Ghassem Soleimani war der wichtigste Vertreter des iranischen Militärs im Ausland. Mit der gezielten Tötung des Generals könnten die USA einen Krieg provoziert haben. International wächst die Angst vor einer Auseinandersetzung.

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Der Konflikt zwischen den USA und dem Iran spitzt sich gefährlich zu. Nach der Tötung des iranischen Generals Ghassem Soleimani durch einen gezielten US-Angriff in Bagdad droht die oberste Führung in Teheran den USA mit Vergeltung.

"Soleimanis Weg wird auch ohne ihn weitergeführt, aber die Kriminellen erwartet eine schwere Rache", schrieb Ajatollah Ali Chamenei am Freitag in einem Beileidsschreiben, das im iranischen Staatsfernsehen zitiert wurde. Die Eskalation löste international Furcht vor einem Krieg aus.

Pentagon: Angriff war "Akt der Verteidigung"

Soleimani, der Kommandeur der iranischen Al-Kuds-Brigaden, wurde am Donnerstag (Ortszeit) bei einem US-Raketenangriff nahe dem Flughafen der irakischen Hauptstadt Bagdad getötet. Das Pentagon sprach von einem "Akt der Verteidigung".

Der Angriff sei auf Anweisung von Präsident Donald Trump erfolgt, um weitere Attacken auf US-Kräfte zu verhindern. Soleimani habe an Plänen gearbeitet, um US-Diplomaten und Einsatzkräfte im Irak und in der Region zu attackieren. Getötet wurde auch der stellvertretende Leiter der irakischen Volksmobilisierungskräfte, Abu Mahdi al-Muhandis, wie die Medienstelle der vom Iran unterstützten Miliz erklärte.

Nach Auffassung einer UN-Menschenrechtsexpertin war die gezielte Tötung Soleimanis wahrscheinlich ein Verstoß gegen internationales Recht. "Rechtfertigungen für solche Tötungen sind sehr eng definiert, und es ist schwer vorstellbar, wie eine davon auf diese Tötungen angewendet werden kann", twitterte Agnes Callamard.

Der Einsatz von Drohnen oder anderen Mitteln für gezielte Tötungen sei außer bei aktiven Kampfhandlungen fast nie legal. Tödliche Gewalt sei höchstens erlaubt, wenn unmittelbar Gefahr für Leben bestehe. "Dass jemand in der Vergangenheit an Terrorangriffen beteiligt war reicht nicht aus, um eine solche Tötung legal zu machen", schrieb Callamard.

Die französische Politologin arbeitet an der Columbia-Universität in New York. Sie ist unabhängige Berichterstatterin des UN-Menschenrechtsbüros für außergerichtliche, summarische oder willkürliche Hinrichtungen.

Beobachter befürchten eine Eskalation

Der iranische Präsident Hassan Ruhani kündigte Vergeltung an. "Zweifellos werden der Iran und andere unabhängige Staaten dieses schreckliche Verbrechen der USA rächen", erklärte Ruhani in einem Kondolenzschreiben. Diese feige Tat zeige die Verzweiflung der US-Nahostpolitik. Außenminister Mohammed Dschwad Sarif twitterte: "Die Ermordung General Soleimanis war extrem gefährlich und wird zu einer Eskalation der Krise führen."

Im Iran gab es am Freitag in fast allen Teilen des Landes spontane Kundgebungen gegen die USA. Beobachter befürchten eine gefährliche Eskalation des Konflikts zwischen den USA und dem Iran.

Die US-Botschaft in Bagdad rief ihre Staatsbürger zur sofortigen Ausreise aus dem Irak auf. Als Reaktion auf die Lage im Nahen Osten zogen die Öl- und Goldpreise deutlich an, auf den Finanzmärkten weltweit breitete sich Unruhe aus.

In den Vereinigten Staaten entbrannte eine Debatte über die Rechtmäßigkeit des US-Angriffs. "Präsident Trump hat soeben eine Stange Dynamit in ein Pulverfass geworfen", erklärte der frühere US-Vizepräsident und demokratische Präsidentschaftsbewerber Joe Biden.

Die Demokraten werfen Trump vor, ohne Zustimmung des Kongresses gehandelt zu haben. Der republikanische US-Senator Marco Rubio rechtfertigte die Tötung auf Twitter als Selbstverteidigung.

Internationale Reaktionen auf Vorgehen der USA

Die im Irak eingesetzten Bundeswehrsoldaten verschärften ihre Sicherheitsmaßnahmen, wie ein Sprecher des Einsatzführungskommandos in Potsdam sagte. Die deutsche Regierung rief zur Besonnenheit auf. "Es kommt gerade an diesem Punkt jetzt auf Deeskalation an", sagte die stellvertretende Regierungssprecherin Ulrike Demmer in Berlin. Das amerikanische Vorgehen sei eine Reaktion auf ganze Reihe von Provokationen, für die der Iran die Verantwortung trage. Auf Nachfrage vermied sie direkte Kritik am Vorgehen der US-Regierung.

Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu brach wegen der Lage im Irak seinen Besuch in Griechenland ab, um die aktuellen Entwicklungen zu verfolgen, wie sein Büro am Freitag mitteilte. Das Land befindet sich nach dem Vorfall im Irak in erhöhter Alarmbereitschaft. Israel und der Iran sind Erzfeinde. Teheran hat in der Vergangenheit mit Vergeltungsschlägen gegen den US-Verbündeten Israel gedroht.

Die militanten Palästinenserorganisationen Hamas und Islamischer Dschihad im Gazastreifen verurteilten die Tötung Soleimanis. "Die Vereinigten Staaten von Amerika tragen die Verantwortung für das Blutvergießen in der arabischen Region", teilte die Hamas mit. Die Extremistenorganisation Islamischer Dschihad bezeichnete die USA als den "großen Teufel". Beide Palästinenserorganisationen werden vom Iran unterstützt und von der EU und den USA als Terrororganisationen eingestuft. Sie zielen auf eine Zerstörung Israels.

Auch Russland befürchtet nach der Tötung Soleimanis weitere Gewalt im Irak. Es könne zu Zusammenstößen zwischen radikalen Schiiten und den USA kommen, sagte der prominente russische Außenpolitiker Konstantin Kossatschow am Freitag der Agentur Interfax zufolge in Moskau. "Kriege lassen sich leicht beginnen, aber nur schwer beenden."

China, das wie Russland als Verbündeter des Irans gilt, rief alle Seiten zur Mäßigung auf. "Wir mahnen alle beteiligten Parteien, besonders die Vereinigten Staaten, Ruhe und Zurückhaltung walten zu lassen, um weitere Spannungen und Eskalationen zu vermeiden", sagte Außenministeriumssprecher Geng Shuang in Peking. Die Souveränität und territoriale Unversehrtheit des Iraks müssten respektiert werden. (dpa/ank)

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