Der Streit rührt noch aus der Kolonialzeit, jetzt ist er erneut eskaliert: An der Grenze zwischen Thailand und Kambodscha gab es heftige Gefechte. Auch Kampfjets waren im Einsatz. Menschen starben, andere wurden verletzt.

Ein seit Jahrzehnten schwelender Konflikt zwischen Thailand und Kambodscha ist gefährlich eskaliert: Nach einem heftigen Schusswechsel an der Grenze am Morgen hat das thailändische Militär eigenen Angaben zufolge Kampfjets gegen kambodschanische Stellungen eingesetzt. Polizeiangaben zufolge sind mindestens acht thailändische Zivilisten getötet worden. Mindestens 13 weitere Menschen seien durch Artilleriefeuer und Raketen an fünf verschiedenen Orten verletzt worden.

Die südostasiatischen Nachbarn werfen einander vor, die Eskalation ausgelöst zu haben. Die kambodschanische Zeitung "Phnom Penh Post" sprach von einem "eklatanten Akt militärischer Aggression, der den Frieden und die Stabilität in Südostasien bedroht" und betonte, es handele sich um einen "unprovozierten Angriff auf kambodschanische Truppen." Die Zeitung "Bangkok Post" berichtete hingegen, kambodschanische Soldaten seien verantwortlich und hätten auch mit Raketenwerfern auf Thailand gezielt.

Grafik-Karte: "Grenzkonflikt zwischen Thailand und Kambodscha eskaliert"
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Worum es im Streit zwischen Thailand und Kambodscha geht

Beide Länder trennt eine mehr als 800 Kilometer lange Grenze. Die Wurzeln des Konflikts liegen in der Kolonialzeit, als Frankreich den Grenzverlauf festlegte. Die Regierungen beider Nationen interpretieren diese Grenzziehung aber unterschiedlich. Im Zentrum des Streits steht der Tempel Prasat Preah Vihear (vermutlich aus dem 10. bis 12. Jahrhundert), der seit 2008 zum Weltkulturerbe der Unesco gehört.

Spannungen zwischen Kambodscha und Thailand
Thailand hatte erst kürzlich Landminen in der umstrittenen Grenzregion entdeckt. (Archivfoto) © dpa / Uncredited/Royal Thai Army/AP/dpa

Sowohl der dem Hindu-Gott Shiva gewidmete Tempel als auch das umliegende Gebiet werden von beiden Ländern beansprucht. In der Vergangenheit kam es schon mehrfach zu Schießereien zwischen den Streitkräften der Kontrahenten, die auch Todesopfer forderten.

Bevölkerung sucht Schutz in Bunkern

Die Lage hatte sich am Morgen (Ortszeit) dramatisch zugespitzt. Es kam zunächst zu Schusswechseln, speziell in der Provinz Surin im Nordosten von Thailand. Während die thailändische Armee erklärte, kambodschanische Soldaten hätten das Feuer auf eine Militärbasis nahe dem bekannten Khmer-Tempel Prasat Ta Muen Thom eröffnet, warf Kambodscha dem Nachbarland vor, zuerst geschossen zu haben.

Thailand soll als Reaktion auf die morgendlichen Gefechte seine Luftwaffe gegen kambodschanische Militärziele entlang der Grenze eingesetzt haben. Dabei wurden nach Angaben des thailändischen örtlichen Militärkommandos zwei kambodschanische regionale Militärhauptquartiere getroffen. Eine Bestätigung aus Kambodscha gab es zunächst nicht.

Kambodscha habe hingegen Raketen des Typs BM-21 auf Wohngebiete abgefeuert, hieß es von Thailands Armee. Sie sprach von "gewalttätigen und unmenschlichen Taten der kambodschanischen Seite".

Auf von den Behörden verbreiteten Bildern und Videos war zu sehen, wie von einer Tankstelle dichte schwarze Rauchwolken aufstiegen. Medienberichten zufolge wurden auch ein kleiner Supermarkt und ein Krankenhaus getroffen. Berichten zufolge mussten sich verängstigte Menschen in der Region teilweise in Bunkern in Sicherheit bringen. Beobachter befürchten in den nächsten Tagen eine weitere Verschärfung des Konflikts.

Säbelrasseln seit Wochen

Der Streit hatte sich schon in den vergangenen Wochen zugespitzt, nachdem es Ende Mai zu einem Schusswechsel zwischen Soldaten beider Länder gekommen war. Dabei wurde ein kambodschanischer Soldat nahe dem Kontrollpunkt Chong Bok getötet. Erst am Mittwoch waren mehrere thailändische Soldaten durch die Explosion von Landminen in der umstrittenen Region verletzt worden. Einer verlor der Armee zufolge ein Bein. Thailand wirft dem Nachbarland vor, die Minen erst kürzlich verlegt zu haben.

Spannungen zwischen Kambodscha und Thailand
Bei der Explosion einer Landmine soll ein thailändischer Soldat ein Bein verloren haben. (Archivbild) © dpa / Uncredited/The Royal Thai Army/AP/dpa

Daraufhin wurden auch die diplomatischen Beziehungen herabgestuft. Thailand rief noch am Mittwoch seinen Botschafter aus Phnom Penh zurück und wies gleichzeitig den kambodschanischen Botschafter aus.

Touristenhochburgen von Kämpfen weit entfernt

Das Kampfgebiet liegt fernab der bekannten Touristenpfade. Thailand-Urlauber verirren sich nur selten in die etwa 400 Kilometer von Bangkok entfernte Provinz Surin, und auch der Nordwesten Kambodschas ist kein klassisches Reiseziel.

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Zwar bemüht sich die thailändische Tourismusbranche seit Jahren, den strukturschwachen Nordosten stärker zu vermarkten. Die Region, bekannt als "Isan", ist vor allem für ihre würzige und scharfe Küche berühmt. Touristen ziehen aber weiterhin den Norden mit berühmten Städten wie Chiang Mai und Chiang Rai vor. Das Auswärtige Amt rät schon seit Wochen vor Reisen in das Grenzgebiet ab. (dpa/afp/bearbeitet von mcf)

Teaserbild: © dpa / Uncredited/Royal Thai Army/AP/dpa