Der Iran ist ein Gottesstaat und schränkt vor allem die Rechte von Frauen stark ein. Doch seit den Protesten vor drei Jahren hat sich das Gesellschaftsbild gewandelt. Frauen holen sich nach und nach ihre Freiheit zurück.
Motorradfahren galt im Iran lange als Männersache – und für Frauen als riskantes Unterfangen. Denn bis heute dürfen Iranerinnen keinen Motorradführerschein machen. Doch das Stadtbild wandelt sich. In den Metropolen sieht man zunehmend selbstbewusste Frauen auf zwei Rädern. "Früher hatte ich richtig Angst, wenn ich an der Polizei vorbeigefahren bin – Herzklopfen, Stress", sagt Neda Khani (41). "Heute fahre ich überall."
Motorradfahren ist für viele Frauen in der Islamischen Republik mehr als Mobilität – es ist ein stiller Akt der Emanzipation. Für die Fitnesstrainerin Khani begann alles vor drei Jahren, aber aus ganz praktischen Gründen: Wegen des dichten Berufsverkehrs in der Millionenmetropole Teheran stieg sie auf einen Motorroller um. "Sogar im Winter, in der Kälte, bin ich lieber mit dem Motorrad gefahren, als mein Auto rauszuholen", sagt sie in einem Café im Norden der Hauptstadt. Doch so normal das Bild inzwischen wirken mag: Rechtlich bewegen sich die Fahrerinnen bis heute in einer Grauzone.
Ein generelles Fahrverbot für Frauen existiert nicht, aber auch keine klare gesetzliche Grundlage. In der Praxis bleibt vieles vage: Frauen können motorisierte Zweiräder zwar kaufen und auf ihren Namen zulassen – fahren dürfen sie eigentlich nicht. "Wie kann es sein, dass ich ein Motorrad auf meinen Namen kaufen darf, aber nicht fahren darf?", fragt Khani. Über eine rechtliche Öffnung wird schon lange diskutiert, zuletzt Anfang September. Doch politische und wirtschaftliche Krisen verdrängen das Thema immer wieder von der Agenda.
Zustimmung im iranischen Parlament wächst
Im Parlament wächst derweil die Bereitschaft, Frauen den Zweiradführerschein zu ermöglichen. Auch ein Gesetzentwurf ist in greifbarer Nähe. "Dieses Thema kann leicht gelöst werden, weil es eine soziale Frage ist und kein politisches Hindernis besteht", erklärt Madschid Nasirpur, ein Abgeordneter aus dem reformorientierten Lager. Er verweist auf den gesellschaftlichen Wandel, sieht aber auch Konfliktpotenzial mit religiösen Hardlinern.
Erzkonservative Stimmen und iranische Geistliche haben Frauen auf Motorrädern immer wieder als "unislamisch" bezeichnet. Ihre Begründung: Eine Frau könne beim Fahren eines Zweirads ihre islamische Kleidungspflicht nicht einhalten. Nach der herrschenden Lehre vieler Ajatollahs ist das Motorradfahren für Frauen im öffentlichen Raum daher unzulässig. Es sei "nicht mit der Kultur der Gesellschaft vereinbar", meinte auch der Politiker Mohammed Saradsch, Mitglied der Sozialkommission im Parlament, vor wenigen Wochen.
Gesellschaftlicher Wandel seit Massenprotesten
Doch in der Realität haben konservative Mahnrufe an Wirkung verloren. Seit den Protesten im Herbst 2022 hat sich das Straßenbild spürbar verändert. Viele Frauen ignorieren inzwischen bewusst die islamischen Dresscodes – teils aus Protest, teils als Ausdruck von Selbstbestimmung. Auch der Krieg mit Israel hat den Fokus der Sicherheitsapparate noch einmal weiter verschoben. Immer mehr Frauen fordern ihren Platz im öffentlichen Raum ein – auch auf zwei Rädern.
"Früher war Motorradfahren für Frauen nicht üblich", sagt der Abgeordnete Nasirpur. "Aber in letzter Zeit ist es durch kulturelle Veränderungen und soziale Bedürfnisse zu einem Transportmittel geworden." Der Politiker sieht darin keinen Tabubruch, sondern eine Folge gesellschaftlicher Entwicklung – und einen Handlungsauftrag für die Politik. Die Frage der Fahrerlaubnis müsse geklärt werden, "damit Frauen im Falle eines Unfalls rechtlich und in Bezug auf Versicherungen ihre Ansprüche geltend machen können".
Männer hupen solidarisch im Straßenverkehr
Khani hat sich an das Chaos auf Teherans Straßen gewöhnt – und an die Reaktionen. "Ich schlängle mich so zwischen den Autos durch, und dann merken sie, dass eine Frau fährt. Und dann geben sie extra Gas, fahren nah vorbei, sodass der Fahrtwind mein Motorrad zum Wackeln bringt. Wirklich gefährlich." Die meisten Männer seien freundlich, machten Platz oder hupten zur Ermutigung. "Aber manchmal passiert genau das Gegenteil – sie schneiden dich, lassen dich nicht vorbei. Und oft sind es Fahrerinnen in teuren Autos."
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Problematisch sei nicht das Fahren an sich, sagt sie, sondern der fehlende Schutz. "Ich finde, es sollte wenigstens offiziell Führerscheine geben. Wenn etwas passiert, sollte es rechtlich klar sein. Sonst ist es gefährlich." Ohne Führerschein gebe es keine Versicherung, keine rechtliche Absicherung. "Außerdem sollte es Fahrprüfungen geben – damit nicht einfach jeder ohne Übung fährt und Unfälle verursacht", sagt die Fitnesstrainerin.
Vor drei Jahren hatte die Polizei ihr Motorrad einmal beschlagnahmt, seitdem hat sie keine schlechten Erfahrungen mehr gemacht. "Mit dem Motorrad kommst du überallhin, wo du willst – es ist ein tolles Gefühl", sagt die 41-Jährige. In der Megacity fallen die ersten Blätter auf den Asphalt, noch scheint die Sonne bei fast 30 Grad. Mit einem Lächeln steigt Khani auf ihren schwarzen Roller, zieht den Helm auf und fährt davon. (dpa/bearbeitet von the)