Die Volksanwaltschaft hat die Justizanstalt Münnichplatz geprüft - und kommt zu einem
Nach im Frühjahr bekanntgewordenen Missständen in der Justizanstalt (JA) Münnichplatz hat die Volksanwaltschaft ein amtswegiges Prüfverfahren eingeleitet, um die Vorfälle im neuen, für männliche Jugendliche konzipierten Wiener Jugendgefängnis zu verifizieren. Das Ergebnis liegt nun vor.
Aus Sicht von Volksanwältin Gabriela Schwarz (ÖVP) hat sich "einmal mehr bestätigt, dass man die JA Gerasdorf nicht hätte schließen dürfen, bevor der Münnichplatz fertig ist".
Schwarz sprach am Dienstag gegenüber der APA und dem ORF von einer "verpassten Chance" und "schlechtem Projektmanagement". Das Gefängnis für männliche Jugendliche in Wien-Simmering ab Jänner 2025 bei laufenden Bauarbeiten in Betrieb zu nehmen, sei "keine gute Lösung" gewesen. "Es war nicht in Ordnung, jugendliche Insassen auf einer Baustelle mit zu wenig Personal anzusiedeln."
Justizministerium: Bericht "bildet nicht neuesten Stand der Entwicklungen ab"
Nach einer ersten Sichtung des von der Volksanwaltschaft übermittelten Prüfberichts könne man "keine Missstandsfeststellungen identifizieren, die sich seit der erstmaligen Prüfung im Rahmen des Sprechtags der Volksanwaltschaft in der JA Münnichplatz im März 2025 neu ergeben haben", hielt dem das Justizministerium entgegen.
Die im Bericht angeführten Kritikpunkte würden auf Feststellungen beruhen, "die bereits vor beinahe sechs Monaten von der Volksanwaltschaft getroffen und danach umgehend von Seiten der Generaldirektion für den Strafvollzug und den Vollzug freiheitsentziehender Maßnahmen beseitigt wurden". Der heute veröffentlichte Bericht "bildet somit nicht den neuesten Stand der Entwicklungen ab", hieß es in einer von der APA erbetenen ausführlichen Stellungnahme.
Für das Ministerium habe "die rasche Fertigstellung und Besetzung der Planstellen des Vorzeigeprojekts Münnichplatz oberste Priorität", wurde bekräftigt. Daran werde mit Hochdruck gearbeitet: "Der Zeitplan für die Eröffnung Ende des Jahres hält."
Eingeschränkte Besuche, bereits am Nachmittag versperrte Zellen
Doch auch die gegenwärtigen Haftbedingungen in der JA Münnichplatz widersprechen aus Sicht der Volksanwaltschaft den Anforderungen eines modernen Jugendstrafvollzugs. Weil es nach wie vor keine Besucherzone gibt, könnten die Insassen der JA Münnichplatz nur einmal wöchentlich ihre Angehörigen sehen, kritisierte Schwarz.
Aufgrund von personellen Engpässen bei der Justizwache seien außerdem die sogenannten Einschlusszeiten vorverlegt worden. Die jugendlichen Häftlinge müssten nun schon ab dem späten Nachmittag in ihren versperrten Hafträumen sein.
"Die Hafträume der JA Münnichplatz sind täglich von 7:00 bis 15:00 Uhr geöffnet, inklusive Wochenenden und Feiertagen", konterte das Ministerium. Eine Sprecherin versicherte der APA, die Einschlusszeiten seien nicht vorverlegt worden. Den Insassen stünden auch Besuche zweimal pro Woche zu, die in der angeschlossenen JA Simmering abgewickelt werden.
Raufereien und sogenannte Zaunparties waren für Schwarz "absehbar"
Im Frühjahr waren Raufereien unter Insassen der JA Münnichplatz und sogenannte Zaunparties öffentlich geworden. Vor dem Gefängnis fanden sich demnach Jugendliche ein und kommunizierten mit Häftlingen, zwei Personen gelangten sogar auf die Grünfläche vor dem Gebäude, indem sie den Außenzaun überkletterten.
