Der neue Verfassungsschutzbericht 2024 zeichnet ein düsteres Bild: Rechtsextreme Tathandlungen haben massiv zugenommen, islamistische Radikalisierung verlagert sich zunehmend ins Netz – und auch linksextreme Delikte steigen deutlich. Besonders alarmierend: Junge Menschen werden gezielt über soziale Medien rekrutiert.

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Der Verfassungsschutzbericht für das Jahr 2024 zeigt eine ungünstige Entwicklung in allen relevanten Bereichen. Sowohl beim islamistischen Extremismus als auch bei Rechts- und Linksextremismus kam es zu einem Anstieg der Tathandlungen. Als besonders gefährlich vor allem bei der Rekrutierung jugendlicher Täter zeigt sich das Internet. Weiters problematisch ist, dass rechtsextreme Gruppen eine starke Tendenz zur Bewaffnung zeigen.

Präsentiert wurde der Bericht Montagvormittag von Innenminister Gerhard Karner (ÖVP) gemeinsam mit seinem Staatssekretär Jörg Leichtfried (SPÖ) und dem Leiter der Direktion Staatsschutz Nachrichtendienste Omar Haijawi-Pirchner. Letzterer betonte, dass der Rechtsextremismus zahlenmäßig mit 1.486 registrierten Tathandlungen weiter die stärkste Gruppe sei. Der Anstieg gegenüber 2023 betrage 23 Prozent.

Rechtsextreme Szene ist gewaltbereit

Dabei bemerke man eine zunehmend internationalere Vernetzung. Hierbei gehe es in Chatgruppen auch um die Vorbereitung von Gewalttaten. In Österreich habe ein 16-jähriger einen Chat mit 150 Minderjährigen koordiniert. Dabei sei Verherrlichung von Nationalsozialismus bis hin zu Videos mit Tötungsfantasien gegen jüdische und muslimische Personen registriert worden: "Die Szene ist gewaltbereit", betonte Haijawi-Pirchner.

Karner unterstrich, dass die rechtsextremen Gruppen eine Affinität zum Waffenbesitz hätten. Sehr oft seien Waffen und Munitionen in hoher Zahl sichergestellt worden. Haijawi-Pirchner ergänzte, dass sich vor allem junge Gruppen auf den "Tag X", sprich einen Umsturz vorbereiten würden. Bei der Rekrutierung hilfreich seien online verbreitete Verschwörungserzählungen, berichtete Karner.

Terrororganisationen setzen künftig auf KI

Die laut Innenminister "zweifellos gefährlichste" Gruppierung sind jedoch weiter radikale Islamisten. Diese hätten seit dem Attentat der Hamas auf Israel weiter Zuspruch erfahren. Die Ereignisse hätten dazu geführt, dass es auch zu rascherer Radikalisierung von jungen Menschen gekommen sei. Vor allem der Online-Bereich spiele hier eine entscheidende Rolle. Jugendliche würden in Gruppen gelockt, wo sie sogar Anleitungen für Anschläge bekämen. Haijawi-Pirchner warnte, dass davon auszugehen sei, dass Terrororganisationen auch KI nützen würden, um Terror-Propaganda zu erzeugen.

Die Österreicher seien nicht mehr sicher - "nirgendwo und zu keiner Zeit", meinte FPÖ-Generalsekretär Michael Schnedlitz. Dafür trügen die anderen Parteien angeführt von der ÖVP, die alleinige Verantwortung. Schnedlitz sieht ein "eklatantes Versagen".

Leichtfried erläuterte, dass die Versuche der Online-Manipulierung schleichend und sektenartig vorangingen: "Aber es funktioniert." Aufgabe der Politik sei es, dass das Internet kein mehr oder weniger rechtsfreier Raum wie derzeit sei. Ohne Scheuklappen nachdenken will Leichtfried über ein Alterslimit für die Social Media-Nutzung. Seitens der Grünen wurde daraufhin Freude ausgedrückt, dass deren Vorstoß für ein Mindestalter von 16 Jahren auf Social Media nun offenbar auch von Regierungsseite aufgegriffen werde, wie Jugendsprecherin Barbara Neßler und Digitalsprecher Süleyman Zorba formulierten.

Betont wurde vom Staatssekretär, dass jedenfalls acht Attentate mit islamistischem Hintergrund verhindert werden konnten, wobei es sich jeweils um schon bekannte Fälle wie die Anschlagspläne auf Bahnhöfe und das Taylor Swift-Konzert handelte. Haijawi-Pirchner sah zwar seit dem Hamas-Angriff einen Anstieg der Gefährder. Deren Zahl liege aber insgesamt weiter im niedrigen dreistelligen Bereich.

Starkes Plus auch bei linksextremen Taten

Zum Vergleich: Die Zahl der Linksextremen gab der DSN-Chef mit einer niedrigen zweistelligen Zahl. Dennoch kam es auch in diesem Bereich zu einem deutlichen Anstieg der Delikte, oft im Zusammenhang mit dem Gaza-Konflikt. 214 Tathandlungen, darunter vor allem Körperverletzung, bedeuteten ein Plus von 120 Prozent.

Karner versicherte, dass man personell im Bereich des Staatsschutzes weiter aufrüsten werde. Einmal mehr pochte er auf mehr Möglichkeiten für die DSN, Stichwort Messenger-Überwachung, die innerhalb der Regierung von den NEOS noch kritisch beäugt wird. Nicht näher wollte sich Haijawi-Pirchner dazu äußern, ob die Kooperation mit den US-Diensten seit der Präsidentschaft Donald Trumps schlechter geworden sei: "Wir äußern uns niemals zur Zusammenarbeit mit Partnern." 2024 habe es aber eine intensive Zusammenarbeit gegeben und diese gebe es weiterhin.

NEOS-Generalsekretär Douglas Hoyos meinte in einer Aussendung, die Politik müsse "noch mehr Engagement in Deradikalisierungsmaßnahmen und Prävention stecken, um jede Form von Extremismus zurückzudrängen." Das beginne bei Maßnahmen in den Bereichen Bildung und Aufklärung. (APA/bearbeitet von skr)