Insbesondere wegen des Widerstandes von deutscher Seite konnte die EU bislang keine Sanktionen gegen Israel verhängen. Anlass für die Diskussion war Israels Vorgehen im Gazastreifen. Jetzt gibt es jedoch neue Vorschläge.
Als Reaktion auf die Entwicklungen im Gazastreifen schlägt die Europäische Kommission den EU-Staaten das Verhängen weitreichender Sanktionen gegen Israel vor. Das Paket sieht unter anderem ein teilweises Aussetzen des Assoziierungsabkommen der EU mit Israel vor, wie ein hochrangiger Vertreter der EU-Kommission am Mittwoch mitteilte. Zudem schlägt die Kommission Sanktionen gegen zwei rechtsextreme israelische Minister und extremistische israelische Siedler sowie gegen Mitglieder der radikalislamischen Hamas vor.
Kommissionspräsidentin von der Leyen erklärte: "Die entsetzlichen Dinge, die sich täglich im Gazastreifen abspielen, müssen aufhören." Es brauche eine sofortige Waffenruhe, ungehinderten Zugang für humanitäre Hilfe und die Freilassung aller von der Hamas festgehaltenen Geiseln.
Ziel des Vorstoßes ist es, Israel zu einem Kurswechsel bei seinem Vorgehen im Gazastreifen zu bewegen. Aus Sicht der Kommission verstößt das Land mit seiner Militäroffensive und der daraus resultierenden humanitären Katastrophe gegen die Menschenrechte und das humanitäre Völkerrecht.
Für Sanktionen braucht es die Zustimmung von Rom oder Berlin
Die teilweise Aussetzung des Abkommens hätte zur Folge, dass die Zölle auf bestimmte Waren aus Israel steigen. Nach Angaben des Kommissionsvertreters beträfe dies in etwa 37 Prozent der Importe aus Israel, insbesondere landwirtschaftliche Produkte wie Datteln, Obst und Nüsse.
Da die EU für Israel der wichtigste Handelspartner ist, könnte vor allem dieser Kommissionsvorschlag Druck auf die israelische Regierung ausüben. Die EU hat 2024 Waren im Wert von 15,9 Milliarden Euro aus Israel importiert. Nach Angaben der Kommission dürften die Maßnahmen zu zusätzlichen Zöllen in Höhe von rund 227 Millionen Euro führen. Im Gegenzug könnte Israel Zölle auf Waren aus der EU erhöhen.
Denkbar ist allerdings auch, dass EU-Staaten wie Deutschland und Italien schnell deutlich machen, dass sie den Vorstoß von der Leyens nicht unterstützen. Im Rat der Mitgliedstaaten bräuchte es zu seiner Annahme die Zustimmung von 15 der 27 EU-Staaten, die zusammen mindestens 65 Prozent der Gesamtbevölkerung der EU ausmachen. Ohne ein Ja aus Rom oder Berlin ist diese derzeit nicht absehbar, da auch einige kleinere Länder wie Ungarn, die Slowakei, Tschechien und Österreich bislang gegen scharfe Israel-Sanktionen waren.
Deutschlands Regierungssprecher Stefan Kornelius sagte mit Blick auf die Sanktionen gegen Israel, die Bundesregierung habe sich darüber "noch keine abschließende Meinung" gebildet. Die Zweckmäßigkeit solcher Vorschläge müsse "stets auch im Lichte geprüft werden, ob sie zielgerichtet sind", fügte er hinzu. Die Erwartung, dass sich die Politik Israels durch solche Maßnahmen ändere, sei aber "möglicherweise überzogen".
Die EU-Außenbeauftragte Kaja Kallas hatte bereits vor der offiziellen Vorstellung an Deutschland und Italien appelliert, die Pläne für europäische Handelssanktionen gegen Israel zu unterstützen oder alternativ andere Druckmittel vorzuschlagen. "Wenn wir uns einig sind, dass die Lage unhaltbar ist und wir die israelische Regierung zum Kurswechsel bringen wollen, dann müssen wir klären: Was können wir dafür tun?", sagte sie in einem Interview des Senders Euronews. Wer vorgeschlagene Maßnahmen als Reaktion auf Israels Vorgehen im Gazastreifen nicht unterstütze, solle bitte Alternativen nennen. Zu den geplanten Handelssanktionen sagte Kallas, diese würden für Israel hohe Kosten verursachen.
EU will auch Minister sanktionieren
Bei den israelischen Ministern, die nach dem Willen der EU-Kommission sanktioniert werden sollten, handelt es sich um Finanzminister Bezalel Smotrich und Polizeiminister Itamar Ben-Gvir. Ihnen werden Menschenrechtsverletzungen und Aufstachelung zum Hass vorgeworfen.
Zudem schlägt die Kommission auch neue Sanktionen gegen die palästinensische Terrororganisation Hamas vor. Den Angaben zufolge sollen zudem zehn Mitglieder des Politbüros der Hamas mit Sanktionen belegt werden. Diese hielten sich zum Teil im Gazastreifen und im Westjordanland und zum Teil im Ausland auf, sagte eine hochrangige Kommissionsvertreterin.
Die Kommission beschloss zudem, wie vergangene Woche von EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen angekündigt, bilaterale Zahlungen der EU an Israel einzustellen. Dies betrifft nach Kommissionsangaben jährliche Zahlungen in Höhe von sechs Millionen Euro im Rahmen der Europäischen Nachbarschaftspolitik. Zudem sollen rund 14 Millionen Euro für laufende Projekte zurückgestellt werden. Für diese Maßnahmen braucht die Kommission keine Zustimmung er EU-Länder.
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Israel bezeichnet Sanktionsvorstoß der EU als "unverhältnismäßig" und "beispiellos"
Israel hatte den Sanktionsvorstoß der Kommission bereits vor der Vorlage von Details scharf kritisiert. Israels Außenminister Gideon Saar schrieb in einem Brief an von der Leyen, es sei "unverhältnismäßig" und "beispiellos", wegen des israelischen Vorgehens im Gazastreifen bestimmte Handelsvorteile aussetzen zu wollen. Ein solcher Vorschlag sei im Falle anderer Länder noch nie umgesetzt worden, kritisierte Saar.
Die EU-Kommission verlasse sich auf Angaben der Hamas und spiele der Terrororganisation damit in die Hände. Israel sei der Gaza-Krieg nach dem Hamas-Terroranschlag aufgezwungen worden. Man werde sich nicht "von Drohungen einschüchtern lassen", solange die Sicherheit des Landes gefährdet sei. (dpa/AFP/bearbeitet von ank)