Diese Vorfälle hätten sich im amtswegig eingeleiteten Prüfverfahren bestätigt und waren "absehbar", erklärte Volksanwältin Schwarz. "Mit zu wenig Personal, laufender Baustelle und verfrühter Inbetriebnahme musste es so weit kommen".
Zwar hätten die JA und das Justizministerium Maßnahmen zum Gegensteuern ergriffen - etwa in Form einer blickdichten meterhohen Hecke, die Menschenansammlungen vor dem Gebäudekomplex verhindern soll -, es seien aber noch immer Bauarbeiten im Gang. "Die notwendigen baulichen Adaptierungen sind aufgrund der denkmalschutzrechtlichen Vorgaben des Gebäudes umfangreicher als zu Beginn der Bauarbeiten angenommen", bemerkte dazu das Justizministerium.
"Um künftig zu verhindern, dass Zivilisten über den Anstaltszaun klettern, wurde ein Zaun versetzt und zusätzliche Bepflanzung angelegt", berichtete Schwarz. Diese Maßnahmen wären schon vor der Inbetriebnahme notwendig gewesen: "Dass jetzt nachgerüstet werden muss, unterstreicht meine Kritik, dass die Realisierung des Projekts Münnichplatz seit Beginn ein logistischer Bauchfleck ist. Zuerst die Baustelle abschließen, alle Mängel beseitigen, für genügend Personal sorgen und dann erst in Betrieb nehmen, wäre im Sinne der Jugendlichen und des Teams besser gewesen."
Personalmangel als Risikofaktor
Die Ursachen für insgesamt fünf vom Justizministerium bestätigte Raufereien seit Jahresbeginn sind für Schwarz naheliegend: im Jänner hätten sich elf Insassen in der JA Münnichplatz befunden, im März waren es bereits 21. "Mit zunehmendem Belag, zu wenig Personal und der daraus resultierenden Ausdehnung der Einschlusszeiten ist es zu Unruhe unter den Insassen gekommen. Ich weise laufend darauf hin, dass Personalmangel im Bereich der Fachdienste sowie der Justizwache ein großer Risikofaktor ist", betonte die Volksanwältin.
Dabei konzediert Schwarz der Anstaltsleiterin Seada Killinger und ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern ein engagiertes Bemühen, die Jugendlichen während des Baustellenbetriebs bestmöglich zu betreuen. Ob es aber gelingt, im Herbst die Baustelle abzuschließen und in den Vollbetrieb zu gehen, "wage ich zu bezweifeln", hielt die Volksanwältin fest: "Laut unseren Informationen sind zahlreiche Stellen noch unbesetzt - sowohl bei der Justizwache als auch beim Fachpersonal."
Volksanwaltschaft sieht keine Entlastung für Ostregion
Aktuell befinden sich laut Justizministerium 16 junge Häftlinge in der JA Münnichplatz, die von 25 Exekutivbediensteten betreut werden. Das neue, auf 72 Häftlinge im Alter zwischen 14 und 18 Jahren ausgerichtete Jugendgefängnis soll am Ende mit 58 Exekutivbeamtinnen und -beamten und zusätzlichem Fachpersonal in Vollbetrieb gehen. Bereits jetzt seien alle Fachdienstbereiche - Pädagogik, Sozialpädagogik, Sozialarbeit, Psychologie, Psychotherapie und Ergotherapie - personell vertreten, es komme laufend zu weiteren Besetzungen, betonte das Ministerium.
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Sollte sich alles wie geplant realisieren lassen, könnte die JA Münnichplatz durchaus zu einem Vorzeigeprojekt werden, räumte Volksanwältin Schwarz ein. Sie befürchtet jedoch, dass die Kapazitäten bald ausgeschöpft sein könnten, zumal sich aktuell immerhin noch 49 jugendliche Häftlinge auf der Jugendabteilung der JA Wien-Josefstadt befänden. Sollten diese Insassen wie geplant in den kommenden Wochen in die JA Münnichplatz verlegt werden, könnte es bald eng werden. Schwarz: "Der Münnichplatz wird also nicht wie geplant die gesamte Ostregion entlasten können." (APA/bearbeitet von ank)