Syrien ist ein komplexes Land mit vielen Völkern und Religionen. Im Mittelpunkt standen zuletzt die Drusen. Obwohl sie eine religiöse Minderheit in Syrien darstellen, spielen sie eine wichtige Rolle in der Geschichte des Nahen Osten.
Mehr als eine Million Drusen leben im Nahen Osten. Seit Jahrhunderten versucht sich die Religionsgemeinschaft in der Region zu behaupten, die Islamisten als "Ungläubige" betrachten. Bei den jüngsten Auseinandersetzungen zwischen sunnitischen Beduinen, Drusen und Truppen der neuen islamistischen Regierung im Süden Syriens wurden Menschenrechtsaktivisten zufolge mehr als 90 Drusen getötet.
Die monotheistische Religion der Drusen entstand im 11. Jahrhundert in Ägypten als Abspaltung vom schiitischen Islam. Sie enthält auch mystische Elemente wie den Glauben an die Seelenwanderung nach dem Tod. Die Lehren der Drusen werden geheim gehalten und Außenstehende können nicht zum Drusentum konvertieren. Auch Ehen mit Andersgläubigen lehnen die Drusen ab.
Unter Muslimen ist umstritten, ob Drusen zum Islam gehören. Sie beziehen sich in ihrem Glauben auf eigene Schriften, aber auch griechische Philosophen beeinflussten ihre Lehre. Die traditionelle Kleidung der Drusen ist schwarz. Männer tragen weiße Kopfbedeckungen, die Frauen verhüllen mit weißen Tüchern Haare und Mund.
Gemeinschaft über die Grenzen
Die Mehrheit der Drusen lebt in Dörfern auf dem Land und in den Bergen Syriens, des Libanons und Israels. Mit geschätzt 700.000 Mitgliedern stellte die Gemeinschaft vor dem Krieg in Syrien rund drei Prozent der Bevölkerung. Die größten Gruppen leben in den Provinzen Suweida und Kuneitra im Süden. Dort liegt auch das so genannte Drusengebirge. Kleinere Gemeinschaften finden sich auch in den Vororten von Damaskus.
Die Zahl der Drusen im Libanon wird auf rund 200.000 geschätzt, in Jordanien sollen es 15.000 bis 20.000 sein. Etwa 153.000 Drusen sind israelische Staatsbürger. Im Gegensatz zu anderen arabischen Israelis dienen sie auch in der Armee. Mehr als 20.000 Drusen leben als syrische Staatsbürger auf den Golanhöhen, die Israel 1967 von Syrien eroberte.
"Die Drusen erkennen Grenzen nicht wirklich an", sagt der Historiker Makram Rabah von der American University in Beirut. "Es gibt Ehen und stabile Beziehungen zwischen den Drusen in der gesamten Region, wobei die Geistlichen eine sehr wichtige Rolle spielen, diese Verbindungen aufrechtzuerhalten."
Außerhalb des Nahen Ostens gibt es eine drusische Diaspora, vor allem in Nordamerika und Australien. Zu den bekanntesten Drusen gehört die Menschenrechtsanwältin Amal Alamuddin Clooney, die Frau des US-Schauspielers George Clooney.
Minderheit mit Einfluss
Obwohl nur eine Minderheit, spielten die Drusen eine wichtige und manchmal sogar führende Rolle im politischen und sozialen Leben" im Nahen Osten, sagt der Historiker Rabah. Der Druse Sultan Pascha al-Atrasch führte den Aufstand gegen die französische Kolonialmacht an. Im Libanon war der Drusen-Führer Kamal Dschumblatt bis zu seiner Ermordung 1977 jahrzehntelang eine wichtige politische Figur; auch sein Sohn Walid ist ein einflussreicher Politiker.
Im April forderte Dschumblatt die syrischen Drusen auf, sich gegen "israelische Einmischung" zu wehren. Israel sieht sich als Schutzmacht der Drusen und flog nach den jüngsten Auseinandersetzungen erneut Angriffe auf die syrische Armee.
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Aus dem syrischen Bürgerkrieg hatten sich die Drusen weitgehend herausgehalten und konzentrierten sich auf die Verteidigung ihres Kerngebiets, wo sie immer wieder von Dschihadisten angegriffen wurden.
Nach dem Sturz von Machthaber Baschar al-Assad im Dezember bekundeten drusische Führer ihre Loyalität gegenüber einem vereinten Syrien, einige forderten jedoch internationalen Schutz. Die meisten bewaffneten Drusen-Gruppen haben noch keine Abkommen mit der neuen Regierung geschlossen. (afp/bearbeitet von lko)