Im Prozess um die mutmaßlichen Übergriffe auf eine Wiener Lehrerin schilderten weitere Jugendliche ihre Version der Ereignisse. Während die Angeklagten jede Schuld abstreiten, wirft die Anklage ihnen Vergewaltigung, Erpressung und Brandstiftung vor.
Am Wiener Landesgericht ist am Mittwoch der Prozess um eine Lehrerin fortgesetzt worden, der laut Anklage von Juli 2024 bis Jänner 2025 von Burschen im Alter zwischen 14 und 17 ein "Martyrium" zugefügt worden sein soll, wie ihre Rechtsvertreterin Monika Ohmann in der Vorwoche zu Verhandlungsbeginn betont hatte. Nach der Befragung der Hauptangeklagten - ein 15-jähriger Iraker, ein 17-jähriger Rumäne und ein 15-jähriger Afghane - kamen drei weitere Beschuldigte zu Wort.
Die drei Hauptangeklagten befinden sich seit acht Monaten in U-Haft. Sie sind zu den zentralen Vorwürfen - Vergewaltigung, sexueller Missbrauch und schwere Erpressung - nicht geständig. Insgesamt müssen sich sieben Burschen vor einem Schöffensenat verantworten, darunter ein 17-Jähriger, mit dem die Lehrerin ein einvernehmliches und daher strafrechtlich unbedenkliches sexuelles Verhältnis gehabt haben soll. Der Jugendliche war in diesem Zeitraum 16 Jahre alt. Ihm wird lediglich die Beteiligung am Diebstahl einer Spardose (Inhalt: 800 Euro) aus der Wohnung der Lehrerin angekreidet.
14-jähriger Angeklagter: "Und dann wurde Feuer gelegt"
Der jüngste Angeklagte ist erst 14. Er war dabei, als die 15-jährigen Hauptangeklagten in der Nacht auf den 16. Jänner 2025 in die Wohnung der Frau eindrangen, indem einer der beiden mit einem Nothammer eine Scheibe der Terrassentür zertrümmerte und sich so Zutritt verschaffte. Die Frau hielt sich zu diesem Zeitpunkt urlaubsbedingt im Ausland auf. "Ich hab' mir nichts gedacht. Ich bin einfach mitgegangen", erklärte der noch recht kindlich wirkende 14-Jährige dem Gericht. Man habe die Wohnung nach Schmuck und wertvollen Gegenständen durchsucht, die anderen hätten Uhren an sich genommen: "Ich hab' nix genommen."
"Und dann wurde Feuer gelegt", kam der 14-Jährige auf den Brand zu sprechen. Seine Freunde hätten jeweils mit einem Feuerzeug Sachen angezündet: "Dann sind wir im Schlafzimmer aus einem Fenster rausgesprungen." Über die Folgen der Brandstiftung hätte er sich keine Gedanken gemacht: "Ich dachte, es wird nicht so schlimm enden."
Wohnung komplett ausgebrannt
Die Wohnung brannte komplett aus. Nur dank eines raschen Eingreifens der Berufsfeuerwehr konnte ein Übergreifen der Flammen auf andere Wohnungen des Mehrparteienhauses verhindert werden.
Ein weiterer Angeklagter - seinen Angaben zufolge früher der beste Freund des Burschen, der mit der Lehrerin mehrmals Sex hatte - schilderte, wie er erstmals in die Wohnung der Frau gelangt war. Diese habe zu später Stunde seinen Freund kontaktiert und aufgefordert, zu ihr zu kommen, worauf dieser erklärt hätte, er sei mit einer Gruppe Jugendlicher auf einem Feuerwehrfest. "Nimm sie mit", habe die Lehrerin geantwortet. So sei man zu dritt in der Wohnung gelandet, "mich eingeschlossen", gab der 17-Jährige an.
Von der Frau habe er dann erfahren, dass sie mit seinem Freund Sex haben wolle, behauptete der Angeklagte. Sie sie auch an ihm interessiert gewesen, was die Lehrerin allerdings entschieden bestreitet.
Sie behauptet vielmehr, gerade dieser groß gebaute, kräftige Bursche habe sie massiv eingeschüchtert, indem er sich als gewaltbereiter Krimineller - er ist wegen Körperverletzung vorbestraft - zu erkennen gab. Laut Anklage drohte er der Frau, er würde sie "fertig machen, wenn sie die Polizei ruft". Es würden "binnen kurzer Zeit 50 Leute vor ihrer Tür stehen". Deswegen habe sie sich gezwungen gesehen, der Gruppe auf deren Verlangen Drogen, Essen und Tabak zu finanzieren.
"Ich habe sie nie erpresst, ich hab' ihr nie gedroht"
"Ich habe sie nie erpresst, ich hab' ihr nie gedroht", bemerkte dazu der 17-Jährige. Die Frau sei auch nicht bestohlen worden, die abhanden gekommene Spardose habe sie "vielleicht verlegt". Auf die Frage, warum die Lehrerin und die anderen Angeklagten belaste, erwiderte der Jugendliche: "Es geht um Rache." Sie wolle "der Gruppe das heimzahlen, was ihr passiert ist", meinte er unter Anspielung auf das Anzünden ihrer Wohnung.
Unter den Angeklagten befindet sich auch ein 16-Jähriger, den die Lehrerin bis 2024 unterrichtet hatte. "Es gab keine Vergewaltigung. Zu 100 Prozent nicht", deponierte er. Neben der Brandstiftung werden den Hauptangeklagten in unterschiedlicher Zusammensetzung mehrere sexuelle Übergriffe vorgeworfen. Neben Vergewaltigung geht es - was die Delikte gegen die sexuelle Integrität der Betroffenen anlangt - um den sexuellen Missbrauch einer wehrlosen Person und geschlechtliche Nötigung.
"Ich hatte keinen Sex", versicherte der 16-Jährige. Die Frau habe es "ein Mal bei mir versucht, aber ich habe abgelehnt", behauptete er. Auch das deckt sich nicht mit den Angaben der Pädagogin. Dem 16-Jährigen wird auch ein Einbruch in die Schule angekreidet, wozu er geständig war: "Ich hab' alles zertrümmert im Lehrerzimmer. Ich war bekifft und fand es lustig. Jetzt bereue ich die Tat."
Betroffene erlitt posttraumatische Belastungsstörung
Einem im Ermittlungsverfahren eingeholten psychiatrischen Gutachten zufolge erlitt die Frau als kausale Reaktion auf die sexuellen Übergriffe eine chronische Depression und eine posttraumatische Belastungsstörung, die einer schweren Körperverletzung gleichzusetzen ist. Sie wurde im Ermittlungsverfahren kontradiktorisch vernommen und wird in der Hauptverhandlung nicht mehr als Zeugin aussagen.
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Stattdessen wird am Donnerstag ein viereinhalbstündiges Video mit der schonend durchgeführten Befragung der Betroffenen abgespielt. Die Öffentlichkeit dürfte währenddessen aus Opferschutzgründen weitgehend ausgeschlossen werden. Ab 14.30 Uhr soll der psychiatrische Sachverständige sein Gutachten zu den psychischen Folgen der inkriminierten Handlungen erstatten. Zeuginnen und Zeugen sind für kommenden Montag geladen. Sollte die Verhandlung - wie ursprünglich avisiert - am Montag zu Ende gehen, wäre bei sieben Angeklagten mit der Urteilsverkündung zu vorgerückter Stunde zu rechnen. (APA/bearbeitet von skr) © APA