEF in seinem "Child Alert"-Bericht mitteilt. In den ersten sechs Monaten dieses Jahres wuchs die Zahl der Notunterkünfte für Vertriebene landesweit auf 246 an.

"Kinder in Haiti erleben Gewalt und Vertreibung in einem entsetzlichen Ausmaß", sagte UNICEF-Exekutivdirektorin Catherine Russell. "Jedes Mal, wenn sie zur Flucht gezwungen werden, verlieren sie nicht nur ihr Zuhause, sondern auch die Möglichkeit, zur Schule zu gehen und einfach nur Kind zu sein."

Sicherheitslage in Haiti hat sich erheblich verschlechtert

Laut UN-Menschenrechtskommissar Volker Türk wurden seit 2022 mehr als 16.000 Menschen in Haiti getötet. In den vergangenen Jahren hat die Bandengewalt immer weiter zugenommen. Seit 2021 der Präsident Jovenel Moïse ermordet wurde, haben kriminelle Banden die Macht in Haiti an sich gerissen.

Laut dem UNICEF-Bericht haben bewaffnete Gruppierungen inzwischen die Kontrolle über mehr als 85 Prozent der Hauptstadt Port-au-Prince sowie wichtige Verkehrswege. Dadurch sind Familien von Nahrungsmitteln, medizinischer Versorgung und Schutzmaßnahmen abgeschnitten.

In Gebieten unter der Herrschaft bewaffneter Banden leben schätzungsweise 2,7 Millionen Menschen, davon 1,6 Millionen Frauen und Kinder. Die Kontrolle der Banden schränkt die Bewegungsfreiheit der Menschen massiv ein und verhindert den Zugang zu grundlegenden Dienstleistungen.

Besonders erschreckend ist die neue Dimension von Gewalt an Minderjährigen: Das UN-Kinderhilfswerk dokumentierte im Jahr 2024 rund 2.269 schwerwiegende Rechtsverletzungen gegen Kinder – fünfmal mehr als im Vorjahr. Darunter fallen über 300 bestätigte Fälle von Kinderrekrutierung durch bewaffnete Gruppen. Das sind doppelt so viele, wie noch 2023.

Ernährungskrise erreicht kritisches Ausmaß

Wie in den meisten Konfliktgebieten ist auch in Haiti die Ernährungslage angespannt. Mehr als 3,3 Millionen Kinder sind vom Mangel an humanitärer Hilfe betroffen, während über eine Million Minderjährige von kritischer Ernährungsunsicherheit betroffen sind. Besonders alarmierend: Etwa 290.000 Kinder unter fünf Jahren werden voraussichtlich in diesem Jahr an akuter Mangelernährung leiden.

Die Vertreibung verstärkt weitere Krisenaspekte erheblich. Wie aus dem UNICEF-Bericht hervorgeht, fehlt es in über 33 Prozent der Notunterkünfte an grundlegender Infrastruktur zum Schutz der Familien. Dies erhöht insbesondere für Kinder und Frauen das Risiko von Gewalt, Ausbeutung und Missbrauch.

Das Gesundheitssystem in Haiti steht vor dem Kollaps. Nur noch 41 Prozent der Gesundheitseinrichtungen im Großraum Port-au-Prince sind vollständig funktionsfähig. Im Oktober 2022 gab es einen erneuten Ausbruch von Cholera, bei dem über 90.000 Verdachtsfälle gemeldet wurden.

Cholera ist eine Infektionskrankheit, die zu schwerem Durchfall und Erbrechen führt. Unbehandelt kann sie schnell tödlich werden. Sie verbreitet sich vor allem durch verunreinigtes Trinkwasser und unter schlechten hygienischen Bedingungen.

Schulen als Notunterkünfte beeinträchtigen Bildung der Kinder

Auch das Schulwesen leidet. Laut UNICEF waren mehr als 1.600 Bildungseinrichtungen direkt von Gewalt betroffen. Über 1.080 Schulen mussten komplett geschlossen werden. Mindestens jedes vierte haitianische Kind besucht derzeit keine Schule.

Oft dienen die Schulgebäude gleichzeitig als Notunterkünfte, was die Bildung von fast einer halben Million Schulkindern beeinträchtigt. Derzeit nutzen 84 Schulen ihre Räumlichkeiten als Sammelunterkünfte für Binnenvertriebene.

UNICEF leistet Nothilfe trotz schwieriger Bedingungen

Trotz der schwierigen Umstände konnte UNICEF gemeinsam mit Partnern wichtige Hilfsmaßnahmen umsetzen. Dabei wurden in diesem Jahr mehr als 86.000 lebensbedrohlich mangelernährte Kinder behandelt, 117.000 Menschen mit Gesundheitsdiensten erreicht und 140.000 Menschen mit sauberem Wasser versorgt.

Ein wichtiger Erfolg ist die Reintegration von Kindern aus bewaffneten Gruppen. Seit 2024 konnten die haitianische Regierung und das Kinderhilfswerk dazu beitragen, mehr als 178 Kinder zu demobilisieren und wieder in ihre Gemeinden zu integrieren.

Internationale Gemeinschaft muss handeln

Die Finanzierung der Hilfsprogramme bleibt jedoch in kritischem Maß unzureichend. "Die Kinder in Haiti können nicht warten", betonte Russell. "Sie verdienen eine Chance auf Sicherheit, Gesundheit und ein Leben in Frieden – wie jedes Kind weltweit. Es liegt an uns, jetzt zu handeln."

Empfehlungen der Redaktion

UNICEF appelliert an die internationale Gemeinschaft, rasch zu reagieren und lebensrettende Hilfe sowie Schutzmaßnahmen für vertriebene Kinder auszuweiten. Dazu zählen sichere Unterkünfte, Maßnahmen zur Wiedervereinigung von Kindern mit ihren Angehörigen, psychosoziale Betreuung sowie der Zugang zu Gesundheitsversorgung, Ernährung, Bildung und sauberem Wasser. (bearbeitet von cm)

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Verwendete Quellen

  • Pressemitteilung UNICEF: Haiti: Zahl vertriebener Kinder innerhalb eines Jahres fast verdoppelt
  • unicef.org: The polycrisis for children in Haiti (Bericht auf Englisch)
  • dpa Meldung: UNO: Mehr als 16.000 Tote in Haiti seit Anfang 2022 durch bewaffnete Gewalt