Politiker haben bereits seit Monaten ein Verbot von Combat 18 gefordert, nun hat Innenminister Horst Seehofer durchgegriffen. Wer steckt hinter dem rechtsextremen Netzwerk gewaltbereiter Neonazis?

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Der Donnerstag am 23. Januar bringt das Ende des Neonazi-Netzwerkes Combat 18 – zumindest offiziell. Bundesinnenminister Horst Seehofer hat die rechtsextreme Gruppe nach Angaben des Innenministeriums verboten. Die Polizei durchsuchte am Morgen mehrere Objekte in sechs Bundesländern.

Schon im Zusammenhang mit den Taten des Nationalsozialistischen Untergrunds (NSU) fiel häufiger der Name der Gruppierung Combat 18 (kurz C18). Sie tauchte immer wieder in Berichten der Sicherheitsbehörden auf. Auch der Tatverdächtige im Fall des im Juni ermordeten Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke soll mit ihr in Kontakt gestanden haben. Und im vergangenen Sommer erhielten mehrere Moscheen in Deutschland sowie die Parteizentralen von SPD und Linken Bombendrohungen. Sie waren unterzeichnet mit Combat 18.

Wer steckt hinter dem Netzwerk? Wie ist es organisiert? Und: Welche Folgen hat das Verbot tatsächlich?

Was bedeutet der Name Combat 18?

Das englische Wort combat bedeutet Kampf – und die Ziffern 1 und 8 stehen für den ersten und achten Buchstaben des Alphabets: A und H, die Initialen Adolf Hitlers.

Wo hat das Netzwerk seinen Ursprung?

Combat 18 wurde 1992 in England gegründet, von Angehörigen der British National Party (BNP). Anfangs agierte sie als deren Saalschutz, um etwa Störungen bei Veranstaltungen zu verhindern.

In Großbritannien fiel die Gruppe nach Angaben des deutschen Verfassungsschutzes in den 90er-Jahren durch Gewalt und Einschüchterung politischer Gegner auf. Es entstand ein Netzwerk, das in vielen europäischen Ländern agierte.

Die Gruppe wollte einen nationalsozialistisch geprägten Staat aufbauen – und propagierte dabei Gewalt als legitimes Mittel. C18 gilt heute als militanter Arm des internationalen Neonazi-Netzwerks Blood and Honour (Blut und Ehre), das in Deutschland bereits seit 2000 verboten ist.

Wie viele deutsche Neonazis fühlen sich der Organisation zugehörig?

Sicherheitsbehörden vermuten, dass Combat 18 nur 20 Mitglieder habe. Nach Angaben des Rechtsextremismus-Experten Dierk Borstel gibt es aber keine gesicherten Zahlen. Der Professor für praxisorientierte Politikwissenschaften an der Fachhochschule Dortmund geht eher von einer zwei- oder dreistelligen als von einer vierstelligen Zahl aus. Aber er betont selbst: "Jegliche Schätzung ist nicht seriös."

Dem Bundesamt für Verfassungsschutz zufolge gab es seit den 2000er-Jahren immer wieder vereinzelte Hinweise auf "lokale C18-Sektionen" in Deutschland. Sie hatten der Einschätzung nach aber keinen Bestand.

Seit einigen Jahren geht die Behörde allerdings davon aus, dass Neonazis die C18-Strukturen im Land ausgebaut haben – bestehend aus "wenigen regionalen Kleingruppen und Einzelpersonen".

Ein Neonazi aus Hessen, Stanley R., gilt als eine zentrale Figur von C18 in Deutschland. "Laut einem internen Vermerk des Landeskriminalamts Hessen soll er möglicherweise sogar Europa-Chef von C18 sein", berichtete das NDR-Magazin Panorama im Juni 2019.

Wie ist das Netzwerk organisiert?

Die Strukturen sind sehr lose und das Netzwerk deswegen schwer durchschaubar, betont Politikwissenschaftler Borstel: "Der Gruppe geht es um führerlosen Widerstand. Jeder einzelne ist dazu aufgerufen, sich als Teil von Combat 18 zu verstehen, sich selbst zu bewaffnen und für sich zu schauen: Wann ist der richtige Zeitpunkt zum Handeln gekommen?"

Es gebe keine Satzung, keine Liste mit Mitgliedern, keine Mitgliederversammlungen. Maximal T-Shirts oder Tätowierungen deuteten nach außen hin auf eine Zugehörigkeit hin.

Polizisten stellten bei den Durchsuchungen am Donnerstag laut Bundesinnenministerium neben Laptops, Tonträgern und NS-Devotionalien auch "waffenrechtlich relevante Gegenstände" sicher. Die Produktion und Verbreitung von Musik mit rechtsextremem Inhalt bildete den Angaben zufolge einen Schwerpunkt der Aktivitäten der Gruppe. Diese habe versucht, über die Musik ihre "menschenverachtende Gesinnung mit rechtsextremistischer und antisemitischer Hetze" in die Gesellschaft hineinzutragen.

