Die Ampelkoalition erzielte am Dienstag eine Einigung beim Heizungsgesetz. Bei "Markus Lanz" sprach FDP-Fraktionsvize Konstantin Kuhle über die heftigen Debatten der letzten Monate und geriet mit dem ZDF-Moderator aneinander, als es um die Verwendung überspitzter Begriffe ging.

Eine Kritik
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Seitdem die Pläne für das Gebäudeenergiegesetz im März durchsickerten, erlebt Deutschland eine heftige Debatte darüber, wie die Energiewende auch im Wohnungssektor umgesetzt werden kann. Mit Schlagwörtern wie "Wärmepumpen-Gate" oder "Energie-Hammer" wurde in den Medien gegen das Vorhaben von Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck gewettert. Auch innerhalb der Ampelkoalition kam es zu teils heftigen Auseinandersetzungen und Sticheleien.

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Bei "Markus Lanz" debattierten die Gäste - allen voran FDP-Fraktionsvize Konstantin Kuhle - am Dienstagabend über die provokante Sprache in der Regierung und die schwerwiegenden Folgen, die daraus resultieren können.

Das ist das Thema bei "Markus Lanz"

Die Ampelkoalition hat nach langen Diskussionen endlich eine Einigung beim Heizungsgesetz erzielt. Das Gebäudeenergiegesetz soll noch in dieser Woche zu einer ersten Lesung in den Bundestag eingebracht werden. Ein großer Meilenstein, über den Markus Lanz am Dienstagabend unter anderem mit FDP-Fraktionsvize Konstantin Kuhle sprach.

In der Diskussion ging es jedoch vor allem um die provokante Sprache und die immer wiederkehrenden Sticheleien seiner Partei gegen die Grünen, die zuletzt zu einer steigenden Wut und Verunsicherung im Land geführt haben.

Das sind die Gäste

  • Konstantin Kuhle, FDP-Fraktionsvize: "Die Mitte der Gesellschaft ist wahnsinnig verunsichert."
  • Veit Medick, Journalist und Leiter des "Stern"-Politik-Ressorts: "Das war eine reine Vertrauens-Vernichtungsmaschine innerhalb der Ampelkoalition."
  • Maren Urner, Neurowissenschaftlerin: "Jedes negative Wort in einer Überschrift führt zu 2,3 Prozent mehr Klicks."
  • Carlo Masala, Militärexperte: "Angst ist etwas, was leicht zu bespielen ist in der deutschen Gesellschaft."

Das ist der Moment des Abends bei "Markus Lanz"

Zu Beginn der Sendung fragte Markus Lanz den FDP-Fraktionsvize Konstantin Kuhle mit Blick auf die Einigung der Ampel beim Heizungsgesetz: "Wie überrascht sind Sie?" Der Politiker sagte zwar, dass er "nicht überrascht" sei, stellte jedoch gleichzeitig klar: "Die Menschen können sich sicher sein: Das Gesetz von Robert Habeck wird so nicht kommen." Als Lanz kritisch nachhakte, beschwichtigte Kuhle seine Aussage wieder und sagte: "Es hat nichts mit der Person zu tun, sondern es hat was mit dem Inhalt zu tun." Er erklärte, dass mit dem neuen Entwurf auch auf Wasserstoff und Heizen mit Holz gesetzt werden könne: "Es ist schon was anderes."

Journalist Veit Medick kritisierte daraufhin den FDP-Politiker: "Sie stellen das jetzt so als ganz normalen Prozess dar, was da in den vergangenen Monaten passiert ist. Das war's ja nun nicht. (...) Der ganze Entstehungsprozess, das war eine reine Vertrauens-Vernichtungsmaschine innerhalb der Ampelkoalition." Medick weiter: "Ihre Partei hat eine Kampagne innerhalb der eigenen Koalition gegen dieses Gesetz gemacht." Laut Medick müsse man sich dann nicht wundern, "wenn dann eine Kultur entsteht, von der am Ende nur eine Partei profitiert - nämlich die AfD und nicht die FDP". Harte Worte, gegen die sich Kuhle wehrte: "Dass jetzt jede Form von Streit und jede Form von Auseinandersetzung in der Koalition als Zerstörung der politischen Kultur dargestellt wird, das stimmt nun auch nicht." Dennoch gab er zu: "Die Mitte der Gesellschaft ist wahnsinnig verunsichert."

Dies brachte Markus Lanz zum Thema Debattenkultur in Deutschland. Neurowissenschaftlerin Maren Urner warnte in dem Zusammenhang zunächst: "Angst und Unsicherheit sind zusammen in Kombination richtig schlechte Berater." Laut Urner seien angstgetriebene Entscheidungen demnach immer kurzfristig, doch das, was wir "beim Thema Klima brauchen, sind langfristige Entscheidungen. Dafür müssen wir aus dem Angstmodus rauskommen."

Vor allem in Bezug auf den Einfluss der Medien gebe es einen beängstigenden Trend, denn seit 2000 soll es "einen Anstieg von über 300 Prozent in der Negativität" geben. Der Grund? "Jedes negative Wort in einer Überschrift" führe laut der Wissenschaftlerin zu "2,3 Prozent mehr Klicks". Auch Veit Medick gab zu, dass ein "Kampf um Aufmerksamkeit" stattfinde: "Wir leben von solchen Überschriften." Der Journalist ergänzte, dass es "eine Neigung zur Überspitzung" und "zur Aggressions-Berichterstattung" gebe.

