Norwegen hat gewählt. Und auch wenn es knapp zu werden scheint: Der amtierende sozialdemokratische Ministerpräsident Jonas Gahr Støre darf auf eine zweite Amtszeit hoffen. Starke Zuwächse bekam die rechte Fortschrittspartei.

Die Sozialdemokraten von Regierungschef Jonas Gahr Støre haben laut Hochrechnungen die Parlamentswahl in Norwegen gewonnen. Wie aus am Montagabend nach Schließung der Wahllokale von den Fernsehsendern TV2 und NRK veröffentlichen Zahlen hervorgeht, dürfte der von Støres Arbeiterpartei angeführte Mitte-Linksblock eine Mehrheit von 87 bis 89 Mandaten im 169 Sitze großen Osloer Parlament erreichen. Dem Mitte-Rechts-Bündnis wurden 81 bis 82 Sitze zugerechnet, besonders stark schnitt demnach die rechte Fortschrittspartei ab.

Sollten sich die Prognosen bestätigten, dürfte der seit 2021 regierende Störe Norwegen im Amt bleiben können, voraussichtlich als Chef einer Minderheitsregierung.

Den Prognosen zufolge kommt Støres sozialdemokratische Arbeiterpartei auf rund 28 Prozent der Stimmen. Voraussichtlich wird die Partei im Parlament auf die Zusammenarbeit mit vier weiteren linken Kräften angewiesen sein - wobei die politischen Unterschiede erheblich sind. So will die Arbeiterpartei den Abbau der norwegischen Erdölvorkommen fortsetzen, während die Grünen für den Ölausstieg sind.

Rechtspopulistische Fortschrittspartei legt zu

Innerhalb des Mitte-Rechts-Blocks legte den Prognosen zufolge die rechtspopulistische Fortschrittspartei deutlich auf mehr als 24 Prozent der Stimmen zu - und landete somit deutlich vor den Konservativen der früheren Regierungschefin Erna Solberg.

Den Erhebungen am Wahlabend zufolge stimmten insbesondere Jungwähler und gerade Männer für die Rechtspopulisten. Die Chefin der Fortschrittspartei, Sylvi Listhaug, sprach sich am Montag hauptsächlich dafür aus, Steuerverschwendung in Norwegen zu beenden.

Ex-Nato-Generalsekretär Stoltenberg als Finanzminister

Støres Regierungskoalition mit der europaskeptischen Zentrumspartei war im vergangenen November nach einem Streit zerbrochen. Die Partei führte die Minderheitsregierung nach dem Bruch mit der Zentrumspartei ohne Koalitionspartner weiter. Støre holte Ex-Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg als Finanzminister ins Kabinett. Dieser ist in dem nordischen Land mit rund 5,6 Millionen Einwohnern äußerst beliebt und brachte der Arbeiterpartei viel Zuspruch.

Im Wahlkampf hatte vornehmlich die Vermögensteuer, die ein Teil der Linken für die Reichsten erhöhen möchte, während die Rechte sie senken oder sogar abschaffen will, für Diskussionen gesorgt. Aufsehen erregt hatte in Norwegen, dass mehrere Dutzend wohlhabende Bürger in den vergangenen Jahren in die Schweiz abgewandert waren, um die Steuer nicht bezahlen zu müssen.

Minderheitsregierungen in Norwegen nicht ungewöhnlich

Støre steht seit 2021 an der Spitze einer Minderheitsregierung. Diese Regierungsform ist in Norwegen nicht ungewöhnlich. Um regieren zu können, braucht eine Partei oder Koalition in Norwegen keine parlamentarische Mehrheit. Nur darf keine Mehrheit im Parlament gegen sie stimmen.

Eine Rekordzahl von 1,9 Millionen Norwegerinnen und Norwegern und damit fast die Hälfte der Wahlberechtigten hatte ihre Stimme bereits vor dem eigentlichen Wahltermin abgegeben.

Norwegen ist Mitglied der Nato und grenzt im Arktischen Ozean an Russland. Die Wirtschaft des Landes ist stark von Exporten abhängig.

Norwegen ist wichtiger Energielieferant für Europa

Die Zusammensetzung des norwegischen Parlaments hat für ganze Europa Bedeutung. Das Nato-Land Norwegen ist zwar kein Mitglied der EU, mit ihr aber als Staat des Europäischen Wirtschaftsraums (EWR) eng verbunden. Zudem ist das skandinavische Land seit dem Ukraine-Krieg einer der bedeutendsten Energielieferanten Europas.

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Die Erdöl- und Erdgasproduktion sind die wichtigsten Einnahmequellen des wohlhabenden Landes im Norden – und gleichzeitig seine größten Klimasünder. Drei der Parteien aus dem rot-grünen Spektrum, auf deren Unterstützung eine mögliche Støre-Regierung im Parlament angewiesen sein könnte, möchten neue Öl- und Gasbohrungen anders als Støres Ap beispielsweise nicht mehr zulassen.

Rund vier Millionen Norwegerinnen und Norweger waren zur Wahl aufgerufen. Das vorläufige Endergebnis der Wahl wird im Laufe der Nacht erwartet. (afp/dpa/bearbeitet von cgo)