Vor 30 Jahren demonstrieren in München 25.000 Menschen für längere Biergarten-Öffnungszeiten. Im Gespräch mit unserer Redaktion erinnert sich die Initiatorin der "Biergartenrevolution" an die Aktion.

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Es war ein hochemotionaler Tag an jenem 12. Mai 1995 in der bayerischen Landeshauptstadt. Vor dem Münchner Rathaus versammelten sich auf dem berühmten Marienplatz 25.000 Menschen, um zu demonstrieren.

Etliche Demonstranten kamen in Tracht. Auf Schildern standen, bayerisch weiß und blau hinterlegt, Sätze wie: "A mia woin an langa Biergartenabend!" Auf Hochdeutsch: "Auch wir möchten einen langen Abend im Biergarten!"

Biergartenrevolution jährt sich zum dreißigsten Mal

Die gebürtige Münchnerin Ursula Seeboeck-Forster und ihre Mitstreiter hatten zu einer regelrechten "Biergartenrevolution" aufgerufen, wie sie die Demonstration nannten. Sie fanden in der Bevölkerung der Isarmetropole reichlich Unterstützung.

Per Gerichtsentscheid war damals vorgeschrieben worden, dass die legendäre Waldwirtschaft Großhesselohe ihr letztes Bier um 21 Uhr abends ausschenken müsse um die Nachtruhe der Nachbarn nicht zu stören.

Zur Einordnung: Schon seit dem 15. Jahrhundert zog es Menschen zur Einkehr an den idyllischen Ort im Isartal, wie die Süddeutsche Zeitung (SZ) schreibt. Im 19. Jahrhundert musste demnach an Feiertagen schon mal das bayerische Militär anrücken, um den Ansturm an Ausflüglern auf die nur rund 200 Meter oberhalb des Bergflusses Isar gelegene Waldwirtschaft zu ordnen.

Biergärten in München: Gäste bangten um Öffnungszeiten

Dass sie an lauen Sommerabenden schon zu früher Abendstunde wieder gehen sollten, wollten Seeboeck-Forster und andere Initiatoren der bajuwarischen Protestbewegung nicht auf sich sitzen lassen. Die Waldwirtschaft hätte zudem jedes zweite Wochenende schließen müssen, das stand im Gerichtsurteil. "Wir haben uns gesagt: 'So geht das nicht weiter!' Dass wir uns die Münchner Gemütlichkeit und die Liberalitas Bavariae (Ausdruck für bayerische Toleranz, Anm. d. Red.) nicht nehmen lassen können", erklärt Seeboeck-Forster im Gespräch mit unserer Redaktion.

Sie ist bis heute Vorsitzende des Vereins zur Erhaltung der Biergartentradition. Seeboeck-Forster bekräftigt: "Wir wollten nicht nur eine kleine Demo draußen an der Waldwirtschaft, sondern was Großes in ganz München." Denn: Am Hirschgarten, dem nach Plätzen (8000) größten Biergarten der Welt, und an der Menterschwaige – wie die Waldwirtschaft als Kult-Biergarten im Münchner Süden gelegen – hätten Anwohner ihren Informationen zufolge schon in den Startlöchern gestanden, um ebenfalls begrenzte Öffnungszeiten zu fordern.

Seeboeck-Forster ist sich rückblickend sicher: "Wäre ein einziger Biergarten gefallen, hätten wir heute unsere schönen Biergärten nicht mehr."

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Am 12. Mai 1995 war Seeboeck-Forster diejenige, die die Demonstration am Marienplatz mit einer leidenschaftlichen Rede eröffnete. Künstler, wie der bekannte Schauspieler Wolfgang Fierek, unterstützten die etwas andere Protestaktion.

Biergartenrevolution München
Laut einem Gerichtsentscheid sollte in der Waldwirtschaft Großhesselohe das Ausschenken von Bier nach 21 Uhr untersagt werden. © picture alliance/SZ Photo/Claus Schunk

Vom Marienplatz aus zog die Protestmenge weiter an den geschichtsträchtigen und imposanten Odeonsplatz, wo der damalige Ministerpräsident Edmund Stoiber von der CSU sie in Empfang nahm. Der aus Oberbayern stammende Stoiber hatte zur Begeisterung der Demonstranten eine erste Fassung der späteren bayerischen Biergartenverordnung mitgebracht.

Mit Beschluss zum 20. April 1999 schreibt diese offiziell vor, dass bayerische Biergärten von 7 Uhr morgens bis 23 Uhr abends geöffnet haben dürfen und bis 22:30 Uhr Bier ausschenken dürfen. Was Lärmgrenzwerte betrifft, wurden Biergärten mit den Kriterien für Sportstätten gleichgestellt.

Die Emotionen schlugen am 12. Mai 1995 nach Stoibers Empfang am Odeonsplatz derart hohe Wellen, dass die "Revolutionäre" gemeinsam mit dem Regierungschef spontan unter großem Jubel die bayerische Hymne ("Gott mit dir, du Land der Bayern", Anm. d. Red.) sangen, wie sich Seeboeck-Forster erinnert: "Seither sind die großen, echten Biergärten in München gerettet."

Verwendete Quellen