In Österreich darf jeder seine Religion frei ausüben und die dazugehörigen Bräuche pflegen. Auch dann, wenn diese Bräuche eigentlich gegen andere Gesetze verstoßen. Nur in Ausnahmefällen darf der Staat die Religionsfreiheit einschränken.

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Seit 1781 herrscht in Österreich eine Religionsfreiheit, auch wenn sie damals nicht sonderlich ausgeprägt war. Heute garantiert sie als Grundrecht den Gläubigen weitreichende Freiheiten in der Ausübung ihrer Religion. Dabei muss zwischen den Rechten von Religionsgemeinschaften und den Rechten von Einzelpersonen unterschieden werden. Und auch die Religionsgemeinschaften haben nicht alle die gleichen Rechte.

Ob eine Religion zum Beispiel eine eigene Schule gründen darf oder Steuerbegünstigungen erhält, hängt davon ab, ob sie als Kirche oder Religionsgesellschaft anerkannt ist. Die Rechte der einzelnen Bürger sind allerdings alle gleich: Jeder verfügt über das gleiche Ausmaß an Freiheit.

Im Zweifel entscheidet das Gericht

Dennoch gibt es in der Praxis Unterschiede: Die Religionsfreiheit stößt an ihre Grenzen, wenn ihre Ausübung als sittenwidrig gilt oder nicht mit der öffentlichen Ordnung vereinbar ist. Das ist etwa bei der Heirat von Minderjährigen oder körperlicher Züchtigung der Fall. Im Zweifelsfall muss der Verfassungsgerichtshof entscheiden, wie "öffentliche Ordnung" und "gute Sitte" auszulegen sind.

Das ist etwa beim Schächten der Fall. Dieses besondere Schlachtungsritual findet vorwiegend im Judentum und im Islam Anwendung. Das Tier wird dabei mit einem einzigen Schnitt getötet und darf zuvor nicht betäubt werden. In einigen Bundesländern war das Schächten verboten: Das Tierschutzgesetz verlangt, dass Tiere vor ihrer Schlachtung betäubt werden.

Der österreichische Verfassungsgerichtshof entschied jedoch 1998, dass das Schächten unter den Schutz der Religionsfreiheit fällt. Und da das Ritual sowohl mit der öffentlichen Ordnung als auch den guten Sitten vereinbar sei, könne es kein Verbot geben. Die tierschutzrechtlichen Aspekte seien dafür keine hinreichende Rechtfertigung.

Trotz seiner gesellschaftlichen Bedeutung ist der Tierschutz der Religionsfreiheit untergeordnet, urteilte der Verfassungsgerichtshof. Das Verbot der Schlachtung ohne Betäubung wurde daher für das besondere Ritual der Schächtung aufgehoben - allerdings unter strengen Auflagen. So braucht die Schlachtungseinrichtung eine behördliche Zulassung, es muss ein Tierarzt anwesend sein und das Tier muss unmittelbar nach dem Schnitt betäubt werden.

Eigene Gesetze halten Rechte einzelner Religionen fest

Im Israelitengesetz, das 2012 verabschiedet wurde, wird der jüdischen Glaubensgemeinschaft sogar explizit ein Recht auf die Herstellung von Fleischprodukten nach ihren Glaubensvorschriften garantiert. Das umfasst auch das Schächten. Für Angehörige der islamischen Glaubensgemeinschaft ist im Zuge einer Überarbeitung des Islamgesetzes ein gleiches Recht vorgesehen.

Zur Religionsfreiheit gehört auch das Recht, religiöse Symbole zu tragen, etwa ein Kopftuch. In Österreich wird dieses Recht nahezu uneingeschränkt garantiert. Frauen darf weder am Arbeitsplatz noch an Schulen oder Universitäten das Tragen eines Kopftuches verboten werden.

Frankreich trennt Kirche und Staat deutlicher

Einschränkungen gibt es nur, wenn zum Beispiel hygienische Bestimmungen in Krankenhäusern dagegen sprechen. Andere Länder haben hier strengere Auflagen. In Frankreich etwa werden Religion und Staat viel konsequenter getrennt als in Österreich. An staatlichen Bildungseinrichtungen dürfen deshalb keine auffälligen religiösen Symbole getragen werden - also auch kein Kopftuch. Außerhalb von staatlichen Einrichtungen gilt dieses Verbot nicht. Mit einer Einschränkung: der Burka, einem Ganzkörperschleier der in Frankreich seit 2011 verboten ist.

Die Regierung rechtfertigte ihr Gesetz damit, dass sich die Frauen mit der Verschleierung ihres Gesichts der Gesellschaft entziehen würden. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte bestätigte die Regelung im Juli 2014. Zwar sei sie eine Beschneidung der Religionsfreiheit, doch die Verschleierung des Gesichts könne als Störung der öffentlichen Ordnung gewertet werden und rechtfertige damit ein Verbot.
Österreich könnte damit das Tragen von Burkas ebenfalls verbieten. Die FPÖ hatte im Sommer einen entsprechenden Antrag eingebracht, der jedoch keine Mehrheit fand. Gegner eines Verbots sehen aufgrund der äußerst geringen Zahl an Burka-Trägerinnen in Österreich zum einen gar keinen Anlass. Zum anderen wird bezweifelt, dass ein Verbot der richtige Weg sei. Und schließlich gibt es auch Bedenken, dass mit dem Verbot arabische Touristinnen abgeschreckt werden könnten.

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