Blaue Wildwarnreflektoren sollen Wildtiere von Straßen fernhalten. Was sie bewirken, welche Kritik es gibt – und welche Alternativen zur Prävention bestehen.

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An zahlreichen Landstraßen in Deutschland sind sie zu sehen: kleine, bläulich schimmernde Kunststoffteile, montiert an den Leitpfosten entlang von Waldrändern. Die sogenannten Wildwarnreflektoren sollen Wildtiere davon abhalten, unvermittelt die Fahrbahn zu überqueren – insbesondere bei Dunkelheit. Während sich diese Maßnahme in vielen Regionen etabliert hat, wird ihre tatsächliche Wirksamkeit zunehmend hinterfragt.

Ziel der blauen Reflektoren: Reduzierung von Wildunfällen

Der Hintergrund der blauen Reflektoren ist klar umrissen: Jährlich ereignen sich laut Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) rund 280.000 Wildunfälle auf deutschen Straßen – mit hohem Sachschaden und nicht selten auch Verletzten oder Toten. Besonders häufig betroffen sind Landstraßen in waldreichen Regionen, auf denen plötzlich überquerendes Wild eine erhebliche Gefahr darstellt.

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Die blauen Reflektoren sollen in solchen Gebieten vorbeugend wirken. Sie reflektieren das Licht von Fahrzeugscheinwerfern im spitzen Winkel in den angrenzenden Straßenrand. Die dabei entstehenden Lichtimpulse – meist im blauen Spektrum – sollen eine visuelle Barriere erzeugen, die Wildtiere vom Betreten der Fahrbahn abhält, solange sich ein Fahrzeug nähert. Die gewählte Farbe basiert auf der Annahme, dass viele Wildarten Blau stärker wahrnehmen als Rot- oder Grüntöne und auf diese Reize mit Fluchtverhalten reagieren.

Die Einführung dieser Wildwarnsysteme war zunächst vielversprechend: Erste lokale Untersuchungen und Erfahrungsberichte ließen vermuten, dass Wildunfälle dort zurückgingen, wo die Reflektoren systematisch installiert wurden. Entsprechend wurde die Maßnahme in mehreren Bundesländern in Abstimmung mit Forstämtern, Straßenmeistereien und Verkehrsbehörden umgesetzt.

Wissenschaftliche Studien stellen Wirksamkeit infrage

Trotz ihrer weiten Verbreitung mehrten sich in den letzten Jahren Zweifel an der tatsächlichen Effektivität der blauen Reflektoren. Die bisher umfassendste Untersuchung stammt von der Unfallforschung der Versicherer (UDV) in Kooperation mit der Universität Göttingen und der Universität Zürich.

Das Ergebnis: Die Reflektoren zeigten keinen signifikanten Einfluss auf die Zahl der Wildunfälle. Auch das Verhalten der Tiere ließ sich durch die Installation der Lichtreflexe nicht eindeutig verändern. Die Studienautoren kamen zu dem Schluss, dass die visuelle Barrierewirkung offenbar nicht wie erhofft greift – etwa weil Tiere sich an die Lichtsignale gewöhnen oder sie schlicht nicht als bedrohlich empfinden.

Eine weitere Kritik richtet sich gegen die einheitliche Farbwahl. Zwar wird angenommen, dass viele Wildarten Blautöne stärker wahrnehmen als Menschen, doch gibt es bisher keine gesicherten Belege dafür, dass die Farbe tatsächlich eine abschreckende Wirkung entfaltet. Auch andere Institutionen wie die Forstliche Versuchs- und Forschungsanstalt Baden-Württemberg kommen zu ähnlichen Einschätzungen: Der präventive Effekt sei – wenn überhaupt vorhanden – gering.

Zwischen Versuch und Verbesserung: Potenziale und Alternativen

Trotz der wissenschaftlich belegten Skepsis bleibt die Intention hinter den Reflektoren nachvollziehbar. Sie sind kostengünstig, leicht zu installieren und wartungsarm – verglichen mit baulichen Maßnahmen wie Wildzäunen oder Grünbrücken. Für Kommunen und Landesbehörden bot sich mit ihnen eine pragmatische Lösung an, um besonders gefährdete Streckenabschnitte schnell und flächendeckend zu sichern.

Fachleute betonen jedoch, dass Wildunfallprävention langfristig nur mit einem Maßnahmenmix erfolgversprechend ist. Technisch aufwendigere Systeme – etwa Wildwarnanlagen mit Bewegungsmeldern oder akustische Tiervertreibungssysteme – könnten gezielter eingesetzt werden. Ergänzend dazu werden in einigen Bundesländern Wildunfall-Kataster und saisonale Warnschilder verwendet, um Verkehrsteilnehmende gezielt zu sensibilisieren. (elm)

Verwendete Quellen:

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