Seit Monaten wüten Flammen in Australien, die sich auch aufgrund des Klimawandels so großflächig ausbreiten konnten. Klima- und Umweltschützer demonstrieren nun gegen ein geplantes Kohlebergwerk im Nordosten des Landes – und setzen den Projektbeteiligten Siemens unter Druck.

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Ein deutscher börsennotierter Technologiegroßkonzern, ein Kohleprojekt am anderen Ende der Welt und Buschbrände gewaltigen Ausmaßes. Alles das steht miteinander in Verbindung: Siemens ist an einem Kohleförderprojekt in Australien beteiligt. Dem Land, das seit Monaten von großflächige Wald- und Buschbrände heimgesucht wird. Die Feuer wiederum werden durch den Klimawandel begünstigt.

Klima- und Umweltschützer demonstrieren deshalb gegen ein neues, riesiges Kohlebergwerk, das im Nordosten Australiens entstehen soll. Die Proteste zielen auch auf Siemens, das an dem Projekt beteiligt ist. Der deutsche Konzern steht zwar im Austausch mit Klimaaktivisten, will aber an dem Vorhaben festhalten. Das bekräftige Siemens-Chef Joe Kaeser am Sonntagabend nach einer außerordentlichen Vorstandssitzung – zum Unmut der Klimaschützer.

Wir beleuchten, was Siemens in Australien macht und woran sich Klimaschützer stören.

Welche Rolle spielt Siemens in dem australischen Kohleprojekt?

Das deutsche Unternehmen hatte im Juli 2019 den Auftrag für eine Zugsignalanlage für die Carmichael-Mine im australischen Bundesstaat Queensland unterzeichnet. Das Bergwerk der indischen Adani Group im Nordosten des Landes soll eine der größten Kohleförderstätten der Welt werden und schon im kommenden Jahr in Betrieb gehen.

Jährlich sollen aus fünf Untertageminen und sechs Tagebaustätten bis zu 60 Million Tonnen Kohle gefördert werden. Zum Vergleich: In ganz Deutschland wurden 2018 insgesamt 169 Millionen Tonnen Stein- und Braunkohle produziert.

Siemens-Chef Kaeser hatte Mitte Dezember angekündigt, die Beteiligung an dem Projekt auf den Prüfstand zu stellen. Zuvor war er nach eigenen Angaben nicht über den "sehr kleinen" Auftrag mit einem Volumen von 18 Millionen Euro informiert gewesen. Am Sonntag teilte Kaeser aber mit, der Konzern werde an der Projektbeteiligung festhalten.

Woran entzündet sich der Protest der Klima- und Umweltschützer?

Tatsächlich bekämpfen Umweltschützer das Kohlebergwerk schon seit Jahren. Aufgrund der verheerenden Wald- und Buschbränden steht das Kohleprojekt nun allerdings weltweit im Fokus. Auch in Australien selbst ist das Thema Klimaschutz zuletzt verstärkt zu einem Thema der öffentlichen Debatte geworden.

Australiens Premierminister Scott Morrison betreibt eine Pro-Kohle-Politik und unterstützt energisch das Carmichael-Projekt. Das Land ist der größte Kohle-Exporteur der Welt.

Umweltschützer warnen, die Verbrennung der Kohle aus der australischen Mine in den Zielländern Indien und China werde die Klimaerwärmung verschlimmern. Zudem seien in Australien zahlreiche Tierarten durch die Mine bedroht.

Die Kohle soll zudem von einem Hafen in der Nähe des Great Barrier Reef verschifft werden. Dabei handelt es sich um das größte Korallenriff der Welt. Es ist nach Angaben von Naturschützern als Folge von Umweltverschmutzung und Klimaerwärmung bereits stark beschädigt.

Was kritisieren Klima- und Umweltschützer bei Siemens?

Die angebliche Klimawandel-Strategie des Konzerns entpuppe sich als "inhaltsleer und bedeutungslos", erklärte die Australian Conservation Foundation der Deutschen Presse-Agentur am Montag. Der Konzern sei keinen Deut besser als die von der Ausbeutung fossiler Energieträger profitierenden Firmen, mit denen er zusammenarbeite, sagten die australischen Umweltschützer.

Die deutsche Fridays-for-Future-Sprecherin Luisa Neubauer warf Kaeser eine "historische Fehlentscheidung" vor. Er habe sich gegen das Pariser Klimaschutzabkommen, gegen die zukünftigen Generationen und "nicht zuletzt gegen die Klimaschutz-Reputation von Siemens" entschieden.

Neubauers Mitstreiter Nick Heubeck erklärte, das Bekenntnis zu dem Auftrag für die Kohlemine "macht die Bestrebungen von Kaeser, den Siemens-Konzern zukunftsgerichtet wirken zu lassen, vollständig zunichte". Angesichts der Klimakrise müssten "gerade auch Konzerne" ihre Versprechen zum Klimaschutz einhalten.

Fridays for Future rief am Montag zu Kundgebungen in rund 15 Städten auf, darunter München, Erlangen, Berlin, Düsseldorf, Frankfurt, Hamburg und Köln.

Warum hält Siemens am Auftrag für das Kohlebergwerk in Australien fest?

Kaeser schrieb auf Twitter, sein Unternehmen habe im Fall des australischen Projekts alle Optionen geprüft, müsse sich aber an seine vertraglichen Verpflichtungen halten. Es gebe "keinen gesetzlich und ökonomisch verantwortungsvollen Weg", ohne Pflichtverletzung vom Vertrag zurückzutreten. "Wäre es mein eigenes Unternehmen, hätte ich womöglich anders gehandelt", erklärte der Siemens-Chef. Er müsse aber auch an Kunden und Investoren denken.

Er kündigte die Gründung eines Nachhaltigkeitsrates an, um Umweltschutzfragen in der Zukunft besser zu berücksichtigen. Kaeser bemerkt zudem, der Konzern hätte im Vorfeld "weiser" über das Projekt urteilen sollen. Doch die Mine sei von der australischen Regierung unter der Berücksichtigung von Umweltstandards genehmigt worden und werde in jedem Fall kommen, "ob Siemens die Signalanlage bereitstellt oder nicht".

Worum geht es in der Diskussion um einen Platz im Siemens-Aufsichtsrat für Klimaaktivistin Neubauer?

Siemens-Chef Kaeser hatte der Klima-Aktivistin Neubauer am Freitag einen Sitz in einem Aufsichtsgremium der künftigen Siemens Energy AG angeboten. Ob es der Aufsichtsrat oder ein anderes Gremium sei, könne Neubauer selbst entscheiden, sagte Kaeser in Berlin.

Allerdings lehnte Neubauer das Angebot ab. Sie bat Siemens stattdessen, den Sitz an einen Vertreter oder Vertreterin von Scientists For Future weiterzugeben. Bei der Initiative sind Wissenschaftler organisiert, die die Klimaschutz-Bewegung Fridays for Future unterstützen.

Sie kenne das Aktienrecht, erklärte Neubauer ihre Entscheidung. "Mit dem Posten wäre ich den Interessen des Unternehmens verpflichtet und könnte Siemens dann nicht mehr unabhängig kommentieren. Das ist nicht mit meiner Rolle als Klimaaktivistin zu vereinbaren."

Kaeser wiederum will keinem Experten den Posten geben. Neubauers Vorschlag sei "gut gemeint", teilte Kaeser am Sonntag mit. "Aber Experten und Wissenschaftler haben wir schon genug." (afp/dpa/mf)

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