Auf einer Mega-Baustelle in Baden-Württemberg kracht eine Gondel in die Tiefe. Drei Bauarbeiter sterben sofort. Die Suche nach der Unfallursache läuft. Die Polizei spricht von komplexen Ermittlungen.
Ein Stahlseil ist gerissen, drei Bauarbeiter sind tot: Einen Tag nach dem tödlichen Absturz einer Gondel auf einer Brückenbaustelle im baden-württembergischen Horb am Neckar suchen die Ermittler mit Hochdruck nach einer Erklärung dafür, wie es zu dem Unglück kommen konnte.
Die mit den drei Männern besetzte Transportgondel war am Dienstag von einem Kran mit Hilfe des Stahlseiles in die Höhe gezogen worden und stürzte dann unvermittelt in die Tiefe. Die Bauarbeiter, zwei Polen und ein Deutscher im Alter zwischen 40 und 46 Jahren, waren sofort tot.
Warum das Seil riss, ist unklar, wie die Ermittler berichteten. Ein Sachverständiger sei hinzugezogen worden. Auch Zeugen würden befragt. Die Baustelle ruht nach Worten der für die Brückenarbeiten verantwortlichen Firma Porr noch mindestens diese Woche.
Verkehrsminister legt Blumen nieder
Baden-Württembergs Verkehrsminister Winfried Hermann (Grüne) legte gemeinsam mit Regierungspräsidentin Sylvia M. Felder (CDU) und Horbs Oberbürgermeister Peter Rosenberger (CDU) bei strömendem Regen Blumen in unmittelbarer Nähe des Unglücksortes nieder. Dort lagen bereits viele Blumen, auch Kerzen brannten. Die Notfallseelsorger hatten den Platz auf einer Wiese zum Gedenken eingerichtet.
Gondel laut Polizei nicht überladen gewesen
Laut Polizei hatten die Männer die mit einem Stahlseil an einem Kran befestigte Transportgondel am Dienstagmittag bestiegen, um auf der Baustelle der Neckartalbrücke nach oben zu Arbeiten auf einem Brückenpfeiler befördert zu werden. Dann stürzte die Gondel aus großer Höhe ab, wie es hieß.
Überladen war sie bisherigen Erkenntnissen zufolge nicht. Es handele sich um eine Personentransportgondel. "Die Nutzung durch drei Personen entsprach den Vorgaben", sagte ein Polizeisprecher. Weitere Details - etwa für wieviele Personen insgesamt die Gondel ausgelegt war - wurden nicht genannt. Laut Staatsanwaltschaft wurde der Ort des Ereignisses inzwischen freigegeben. Alle Spuren seien gesichert worden.
Eine Augenzeugin, Inhaberin einer gegenüberliegenden Pizzeria, berichtete nach dem Unglück von einem lauten Knall. Sie habe Geschrei und das Weinen von Menschen gehört. Sie habe zunächst geglaubt, dass etwas von oben auf die Bauarbeiter gefallen sei, und nicht realisiert, dass die Gondel selber abgestürzt sei. "Das war ein Schock", sagte sie.
Langes Warten auf Gutachten
Normalerweise bestünden solche Stahlseile aus Kohlenstoffstahl, also korrosionsempfindlichem und damit nicht rostfreiem Stahl, sagte Thomas Ummenhofer, Professor für Stahl- und Leichtmetallbau am Karlsruher Institut für Technologie (KIT) und Prüfingenieur für Bautechnik. Sie seien aus einzelnen Strängen, Litzen genannt, aufgebaut. Man müsse nun beispielsweise schauen, ob diese vorher schon beschädigt gewesen seien. Details zum Fall in Horb kenne er aber nicht.
Wenn Stahlseile reißen, könnte zum Beispiel eine Überbeanspruchung des Materials oder unsachgemäße Lagerung die Ursache sein. Zunächst werde ein solches Seil mit bloßem Auge begutachtet und dann mikroskopisch untersucht. Entsprechende Gutachten dauerten Monate, sagte Ummenhofer, der auch selbst als Gutachter arbeitet.
Brücke soll bis zu 90 Meter hoch werden
Minister Hermann betonte, die Arbeit für Menschen auf solchen Baustellen sei immer noch sehr gefährlich. "Deswegen ist der Arbeitsschutz, das ist Sicherheit, ganz wichtig." Unfälle dieser Art gebe es in Baden-Württemberg nicht häufig. Dass es nun gleich drei Menschen getroffen habe, sei sehr drastisch. Er könne sich in seiner Amtszeit nicht erinnern, dass im Südwesten mehr als ein Mensch auf einer Baustelle umgekommen sei.
Rathauschef Rosenberger sprach von tiefer Trauer. Das Brückenprojekt sei ein Jahrhundertprojekt, ein Vorzeigeprojekt gewesen. "Jetzt ist es verbunden mit drei Toten." Regierungspräsidentin Felder dankte dem Team der Baustelle und den Helferinnen und Helfern von Polizei, Feuerwehr und Notfallseelsorgern.
Die Hochbrücke ist Teil eines umfangreichen Straßenbauprojekts. Sie soll künftig den Verkehr auf der Bundesstraße 32 über das Neckartal führen. Bisher führt die Bundesstraße ins Tal hinunter und durch die Innenstadt von Horb. Nach Angaben des Regierungspräsidiums Karlsruhe soll die Brücke 2.100 Meter lang werden und bis zu 90 Meter hoch sein. Die Verkehrsfreigabe war demnach bis voraussichtlich 2028 geplant.
Horb am Neckar liegt rund 50 Kilometer südlich der Landeshauptstadt Stuttgart im Landkreis Freudenstadt. Die Stadt hatte 2023 rund 25.700 Einwohner. (dpa/bearbeitet von amb)