Erfolgreich abnehmen und dabei das Risiko für chronische Erkrankungen senken – laut der Ärztin Dr. Petra Bracht ist das mit dem Ernährungstrend Intervallfasten ganz einfach möglich. Ein Gespräch über die Auswirkungen von Hungerphasen auf den Körper, warum Kohlenhydrate zum Abnehmen wichtig sind - und wie Intervallfasten wirklich gelingt.

Ein Interview

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Sie selbst machen bereits seit über 30 Jahren Intervallfasten. Wie kam es dazu?

Dr. Petra Bracht: Ich bin überzeugt davon, dass sich der Körper in Bezug auf Verdauung auch mal ausruhen muss. Das erreicht man durch eine lange Fastenzeit, in der sich Bauchspeicheldrüse, Leber, Galle, Niere und natürlich unser gesamtes Verdauungssystem regenerieren können. Außerdem habe ich in meiner Praxis damit teils unglaubliche Heilungsverläufe begleitet. Das hat mich absolut fasziniert.

Mit der Zeit kamen dann die ersten Ergebnisse aus der Forschung, die die Vorteile des Intervallfastens bestätigt haben. Für uns naturheilkundliche Ärzte und Ernährungsmediziner war das ein Durchbruch, da wir unser Wissen bis daher hauptsächlich aus der Erfahrung hatten.

Wie empfehlenswert ist Intervallfasten zum Abnehmen?

Wenn man in den acht Stunden am Tag, in denen man beim Intervallfasten Nahrung zu sich nehmen darf, auch normal isst und nicht übermäßig zuschlägt, kann man super abnehmen.

Dazu gab es auch eindeutige Versuche an Mäusen: Eine Gruppe hat über 24 Stunden verteilt eine bestimmte Kalorienanzahl erhalten, während eine andere Gruppe die gleiche Anzahl über acht Stunden hinweg bekommen hat. Herausgekommen ist, dass die erste Gruppe konstant zugenommen hat und krank geworden ist, im Gegensatz zu der Mäusegruppe, die nur acht Stunden lang Nahrung bekommen hat. Die haben abgenommen, hatten keine Krankheiten – und haben doppelt so lange gelebt!

Was muss man beachten, damit das Abnehmen gelingt?

Wichtig beim Intervallfasten sind die drei Ws:

  • Wann essen
  • Wie essen
  • Was essen

Wann man isst, kann sich jeder selbst aussuchen – Hauptsache, innerhalb von acht Stunden. Wenn man gerne frühstückt, hört man um 16 Uhr auf zu essen. Man kann aber auch um 12 Uhr mittags die erste Mahlzeit zu sich nehmen und hört um 20 Uhr auf, wenn man zum Beispiel abends gerne mit der Familie zusammen essen möchte. Wichtig sind jedoch immer die 16 Stunden Pause.

Beim "Wie essen" ist entscheidend, dass man ordentlich kaut. Dadurch helfen wir unserem Verdauungstrakt nämlich enorm. So kann der Körper Nahrung besser verwerten, Leber und Darm müssen nicht so viel arbeiten und die vielen gesunden Darmbakterien werden gefüttert. Schließlich ist die Darmgesundheit verantwortlich für unsere körperliche Gesundheit, das weiß man heute mit immer größerer Sicherheit.

Mein Trick: Ich nehme eine volle Gabel in den Mund und lege sie danach direkt wieder zur Seite. Erst wenn ich gut gekaut und runtergeschluckt habe, nehme ich die Gabel wieder auf. So isst man automatisch langsamer.

Und wie entscheidend ist, WAS man isst?

Bevor man anfängt zu essen, ist es erst mal ganz wichtig, dass man viel getrunken hat, am besten stilles Wasser. Denn auch wenn man nichts gegessen hat, scheidet der Körper Stoffe aus. Das kann er besser, wenn er genügend Flüssigkeit hat. Außerdem fühlt man sich dadurch bereits ein wenig satt. Das hilft gut, wenn man abnehmen möchte.

Was man essen sollte: Mittags mehr Kohlenhydrate, aber bitte vollwertige! Also keinen industriellen Zucker, sondern Lebensmittel wie Brot, Reis und Nudeln aus Vollkornmehl, dazu viel Gemüse und Salat. Die letzte Mahlzeit am Abend sollte eiweißhaltig sein und beispielsweise mit vielen Hülsenfrüchten bestückt sein.

Aber wenn es ums Abnehmen geht, werden Kohlenhydrate ja oftmals verteufelt …

Unser Körper braucht Kohlenhydrate. 50 bis 60 Prozent der zugeführten Nährstoffe sollten aus vollwertigen Kohlenhydraten bestehen, 20 bis 30 Prozent aus Fetten und 20 bis 30 Prozent aus Proteinen. Meines Erachtens ist eine Low-Carb-Ernährung gefährlich – vor allem wenn man das länger macht. Zum kurzfristigen Abnehmen kann es funktionieren, vor allem bei übergewichtigen Menschen mit Diabetes.

Doch ich habe viele Patienten in meiner Praxis, die sich über ein oder zwei Jahre so ernährt haben. Ihre Blutwerte sind nicht in Ordnung, meistens entwickeln sie eine Fettleber. Außerdem haben sie letztendlich eher wieder zugenommen, da die Stoffwechselvorgänge durcheinander geraten sind.

