Das Erdbeben in Afghanistan hat die Lage der Bevölkerung deutlich verschärft. Die Hälfte der Menschen im Land war bereits zuvor auf humanitäre Hilfe angewiesen. Immer wieder erschüttern Nachbeben die Region. Daniel Timme von UNICEF war im Erdbebengebiet und berichtet von apokalyptischen Zuständen.
Nach dem verheerenden Erdbeben am 31. August im Osten Afghanistans ist die Lage noch immer dramatisch. Durch das Beben der Stärke 6 starben 2.200 Menschen, mehr als 3.600 Menschen wurden verletzt. Am schlimmsten getroffen wurde die Region Kunar, an der Grenze zu Pakistan. Ganze Dörfer wurden hier zerstört. Die "Tagesschau" spricht von einem der schlimmsten Erdbeben in der Geschichte des Landes.
Das Beben traf vor allem die Bergregionen im Osten schwer, die nach der Katastrophe besonders schwer zugänglich war. Vielerorts lief die Hilfe nur langsam an. Bis dahin mussten Menschen ihre Angehörigen mit eigenen Händen aus den Trümmern bergen.
UNICEF berichtet von "apokalyptischen Zuständen"
Zahlreiche Straßen wurden zerstört, was die Lieferung von Hilfsgütern oder auch die Ankunft weiterer Helfender weiter erschwerte. Erste Teams von Helfenden mussten zu Fuß oder auf Eseln in die betroffenen Gebiete vordringen.
Inzwischen wurden Zufahrtswege teilweise wieder freigeräumt, was die Anfahrt von Hilfsgütern vereinfacht. Doch ist der Zugang zu vielen Bergdörfern weiterhin schwierig.
Daniel Timme, Kommunikationsleiter von UNICEF in Afghanistan, beschreibt die Lage im Gespräch mit der Redaktion als "apokalyptisch": "Ich bin vor einer Woche im Erdbebengebiet gewesen. Dort liegen Menschen zum Teil noch unter den Trümmern. Und langsam breitet sich schon der Gestank von Verwesung aus."
Nach Angaben von UNICEF sind mindestens 1.172 Kinder durch das Beben ums Leben gekommen. Diejenigen, die überlebt haben, brauchen dringend Unterstützung. Besonders wichtig war es laut Timme, sauberes Wasser zu den Menschen zu bringen, da sich ansonsten Krankheiten ungehindert ausbreiten könnten. Durch verunreinigtes Wasser entstehen vor allem Durchfallerkrankungen, die besonders für Kinder gefährlich sind.
Jedoch sei es zu Beginn kaum möglich gewesen, Tanklaster mit sauberem Wasser in die betroffenen Regionen zu bringen, berichtet Timme. "Deswegen haben unsere Teams erst einmal Reinigungstabletten für Wasser ausgeteilt. Im Wesentlichen ist das Chlor, welches das Wasser von Keimen reinigt."
Nachbeben belasten die Menschen vor Ort
Auch knapp drei Wochen nach dem Erdbeben ist die Gefahr noch nicht gebannt. Immer wieder erschüttern schwere Nachbeben die Region, zuletzt eines am 17. September mit einer Stärke von 4,4. Das führte dazu, dass viele Menschen aus Angst ihre Dörfer in den Bergen verlassen, um im Tal Zuflucht zu suchen. "Die Erde bebt hier alle paar Stunden", sagt der Kommunikationsleiter von UNICEF.
Im Tal wurden Camps eingerichtet, in denen Hilfsorganisationen sich um die Betroffenen kümmern. UNICEF unterstützt in Afghanistan unter anderem mehrere Krankenhäuser, in denen Verletze medizinisch versorgt werden.

Schutzräume helfen Kindern, das Erlebte zu verarbeiten
Die Kinder, die das Erdbeben miterlebt haben, sind zum Teil schwer traumatisiert. Einige haben ihre Eltern oder Familienmitglieder verloren, mussten mitansehen und -hören, wie diese unter Trümmern verschwanden und bis zuletzt um Hilfe schrien.
Für Kinder sei es daher besonders wichtig, sichere Orte einzurichten, in denen sie betreut werden können, sagt Timme. "Die Lage vor Ort ist sehr chaotisch und gefährlich. Überall liegen Trümmer." Erst letzte Woche hätten er und sein Team in einem der Bergdörfer miterlebt, wie ein Kleinkind von einem Schutthaufen in einen Fluss gefallen und ertrunken ist. "Es ist schwer, sowas zu vergessen", sagt er.
Empfehlungen der Redaktion
In den von UNICEF eingerichteten Schutzräumen, können die Kinder Zuflucht finden - insbesondere diejenigen, die keine Eltern oder weitere Familienmitglieder mehr haben. Dort gibt es psychologisch geschultes Personal, das versucht, das Erlebte mit den Kindern aufzuarbeiten. Zudem bemüht sich UNICEF, weitere Familienmitglieder der Kinder ausfindig zu machen und diese zusammenzuführen.
Trotz all des Schreckens ist Daniel Timme jedoch froh zu sehen, dass es möglich ist, etwas für die Kinder zu tun und dass die Hilfe dort ankommt, wo sie am nötigsten ist: "Wir können mit eigenen Augen sehen, wie wichtig diese Kinderzentren sind. Es ist schön zu sehen, dass die Kinder dort betreut werden, spielen und sich ein bisschen ablenken können von dieser apokalyptischen Lage außerhalb des Zeltes."
Verwendete Quellen
- Gespräch mit Daniel Timme