Im Anschluss an Kommunalwahlen in Georgien kam es im Land zu zahlreichen Protesten. Die Opposition wirft der Regierung Unterdrückung vor. Auch die EU äußert sich kritisch zu dem Vorgehen der Regierungspartei.

Die EU hat massive Kritik an den jüngsten Kommunalwahlen in der Schwarzmeer-Republik Georgien geübt. Die Wahl am Samstag sei "inmitten einer Phase umfassender Repressionen" gegen die Opposition erfolgt, heißt es in einer gemeinsamen Erklärung der EU-Außenbeauftragten Kaja Kallas und der Erweiterungsbeauftragten Marta Kos. "Monatelange Razzien gegen unabhängige Medien, Gesetze gegen die Zivilgesellschaft, die Inhaftierung von Oppositionellen und Aktivisten sowie Änderungen des Wahlgesetzes zugunsten der Regierungspartei haben die Möglichkeit fairer Wahlen drastisch eingeschränkt."

Angesichts möglicher neuer Massenproteste gegen die Regierung riefen Kallas und Kos zu Ruhe und Zurückhaltung auf und forderten die georgischen Behörden auf, das Recht ihrer Bürger auf Versammlungs- und Meinungsfreiheit zu wahren. "Wir rufen alle Seiten auf, Abstand von Gewalt zu nehmen", heißt es weiter in der Erklärung.

In der Hauptstadt Tiflis (Tbilissi) waren am Samstag unmittelbar nach den Wahlen Zehntausende Menschen gegen den zunehmend autoritären Kurs der Regierungspartei Georgischer Traum auf die Straße gegangen. Bei Zusammenstößen wurden nach Angaben des Gesundheitsministeriums 21 Polizisten und sechs Demonstranten verletzt. Die Polizei setzte Tränengas und Wasserwerfer ein. Die Sicherheitskräfte nahmen mehrere mutmaßliche Rädelsführer der Proteste fest. Einige Demonstranten versuchten wohl auch in den Präsidentenpalast einzudringen.

Georgiens Ministerpräsident spricht von Putschversuch

Ministerpräsident Irakli Kobachidse stufte die Ausschreitungen bei den Protesten als Umsturzversuch ein und sprach von "Putschversuch" der Opposition. Er kündigte weitere Festnahmen und Verurteilungen an. Die Oppositionsbewegung sei ein "Netzwerk ausländischer Agenten" und dürfe "nicht länger in der georgischen Politik aktiv sein".

Am Sonntag versammelten sich nach Medienberichten mehrere Hundert Demonstranten vor dem Parlamentsgebäude in Tiflis. Bis zum Abend wurden keine Zwischenfälle gemeldet. Das Innenministerium hatte die Demonstranten vor einer "Fortsetzung der Aktionen" vom Vorabend gewarnt und mit massiven Gegenmaßnahmen gedroht.

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Bei den von Teilen der Opposition boykottierten Kommunalwahlen hatte die Regierungspartei Georgischer Traum nach offiziellen Angaben einen klaren Sieg eingefahren. Der zentralen Wahlkommission zufolge errangen die Kandidaten der Regierungspartei Erdrutschsiege bei allen Bürgermeister-Wahlen.

Georgien steckt seit der umstrittenen Parlamentswahl vor rund einem Jahr in einer politischen Krise. Die Zivilgesellschaft steht durch den autoritären Kurs der Regierungspartei unter Druck. Im Herbst 2024 hatte sich die Partei Georgischer Traum zur Siegerin der Parlamentswahl erklären lassen. Die prowestlichen Oppositionsparteien boykottierten das Parlament. Als Kobachidse auch noch den in der georgischen Verfassung verankerten EU-Kurs des Landes aussetzte, löste das wochenlange Massenproteste vor allem in Tiflis, aber auch in anderen Städten aus. Die Wahl hat auch das Verhältnis zwischen Tiflis und Brüssel weiter belastet. (afp/dpa/bearbeitet von the)

Teaserbild: © AFP/GIORGI ARJEVANIDZE