Entwicklungsminister Gerd Müller (CSU) reist derzeit durch Brasilien. Auf dem Programm: ein Besuch einer Favela in Sao Paulo. Der wäre beinahe geplatzt - zu gefährlich entschied das Bundeskriminalamt. Doch der Minister pfiff auf das Urteil der Experten und ging dennoch. Ohne Leibwächter, auf eigene Gefahr.

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Dass sich Minister soziale Initiativen ansehen, ist an der Tagesordnung. Doch Entwicklungsminister Gerd Müller macht mit einem solchen Termin Schlagzeilen. Der Grund: Der CSU-Mann hat sich dabei über den Rat des Bundeskriminalamts hinweggesetzt, das den Besuch in einem brasilianischen Armenviertel für zu gefährlich hielt.

Am Sonntag ist Müller nach Brasilien geflogen, seit Montag tourt er durchs Land. Themen seiner Reise sind laut Entwicklungsministerium der Schutz des Regenwaldes und der indigenen Völker, fairer Handel und nachhaltige Lieferketten. Einen der ersten Programmpunkte hatte der 63-Jährige in Rua Nova geplant, einer Favela im Osten Sao Paulos.

Wie die "Bild" berichtet, wollten Bundeskriminalamt und Auswärtiges Amt jedoch verhindern, dass Müller das Viertel betritt: zu unübersichtlich, zu gefährlich, als dass die Personenschützer die Sicherheit des Ministers gewähren könnten. Müller war es offensichtlich egal: Er ging dennoch, zusammen mit einer kleinen Delegation. Die Leibwächter blieben im Hotel.

Entwicklungsminister läuft schutzlos durch Favela

Zu Fuß spazierte Müller durch Rua Nova. Von Bruna Leite, die das Brasilien-Programm von Terre des Hommes koordiniert, ließ er sich zeigen, was die Nichtregierungsorganisation vor Ort leistet: Sie führt Workshops zu gewaltfreier Konfliktlösung und Gewaltprävention durch und unterstützt Jugendliche dabei, Kinderrechtsverletzungen zu dokumentieren und die Verantwortlichen vor Gericht zu bringen, wie es in einer Pressemitteilung heißt.

Leite zeigte sich von Müllers Mut sehr beeindruckt: "Für einen Minister der brasilianischen Regierung wäre so ein Besuch unvorstellbar", wird sie in der Mitteilung zitiert.

Auch Raifa, eine der Jugendlichen, mit denen Müller gesprochen hat, betont, dass ihr die Visite viel bedeutet. "Wir hier in Rua Nova sind für den Rest der Stadt und für Brasilien meist unsichtbar. Es ist toll, dass der Minister mit eigenen Augen sehen will, wie wir leben."

Wie viele brasilianische Favelas war auch Rua Nova nie als Wohnviertel gedacht. Doch mangels Alternativen ließen sich die Menschen auf der illegalen Müllhalde nieder. Sie kanalisierten das Wasser, bauten Häuser, verlegten Stromleitungen. Von Normalität kann dennoch keine Rede sein: Gewalt, auch durch die Polizei, ist an der Tagesordnung.

Müller: "Wertvoller als die meisten Politiker-Gespräche"

Kein Wunder also, dass viele Kinder und Jugendliche nur eines wollen: weg. "Ich sehe, dass die Kinder und Jugendlichen hier etwas bewegen wollen, aktiv sind und hochintelligent. Und damit ist natürlich auch die Hoffnung da, herauszukommen und ein anderes Leben zu gestalten", resümierte Müller seine Begegnungen in einem von Terre des Hommes auf Twitter veröffentlichten Statement.

Auf den Rat der Sicherheitsexperten gepfiffen zu haben, scheint er nicht zu bereuen. "Solche Besuche bleiben mehr im Herzen als die meisten Politiker-Gespräche." (mcf)


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