Er gilt als Donald Trump Brasiliens. Und wie seinem Ex-Amtskollegen aus den USA droht jetzt auch Jair Bolsonaro eine Verurteilung mit weitreichenden Folgen.

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Brasiliens früherem rechtskonservativen Präsidenten Jair Bolsonaro droht ein achtjähriger Ausschluss von öffentlichen Ämtern: Vor dem Obersten Wahlgericht des Landes hat am Donnerstag ein Prozess gegen den 68-Jährigen wegen Äußerungen des Politikers zum brasilianischen Wahlsystem begonnen. Bolsonaro erschien nicht zum Prozessauftakt. Nach rund drei Stunden wurde die Verhandlung vertagt.

Ex-Präsident Bolsonaro soll Wahlsystem verunglimpft haben

Die Staatsanwaltschaft wirft dem rechten Politiker unter anderem Missbrauch politischer Macht vor. Dieser hatte im Wahlkampf vor der Präsidentschaftswahl im vergangenen Jahr vor ausländischen Diplomaten unbelegte Anschuldigungen gegen das elektronische Wahlsystem in Brasilien erhoben. Der 68-Jährige verlor später in einer Stichwahl knapp gegen seinen linken Herausforderer Luiz Inácio Lula da Silva. Bolsonaro beteuert seine Unschuld.

Richter Benedito Goncalves verlas zu Beginn des Prozesses die Anklageschrift. Dem rechten Politiker wird vorgeworfen, versucht zu haben, "das künftige Wahlergebnis vor der internationalen Gemeinschaft unglaubwürdig zu machen" – und das zu einem Zeitpunkt, an dem Bolsonaros Gegner "in Umfragen vorne lagen". "Er hat das Treffen zu einer Wahlkampfveranstaltung gemacht. Eine Rede dieser Art fällt nicht in den Bereich der Meinungsfreiheit", sagte der stellvertretende Generalstaatsanwalt, Paulo Gonet.

Bolsonaros Anwalt wies die Vorwürfe zurück. Die Debatte über das Wahlsystem dürfe in einer Demokratie kein Tabuthema sein, sagte Tarcisio Vieira de Carvalho laut einem Bericht des Fernsehsenders TV Globo. Bolsonaro habe lediglich zur Verbesserung des Wahlsystems beitragen wollen.

Anschließend trugen beide Seiten ihre Argumente vor. Nach rund drei Stunden vertagte das Gericht die Verhandlung auf Dienstag. Dann soll mit der Urteilsverkündung der sieben Richter begonnen werden.

Beobachter gehen von einer Verurteilung Bolsonaros aus, wodurch dieser nicht bei der nächsten Präsidentschaftswahl in Brasilien im Jahr 2026 antreten könnte. Der Anwalt des 68-Jährigen sagte, Bolsonaro werde im Falle einer Verurteilung Berufung beim Obersten Gerichtshof einlegen.

Anwalt von Präsident Lula wird neuer Richter am Obersten Gericht

Unterdessen bestätigte der brasilianische Senat die Ernennung von Lulas langjährigem Rechtsanwalt zum Richter am Obersten Gericht des Landes. Cristiano Zanin hatte Lula in mehreren Korruptionsverfahren verteidigt. Nach einer achtstündigen Befragung durch die Senatoren stimmte das Oberhaus am Mittwoch mit 58 Ja-Stimmen für ihn. Es gab 18 Gegenstimmen.

Zanin versprach während der Befragung, er werde seine Pflicht erfüllen, ohne vor seinem ehemaligen Mandanten Lula "in irgendeiner Weise zu kapitulieren". "Unparteilichkeit ist für mich fundamental und ein strukturelles Element der Justiz selbst", sagte er. Der Verfassungs- und Justizausschuss hatte mit deutlicher Mehrheit für Zanin gestimmt.

Lula hatte den 47-Jährigen Anfang Juni für das Oberste Gericht vorgeschlagen und erklärt, dieser werde ein "außergewöhnlicher Richter" sein. Oppositionspolitiker kritisierten die Auswahl und warfen dem Präsidenten vor, das Gericht mit ihm wohlgesonnenen Richtern besetzen zu wollen.

Zanin, spezialisiert auf Zivilrecht, vertrat Lula seit 2013 und war sein Verteidiger in mehreren Korruptionsfällen. Zwischen 2018 und 2019 saß Lula rund anderthalb Jahre lang wegen Korruptionsvorwürfen im Gefängnis. Seine Anhänger sahen hinter der Verurteilung ein politisches Manöver - Lula wurde damit aus dem Präsidentschaftsrennen ausgeschlossen, der rechtsradikale Bolsonaro siegte.

Im März 2021 hob der Oberste Gerichtshof dann das Urteil gegen Lula wegen Verfahrensfehlern auf – und machte damit den Weg frei für seine Rückkehr an die Macht. (afp/the)

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