Wo tauschen sich die Anhänger aus?

"Viele radikalisieren sich im Internet", sagt Borstel. "Sie finden dort Texte, wie man sich bewaffnet, wie bewaffneter Widerstand funktioniert oder etwa Videos von Attentätern wie zuletzt in Halle."

Sie tauschten sich in überwachungssicheren Messenger-Diensten oder über Foren im Darknet aus. Ein Gemeinschaftsgefühl bekommen die C18-Neonazis dem Experten zufolge etwa über das Blood-and-Honour-Netzwerk, über Musik und Konzerte.

Laut einem als Verschlusssache eingestuften Bericht des Bundesinnenministeriums ist Combat 18 vom Verfassungsschutz intensiv beobachtet worden. Das Netzwerk unterscheide zwischen Vollmitgliedern und Unterstützern und sei vor allem in Süd- und Westdeutschland sowie Thüringen aktiv. Es gebe regelmäßige Pflichttreffen, vor allem am Rande von Konzerten.

Insgesamt 210 Polizisten haben am Donnerstag mehrere Objekte in sechs Bundesländern durchsucht: in Thüringen, Osthessen, Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern, Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz.

Wie gefährlich ist Combat 18?

"Es ist ein gewaltbereites, terroristisches Netzwerk, das unübersichtlich im Dunkelfeld agiert", sagt Borstel. Es gefährde zwar nicht die Sicherheit der Bundesrepublik – aber das Leben einzelner Menschen. Durch die losen Strukturen seien die C-18-Anhänger unberechenbar: "Bei vielen wissen die Behörden nicht: Wo steht derjenige gerade? Wie gefährlich ist er?"

Warum wurde Combat 18 verboten?

Nach Einschätzung der Sicherheitsbehörden richtet sich die gewaltbereite Vereinigung gegen die verfassungsmäßige Ordnung, "da sie mit dem Nationalsozialismus wesensverwandt ist". Das Verbot sei "eine klare Botschaft: Rechtsextremismus und Antisemitismus haben in unserer Gesellschaft keinen Platz", sagte Seehofer.

"Nach Erkenntnissen der Bundes- und Landesverfassungsschutzämter ist 'Combat 18' eine neonazistische, rassistische, fremdenfeindliche, demokratiefeindliche und gewaltbereite Gruppierung", wie das Bundesinnenministerium auf Anfrage unserer Redaktion bereits im vergangenen Herbst mitteilte. Die Aktivitäten seien aufmerksam verfolgt worden.

Zuvor hatten sich sowohl die Regierungs- als auch die Oppositionsparteien für ein Verbot ausgesprochen. Auch die AfD befürwortete im Oktober 2019 ein Verbot der Gruppe.

Welche Folgen hat das Verbot?

Auf Repression folge Innovation, gibt Politikwissenschaftler Borstel zu bedenken. Das Blood-and-Honour-Netzwerk etwa sei mit dem Verbot im Jahr 2000 nicht aus Deutschland verschwunden. "Die Strukturen bestehen immer noch."

Er plädiert stattdessen für Deradikalisierung: "Auch einsame Wölfe hinterlassen Spuren im Internet. Es gilt, sie aufzuspüren, Kontakt aufzunehmen, in Diskussion zu treten." Dafür brauche es jedoch weitaus mehr Fachleute und Angebote. Aus Sicht Borstels wäre deren Ausbau "erheblich sinnvoller als ein Verbot, das am Ende symbolisch bleibt".

Verwendete Quellen:

  • Gespräch mit Professor Dierk Borstel, Professor für praxisorientierte Politikwissenschaft an der Fachhochschule Dortmund
  • Gespräch mit einer Sprecherin des Bundesamts für Verfassungsschutz
  • E-Mail-Anfrage beim Bundesinnenministerium
  • Süddeutsche Zeitung: "Drei Länder drängen auf Verbot von 'Combat 18'"
  • Bundesverfassungsschutz: "Beschlagnahme von Munition bei Angehörigen von 'Combat 18 Deutschland'"
  • ARD/NDR: Stephan E.: "Zweifel an Geheim-Treffen mit 'Combat 18'"
  • FAZ: "Antrag der Bundestagsfraktion: AfD will Verbot von 'Combat 18'"

Hinweis: Aufgrund des Verbots von Combat 18 am 23. Januar 2020 wurde der Artikel von Marco Fieber bearbeitet und mit Material der Deutschen Presse-Agentur aktualisiert.

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