Wladimir Putin regiert Russland wie ein Diktator. Wer sich gegen seinen Willen stellt, bekommt Konsequenzen zu spüren. Manch einer versucht Putins Zorn mit einer Flucht nach Amerika zu entgehen. Doch unter Trump sind Putins Gegner auch im "Land der Freiheit" nicht mehr sicher.
Natalia floh aus Russland in die USA, weil ihr in ihrer Heimat als Oppositionelle Gefängnis drohte. Doch statt in den Vereinigten Staaten politisches Asyl zu bekommen, sitzt sie nun dort in Haft – getrennt von Mann und Kindern. Für die Russin ist das kaum zu ertragen, doch ihre größte Angst ist, in ihr Heimatland abgeschoben zu werden. "Wenn ich nach Russland zurückkehre, werde ich verhaftet", fürchtet Natalia.
Natalia erzählt ihre Geschichte in einem Telefoninterview mit der Nachrichtenagentur AFP aus einem Gefangenenlager für Einwanderer im südlichen Bundesstaat Louisiana. Dort muss sie eine orangefarbene Uniform tragen und sich den Schlafsaal mit etwa 60 anderen Frauen teilen.
Nur ein Vorhang trennt diesen Raum mit den Etagenbetten von den Duschen und Toiletten. Der schützt weder die Privatsphäre noch vor dem Gestank. Seit fast eineinhalb Jahren ist Natalia dort eingesperrt.
Trumps Anti-Migrationskurs trifft russische Oppositionelle
"Ich habe die Opposition unterstützt, ich habe oppositionelle Aktivisten unterstützt, die gegen Putins Regime sind", sagt sie. Seit dem Überfall auf die Ukraine 2022 geht der russische Präsident Wladimir Putin noch härter gegen Dissidenten vor.
Zehntausende Russen beantragten seither Asyl in den USA. Doch sicher sind sie auch hier nicht. Die Kampagne gegen Einwanderer von Präsident
Etwa 85 Prozent der 2024 geprüften russischen Asylanträge wurden laut offiziellen Angaben genehmigt. In den vergangenen Monaten hätten die Ablehnungen jedoch zugenommen, schildern inhaftierte Einwanderer, Anwälte und Menschenrechtsgruppen.
Russische Migranten wurden demnach auch willkürlich inhaftiert und erhielten keine faire Chance, sich vor Gericht zu verteidigen. Der amtlichen Statistik zufolge wurden seit 2022 etwa 900 Russen, darunter viele Asylbewerber, in ihr Herkunftsland abgeschoben.
USA schieben zahlreiche russische Migranten ab
Im Sommer wurden etwa hundert von ihnen mit zwei eigens gecharterten Flügen unter Bewachung direkt nach Russland gebracht. Sie hätten auch keine Möglichkeit bekommen, in einem Drittland Zuflucht zu suchen, wie die Organisationen Russian America for Democracy in Russia (RADR) und Russian Antiwar Committee berichten.
Die Abgeschobenen wurden demnach bei ihrer Ankunft lange verhört und mindestens zwei von ihnen wurden verhaftet. "Das ist eine Katastrophe", sagt Dmitry Valuev, Vorsitzender von RADR. "Das darf nicht sein. Sie deportieren Menschen, die in Russland wirklich in Gefahr sind."
US-Beamte lehnten es ab, sich zu den jüngsten Abschiebungen russischer Staatsbürger gegenüber AFP zu äußern.
Asyl abgelehnt – Regierungskritikerin droht Haft in Russland
Natalia und ihr Mann waren jahrelang politisch aktiv und setzten sich für den wichtigsten russischen Oppositionspolitiker Alexej Nawalny ein, der 2024 in einem russischen Gefängnis starb – nach Angaben seiner Witwe wurde er vergiftet. Nawalnys Organisation war 2021 verboten und als "extremistisch" eingestuft worden, seine Anhänger werden verfolgt.
Nachdem die Polizei 2023 die Wohnung der Familie außerhalb von Moskau durchsucht hatte, flog Natalias Mann mit einem der Kinder nach Mexiko und überquerte die Grenze zu den Vereinigten Staaten. Dort meldeten die beiden sich bei den Behörden, beantragten Asyl und wurden bis zur gerichtlichen Anhörung auf Bewährung freigelassen. Eine Entscheidung steht noch aus.
Als Natalia ein Jahr später nachkam, wurde sie anders als ihr Mann inhaftiert. Seither ist sie eine von etwa tausend Russen, die laut RADR in den Haftanstalten für Einwanderer festgehalten werden. Ehepartner würden häufig getrennt und in verschiedenen Bundesstaaten inhaftiert, berichten Anwälte.
Im April lehnte ein Richter Natalias Antrag auf politisches Asyl ab, obwohl die Familie in Russland wegen regierungskritischer Proteste verhaftet worden war und sich in einer verbotenen Oppositionsgruppe engagierte. Sie legte Berufung ein.
Inhaftierte Dissidentin: Werde vor Gericht behandelt wie in Russland
"Ich bin zutiefst enttäuscht. Ich dachte, hier gäbe es eine Art von Gerechtigkeit und Vernunft", sagt Natalia. "Ich hätte nie geglaubt, dass ich vor Gericht genauso behandelt werden würde wie in Russland."
Die Tage im Lager sind lang und trostlos. Manchmal würden Wärter persönliche Habseligkeiten wegwerfen, erzählt Natalia. Oder ihnen verbieten, sich beim Hofgang mit einem Handtuch warmzuhalten. Manche Frauen litten Hunger oder würden nicht ausreichend medizinisch versorgt.
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"Mein größter Kummer ist, dass ich nicht am Leben meiner Kinder teilhaben kann. Ich weiß, dass sie mich brauchen", sagt Natalia. "Aber ich weine nicht mehr, ich muss leben, um bei der Berufung dabei zu sein." (afp/bearbeitet von thp)