Militärexperte Carlo Masala fügte hinzu: "Mit der Angst vor der Apokalypse, vor dem Wohlstandsverlust, kann man hier sehr gut spielen." Umso wichtiger sei laut Masala eine "verantwortungsvolle Kommunikation". Kuhle reagierte nachdenklich und sagte, dass man auch als Politiker "höllisch aufpassen" müsse, "dass man solche Ängste nicht selbst anheizt. Aber heftige politische Auseinandersetzungen müssen trotzdem sein." Maren Urner konterte prompt: "Anheizen ist an der Stelle ein schöner Wortwitz."

Das ist das Rede-Duell des Abends

Die Debatte wurde hitziger, als Carlo Masala feststellte: "Wir befinden uns in ganz, ganz vielen Themen in der Bundesrepublik Deutschland in so einer Art Vor-Trumpismus, wo nicht mehr über die Sache geredet wird, sondern die Sache skandalisiert wird." Lanz nannte daraufhin als Beispiel die jüngsten verbalen Entgleisungen des Freie-Wähler-Chefs Hubert Aiwanger, der bei einer Demonstration in Erding über "die schweigende große Mehrheit dieses Landes" sprach, die sich die Demokratie wieder zurückholen müsse. "Das suggeriert, dass wir uns in einer Diktatur befinden", so Masala.

Der Militärexperte ergänzte: "Das ist eine neue Qualität der politischen Demagogie." Auch Konstantin Kuhle gab zu: "Das finde ich absolut daneben." Daraufhin stichelte Lanz jedoch in Richtung Kuhle und fragte, ob Begriffe wie "Heiz-Ideologie" in Ordnung seien. "Das ist ein Begriff aus dem politischen Meinungskampf. Den gibt's halt, den benutzt man halt", so der FDP-Mann trocken. Er ergänzte: "Wir haben einen Vertrauensverlust in die Institution der liberalen Demokratie und das wird befördert von Extremisten." Demnach sei es laut Kuhle "doch gut, dass Menschen erkennen können, dass die Grünen, die FDP und die SPD unterschiedliche Parteien sind".

Kuhle weiter: "Die zünftige Bierzelt-Rede muss auch künftig noch möglich sein, weil sonst sagen alle das Gleiche und das kann auch nicht sein." Dieses Argument wollte Lanz jedoch nicht gelten lassen und konterte mit der Aussage des FDP-Abgeordneten Frank Schäffler, der das geplante Heizungsgesetz im April als "eine Atombombe für unser Land" bezeichnete. Lanz wollte wissen: "Ist das gut, dass er so redet?"

Kuhle reagierte sichtlich nervös: "Das ist eine krasse Übertreibung im politischen Meinungskampf, die absolut Geschmacksache ist." Unterschiedliche Typen von Politikern würden aber eben auch unterschiedliche Formulierungen nutzen. Daraufhin schaltete sich Maren Urner ein, die bemängelte: "Diese ganze Diskussion, die jetzt gerade hier geführt wurde, das finde ich ehrlich gesagt ziemlich befremdlich, weil sie das Gegenteil bei mir erreicht (...), nämlich Unsicherheit."

So hat sich Markus Lanz geschlagen

Markus Lanz nahm sich am Dienstagabend vor allem FDP-Fraktionsvize Konstantin Kuhle zur Brust und befragte ihn mehrmals kritisch zur anhaltenden Debatte um das Gebäudeenergiegesetz. Auch wenn der Politiker immer wieder klarstellte, dass die Auseinandersetzungen über die Wärmepumpe mit einem "echten Thema" korrespondieren, musste er sich von Lanz den Vorwurf gefallen lassen, dass viele Politiker die Unsicherheit in der Gesellschaft zunehmend schüren wollen.

Dem ZDF-Moderator gelang es in dem Zusammenhang zudem, seinen Gästen einige interessante Thesen zur deutschen Debattenkultur zu entlocken.

Das ist das Fazit bei "Markus Lanz"

Auch wenn sich die Ampel nun nach langwierigen Debatten einigen konnte, sorgte in den vergangenen Monaten kaum ein Thema für eine Diskussion mit teils heftiger Wortwahl wie das geplante Gebäudeenergiegesetz. Bei "Markus Lanz" versuchte FDP-Fraktionsvize Konstantin Kuhle, die provokante Sprache seiner Fraktionskollegen zu entschuldigen, während Experten wie Carlo Masala und Maren Urner vor einer zunehmenden Unsicherheit in der Bevölkerung warnten.

Auch der ZDF-Moderator kritisierte am Dienstagabend die teils grenzwertige Wortwahl von Politikern wie dem FDP-Abgeordneten Frank Schäffler, der im April in Bezug auf das geplante Heizungsgesetz von einer "Atombombe für unser Land" sprach.

Korrektur: In einer früheren Version dieses Artikels wurde die Aussage, das geplante Heizungsgesetz sei eine "Atombombe für unser Land", fälschlicherweise dem FDP-Politiker Michael Kruse zugeschrieben. Richtig ist, dass diese Aussage vom FDP-Abgeordneten Frank Schäffler stammt, wie Markus Lanz in der Sendung auch korrekt zitiert hat.  © 1&1 Mail & Media/teleschau

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