Die Gefahr des Jo-Jo-Effekts ist bei dieser Ernährung besonders groß. Denn wenn man ausgewogen isst, hat man auch grundsätzlich weniger Hunger, weil der Körper alle Stoffe bekommt, die er braucht. Ich bin überzeugt davon, dass viele Menschen heutzutage zu viel essen, weil sie sich zu einseitig ernähren und dadurch bestimmte Nährstoffe fehlen. Deswegen wird immer weitergegessen, weil der Körper signalisiert, dass er noch nicht alle Stoffe hat, die er eigentlich braucht.

Gerade am Anfang einer Diät ist die Umstellung manchmal besonders schwierig. Müssen es beim Intervallfasten von Beginn an 16 Stunden Essenspause sein – oder kann man auch mit weniger starten und sich langsam steigern?

Das finde ich schwierig. Frauen sollten mindestens 14 Stunden fasten, um einen Effekt zu erzielen. Bei Männern sind es sogar 15 oder 16 Stunden. Ich würde daher mit mindestens 14 Stunden anfangen und dann jeden Tag eine halbe Stunde mehr fasten, bis man bei 16 Stunden angekommen ist.

Die ersten zwei oder drei Tage sind möglicherweise hart, aber danach spürt man schnell eine Veränderung. Dann wird es leichter. Unser Gehirn ist wie ein Muskel. Je öfter wir etwas trainieren, umso leichter fällt es uns dann.

Ist während der 16 Stunden Fastenzeit wirklich rein gar nichts erlaubt?

Noch ist unklar, wie viel Kalorien wir zu uns nehmen dürfen, ohne dass der Effekt unterbrochen ist. Zwar wird aktuell viel rund um das Intervallfasten geforscht, unter anderem an der Berliner Charité.

Ob man nun zum Beispiel ein Zitronenwasser trinken darf, ohne dass der Effekt unterbrochen ist, weiß man noch nicht. Deshalb empfehle ich, am besten gar nichts aufzunehmen – also auch keinen Cappuccino am Morgen!

Was aber ganz wichtig ist: Intervallfasten ist kein Dogma. Wenn mal ein Tag kommt, an dem man sich nicht dran halten kann, ist das eben ein "Cheat Day". Da sollte man flexibel sein – und am nächsten Tag geht’s einfach wieder weiter! Natürlich sind sieben Tage Intervallfasten optimal, aber ein Tag ist besser als keiner und fünf Tage Intervallfasten sind noch besser als zwei – insbesondere wenn es um den gesundheitlichen Aspekt geht.

Sie empfehlen Intervallfasten nicht nur zum Abnehmen, sondern auch als Gesundheitsvorsorge. Woher kommt dieser Ansatz?

Während der Fastenzeit schaltet der Körper nicht nur automatisch auf Fettverbrennung um, es springt auch ein Reparaturmechanismus an. Dieser Effekt des Intervallfastens wurde bereits 2016 mit dem Medizinnobelpreis bestätigt. Man nennt diesen Prozess Autophagie. Dabei fängt der Körper an, sich selbst zu reparieren.

Hintergrund ist folgender: Beim Intervallfasten bedient sich der Körper des Bauchfetts, sobald er Energie benötigt. Heutzutage wissen wir, dass Bauchfett chronische Entzündungen fördert, die wiederum mitverantwortlich für die meisten Zivilisationskrankheiten wie Herz-Kreislauf-, Krebs- oder Autoimmunerkrankungen sein können. Durch das Intervallfasten sind somit weniger Botenstoffe vorhanden, die zu chronischen Entzündungen führen.

Außerdem werden unsere Zellen entmüllt, indem verbrauchte Zellbestandteile recycelt und in neue umgebaut werden.

Ganz unabhängig davon, was man in den acht Stunden dann isst?

Egal, was man tatsächlich isst: Der Körper repariert in der Fastenzeit auf jeden Fall. Wenn man das mit einer vollwertigen Pflanzenkost kombiniert, kann man tatsächlich auch bei schweren Erkrankungen in den Heilungsprozess gehen, beispielsweise bei Autoimmunerkrankungen wie Multipler Sklerose oder schweren Nierenerkrankungen, die Patienten eigentlich schon zur Dialyse hätten führen müssen. Oder bei koronaren Herzerkrankungen, wenn die Gefäße eigentlich schon zu sind.

Erfahrungen mit sogenannten Vollremissionen, also wenn schwer kranke Menschen plötzlich gesund werden, habe ich in meiner Praxis immer wieder gemacht – nur durch die Kombination aus gesunder Ernährung und Intervallfasten. Denn gute Lebensmittel können wie gute Medizin wirken – und das ganz ohne Nebenwirkungen.

Dr. med. Petra Bracht ist Ärztin für Allgemeinmedizin und Naturheilverfahren und hat sich auf die Bereiche Schmerzen und Ernährung spezialisiert. Gemeinsam mit ihrem Mann, dem Schmerzspezialisten Roland Liebscher-Bracht, leitet die Intervallfastenexpertin ein Gesundheitszentrum in Bad Homburg. Ihr aktuelles Buch ist "Meine Gesundheitsformel - Gesund, schlank, glücklich".

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