In den USA ist erstmals ein Medikament zugelassen worden, das einer HIV-Infektion vorbeugen kann. Die Tabletten namens Truvada sollen keine Kondome ersetzen. Vielmehr bieten sie den Lebensgefährten von HIV-positiven Personen zusätzlichen Schutz vor einer Ansteckung. In Deutschland ist das Arzneimittel für diesen Zweck noch nicht zugelassen. Doch auch hierzulande stellt sich für die Partner von HIV-Infizierten die Frage: Wie lebt man die körperliche Liebe aus, ohne sich einem Ansteckungsrisiko auszusetzen?

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Sexuelle Aktivitäten mit einer HIV-infizierten Person bergen ein Ansteckungsrisiko, sobald Körperflüssigkeiten - vor allem Blut, Sperma, Scheidenflüssigkeit und der Flüssigkeitsfilm auf der Darmschleimhaut - mit der Schleimhaut der Scheide, des Enddarms oder des Penis in Kontakt kommen. Safer Sex ist daher maßgeblich, wenn es um den Schutz vor HIV geht. Wir haben mit Holger Wicht von der Deutschen AIDS-Hilfe gesprochen. Seinen Angaben zufolge lässt sich das Ansteckungsrisiko mittels Kondomen nahezu ausschließen: "Safer Sex funktioniert sehr gut. Kondome bieten ungefähr einen 95-prozentigen Schutz."

Es sei sogar möglich, mit einem HIV-positiven Partner ungeschützten Geschlechtsverkehr zu haben. Die Medikamente, mit denen infizierte Patienten behandelt werden, können das Virus laut Holger Wicht nicht zerstören. Sie dämmen es jedoch soweit ein, dass es in den Körperflüssigkeiten nicht mehr nachweisbar und damit auch nicht auf den gesunden Partner übertragbar ist. Eine Sammelstudie belege, dass solche Therapien mit einer Sicherheit von 96 Prozent mindestens so gut wie Kondome vor einer Infektion schützen. Unter bestimmten Bedingungen und in Rücksprache mit dem behandelnden Arzt könne in diesen Fällen also auf zusätzlichen Schutz verzichtet werden. Sogar einem Kinderwunsch stehe dadurch - ohne Gesundheitsrisiken für das Baby - nichts im Weg.

Safer Sex sowie HIV-Therapien ermöglichen laut Holger Wicht also auch mit einem HIV-positiven Partner eine normale Beziehung. "Das größte Ansteckungsrisiko ist die Angst vor Ausgrenzung: Um eine Infektion zu verheimlichen, kommt es mitunter zu ungeschütztem Sex", gibt er zu bedenken.

Im alltäglichen Leben dagegen besteht auch bei unbehandelten Menschen keine Ansteckungsgefahr, denn HIV ist schwer übertragbar. Die Haut stelle eine sichere Barriere dar, so Holger Wicht. Ein Restrisiko bestehe dann, wenn Gegenstände, an denen Blut haften kann, geteilt werden. "Dazu zählen zum Beispiel Zahnbürste und Rasierer, aber auch die Nagelschere. Es besteht aber kein Grund, sich verrückt zu machen. Man kann sich nicht durch bloßes Zusammenwohnen infizieren."

Geht beim Sex doch einmal etwas schief, gibt es die Möglichkeit der sogenannten Postexpositionsprophylaxe (PEP). Bei Verdacht auf Ansteckung wird dem Betroffenen im Idealfall innerhalb von zwei Stunden, spätestens nach 48 Stunden eine Kombination aus mindestens drei verschiedenen Medikamenten verabreicht. Über einen Zeitraum von einem Monat angewendet, stehen die Chancen gut, eine HIV-Infektion zu verhindern.

Die medikamentösen Therapien haben laut Holger Wicht von der Deutschen AIDS-Hilfe einen Durchbruch erzielt: Sexualität mit einem HIV-positiven Partner könne ohne Angst gelebt werden. Könnte darüber hinaus ein Medikament wie Truvada auch in Deutschland einen wertvollen Beitrag zur Vorbeugung leisten? Nach Ansicht von Holger Wicht ist das noch unklar: "Wir halten die Zulassung für verfrüht, man muss das erst weiter erforschen. Im Gegensatz zur gängigen Praxis in Deutschland werden durch Truvada gesunde Menschen mit Medikamenten belastet." Dabei zeige das Arzneimittel mit einer Schutzwirkung zwischen 44 und 73 Prozent sogar weit weniger Erfolg gegen eine Ansteckung – und das auch nur, wenn es sehr gewissenhaft und dauerhaft eingenommen wird. "Dem eine zu große Bedeutung beizumessen, ist riskant. Es wird mit Sicherheit kein Mittel der Prävention für die breite Masse sein."

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