Die Probleme für Russlands Luftfahrtsektor wachsen, die Flugzeugflotte ist veraltet. Nun ist eine Maschine abgestürzt. Es gibt keine Überlebenden.
Nach dem Absturz eines Passagierflugzeugs mit 49 Menschen an Bord in Russland haben Rettungskräfte keine Überlebenden gefunden. "Ein Team des russischen Katastrophenschutzministeriums untersucht den Unglücksort und führt Suchaktionen durch. Bislang wurden keine Überlebenden gefunden", berichtete die staatliche Nachrichtenagentur Tass am Donnerstag unter Berufung auf das Ministerium. Das Flugzeug vom Typ Antonow-24 war im Osten Russlands abgestürzt.
Das Flugzeug war auf dem Weg nach Tynda im Amurgebiet an der Grenze zu China. Ein Mi-8-Helikopter habe den brennenden Flugzeugrumpf entdeckt. Rettungskräfte fanden das brennende Flugzeugwrack rund 15 Kilometer vom Flughafen entfernt. Die Rettungsarbeiten wurden durch die dort vorherrschende Moor- und Taigalandschaft erschwert. Die Gegend ist nur sehr dünn besiedelt.
Während die Rettungskräfte versuchten, an die Unglücksstelle vorzudringen, lief parallel die Suche nach der Absturzursache. Die Maschine vom Typ An-24 galt als alt. Wie inzwischen bekannt wurde, gab es bereits mehrere Vorfälle mit ihr in den vergangenen Jahren.

Bilder der Unfallstelle lassen Schlimmstes vermuten
Die aus dem Rettungshubschrauber aufgenommenen Bilder von der Unglücksstelle lassen das Schlimmste vermuten. Das brennende Wrack liegt mitten in der Taiga, die Bruchstücke sind weit voneinander entfernt.
Der Rettungshubschrauber konnte nicht am Unglücksort landen. Die Bergungstrupps mussten sich zu Fuß zum Absturzort durchschlagen, der 15 bis 16 Kilometer von der Kleinstadt Tynda im Amurgebiet entfernt liegt.
Die Maschine vom Typ An-24 sei auf dem Weg von Blagoweschtschensk nach Tynda im Amurgebiet an der Grenze zu China gewesen, als sie unweit des Zielortes vom Radar verschwunden sei, teilte der Zivilschutz russischen Nachrichtenagenturen zufolge mit. Der Absturz ereignete sich am Nachmittag (Ortszeit) kurz vor der geplanten Landung.
Sie sei beim zweiten Anflug auf Tynda gewesen, als das Signal verschwand, teilten die Behörden mit. Zuvor habe die Crew aber keine Probleme mit dem Flugzeug gemeldet. Die Maschine war zuvor in Chabarowsk gestartet und hatte einen Zwischenstopp in Blagoweschtschensk eingelegt.
Abgestürztes Flugzeug fast 50 Jahre alt
Die An-24 ist eines der ältesten noch betriebenen Passagierflugzeuge weltweit. Die Serienproduktion begann Anfang der 1960er Jahre. 1979 stellte die Sowjetunion die Produktion ein. In der Zeit gingen mehr als 1.300 Antonow-Maschinen in den Dienst. In Betrieb sind wohl noch knapp 60 An-24, die meisten davon in Russland, daneben gibt es in Kasachstan, Nordkorea und der Ukraine vereinzelte Exemplare. Das abgestürzte Flugzeug war fast 50 Jahre alt, verfügte laut Medienberichten jedoch über eine gültige Betriebslizenz bis 2036.
Der russische Luftfahrtsektor hat zunehmend Probleme, auch weil die westlichen Industrieländer nach Beginn des von Kremlchef Wladimir Putin befohlenen Angriffskriegs gegen die Ukraine Sanktionen gegen die Branche verhängt haben. Die Lieferung von Flugzeugen und Ersatzteilen an Russland ist verboten. Das führt dazu, dass viele Airlines im Land immer ältere Maschinen nutzen und außer Dienst gestellte Flugzeuge für Ersatzteile nutzen.
Das trifft die Branche schwer und hat zu Erscheinungen von "Kannibalismus" geführt: Ältere, ausgemusterte Maschinen werden ausgeschlachtet, um die noch flugfähigen Geräte mit Ersatzteilen zu versorgen.
In Russland werden die An-24 von kleineren Regionalfluggesellschaften betrieben. Die sind in der Regel knapp bei Kasse und können sich modernere Flieger nicht leisten. Das gilt auch für die Airline Angara, die nun nach dem Absturz im Fokus steht.
Vier Vorfälle seit 2018
Seit 2018 hat die russische Flugaufsichtsbehörde Rosawijazija offiziell vier sicherheitsrelevante Vorfälle mit dem Flugzeug festgestellt. In dem Jahr rutschte die An-24 in der sibirischen Großstadt Irkutsk nahe dem Baikalsee über die Rollbahn hinaus und stieß gegen einen Lichtmast. Dabei wurde die linke Tragfläche beschädigt. Menschen kamen aber nicht zu Schaden.
2022 gab es während eines Flugs eine gefährliche Annäherung an eine andere Maschine im Luftraum. Im selben Jahr musste die An-24 kurz nach dem Start umkehren, weil der Generator versagte. Im März 2025 wiederum bat die Crew kurz nach dem Start um die Rückkehrerlaubnis, weil eine Funkanlage an Bord ausgefallen war.
Dass die Maschine vor dem Absturz technische Probleme hatte, bestreiten die zuständigen Behörden vor Ort. Bei einer technischen Überprüfung vor dem Start seien keine Auffälligkeiten festgestellt worden. Auch habe die Crew während des Flugs nicht über Probleme berichtet, heißt es.
Boulevardzeitung heizt Spekulationen an
Die russische Boulevardzeitung "Komsomolskaja Prawda" schrieb hingegen unter Berufung auf den Bruder eines Bordmechanikers, dass es technische Probleme gegeben habe: "Sie haben die irgendwie gelöst." Dann sei der Flug wegen Wetterkapriolen verzögert worden. "Zwei Stunden später sind sie losgeflogen."
Die Freundin des Bordmechanikers allerdings widersprach dieser Darstellung. "Er hat geschrieben, dass ein anderes Flugzeug Defekte hatte, nicht seins. Über seins hat er nichts geschrieben, alles wie normal", zitierte das Blatt die junge Frau.
Menschliches Versagen oder technische Panne
Die Staatsanwaltschaft hat nach dem Absturz ein Strafverfahren gegen die Fluggesellschaft Angara wegen des Verstoßes gegen Sicherheitsbestimmungen eingeleitet. Der Zivilschutz nannte als wahrscheinlichste Unglücksursache menschliches Versagen. Die Piloten hätten bei schlechtem Wetter wohl die Höhe falsch eingeschätzt und eine Baumkrone gestreift.
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Das Ermittlungskomitee betonte derweil, beide Versionen zu untersuchen. Neben menschlichem Versagen werde auch untersucht, ob technische Fehler zu der Katastrophe führten. (dpa/afp/bearbeitet von ng, amb und tas)