Kann Gesichtsyoga wirklich Falten glätten und die Haut straffen? Oder ist das nur ein weiterer Anti-Aging-Mythos? Was die Methode wirklich bewirkt, welche Studien es dazu gibt und worauf man achten sollte.

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Auf TikTok, Instagram und Co. zeigen Influencerinnen und Influencer beim Gesichtsyoga begeistert, wie sie mit Grimassen und Massagegriffen angeblich Falten glätten und Konturen straffen. Für viele Menschen klingt das verlockend: Ein Facelift ganz ohne Arztbesuch – aber ist es tatsächlich so einfach?

"Gesichtsyoga passt perfekt in den Zeitgeist", sagt Susanne Steinkraus, Dermatologin mit Schwerpunkt Ästhetik und Lasermedizin. "Viele Menschen suchen nach sanften, natürlichen Methoden, um ihrer Haut möglichst ohne Eingriffe etwas Gutes zu tun."

Aktiv statt glattgespritzt – wie Gesichtsyoga funktioniert

Beim Gesichtsyoga werden bestimmte Muskelgruppen gezielt angespannt, gedehnt oder geklopft. Laut Steinkraus wird so die Durchblutung gefördert, Lymphstauungen abgebaut und das sogenannte Muskelbewusstsein verbessert. Die Folge: Ähnlich wie beim Sport wird der Teint dadurch frischer und die Haut erhält mehr Spannkraft. Eine direkte Faltenminderung ist allerdings nicht automatisch die Folge.

Bezeichnungen wie "natürliches Botox" hält die Dermatologin deswegen für irreführend. Denn aus medizinischer Sicht sind die beiden Methoden nicht gleichzusetzen. Während Botox gezielt bestimmte Muskelgruppen abschwächt, um so eine zu starke Muskelaktivität zu mildern, setzt Gesichtsyoga auf gezieltes Training und Dehnung der Muskulatur, um das Gesamtbild zu harmonisieren.

Der Wirkmechanismus ist also ein anderer. "In gewissen Fällen können beide Methoden sich ergänzen, aber ein vergleichbarer Effekt in Bezug auf Faltenglättung ist realistisch betrachtet eher begrenzt", so Steinkraus.

Studienlage bislang nicht aussagekräftig

So überzeugend viele Vorher-Nachher-Videos in sozialen Netzwerken auch wirken mögen – die Studienlage zu den Effekten von Gesichtsyoga ist noch überschaubar. In einer Studie der Northwestern University in Illinois absolvierten Frauen im Alter von 40 bis 65 Jahren über mehrere Monate hinweg gezielte Gesichtsübungen. Dermatologisches Fachpersonal bewertete anschließend anonymisierte Fotos vor und nach der Trainingsphase. Dabei wirkten die Wangenpartien etwas voluminöser und die Frauen insgesamt im Schnitt rund drei Jahre jünger.

Steinkraus ordnet das folgendermaßen ein: "Die Studie zeigt zwar positive Effekte. Es fehlte aber eine Kontrollgruppe und die Teilnehmerzahl war sehr gering." Denn nur 16 Frauen hielten das Programm bis zum Ende durch. Aufgrund der fehlenden Evidenz gilt Gesichtsyoga auch bislang nicht als medizinisch belegte Anti-Aging-Methode.

Gesichtsyoga: Diese Risiken gibt es

Wer sich für Gesichtsyoga interessiert, sollte auch bedenken, dass die Übungen bei unsachgemäßer Ausführung zu Hautproblemen führen kann. Wer dauerhaft zu stark zieht oder presst, riskiert Verspannungen oder fördert mimische Falten, etwa auf der Stirn oder im Augenbereich. Besonders bei empfindlicher Haut oder Erkrankungen wie Rosazea kann es zu negativen Auswirkungen kommen.

"Wichtig sind eine achtsame, sanfte Ausführung und regelmäßige Pausen", so die Empfehlung der Ärztin. Idealerweise lässt man sich zu Beginn auch in einem Kurs oder von Personen mit dermatologischer Expertise anleiten.

Kein Ersatz für medizinische Methoden

Der Wunsch, Gesichtsyoga als günstige Alternative zu Behandlungen mit Botox oder Microneedling zu nutzen, ist zwar verständlich, aus fachlicher Sicht nicht haltbar. "Gesichtsyoga arbeitet mit natürlichen Reizen, ist aber in seiner Tiefe und Wirkung nicht vergleichbar", sagt Steinkraus.

Dennoch sieht die Expertin in Gesichtsyoga einen sinnvollen ergänzenden Ansatz, besonders wenn es um die Prävention von Falten geht. "Es kann helfen, die Mimik bewusster wahrzunehmen, Spannungen abzubauen und das Hautbild leicht zu verbessern", erklärt sie. Wer aber auf drastische Effekte bei ausgeprägten Falten oder Volumenverlust hoffe, werde vermutlich enttäuscht.

Drei einfache Gesichtsyoga-Posen für den Einstieg

  • 1. Löwenpose: Augen weit aufreißen, Zunge so weit wie möglich herausstrecken, tief durch den Mund ausatmen. 10 Sekunden halten, 3-mal wiederholen. Ziel: Aktiviert Stirn, Augenpartie, Wangen und Kiefer.
  • 2. Wangenpumper: Luft in eine Wange blasen, kurz halten, dann zur anderen Seite wechseln. 5–10 Wiederholungen. Ziel: Trainiert die Wangenmuskulatur, strafft Konturen und fördert die Durchblutung.
  • 3. Stirnglätter: Fingerkuppen mittig auf die Stirn legen und sanft nach außen ziehen, während man die Augenbrauen anheben will – aber gegen den Druck der Finger. Ziel: Spannungen im Stirnbereich abzubauen und mimische Falten zu entspannen.

Fazit

Bei der Alterung unserer Haut handelt es sich um einen komplexen biologischen Prozess, der von verschiedenen Faktoren wie Genetik, Ernährung oder Stress beeinflusst wird. Gesichtsyoga kann diesen Prozess begleiten, aber nicht aufhalten oder umkehren. Wird Gesichtsyoga korrekt angewendet, kann es die Hautpflege sinnvoll ergänzen.

Die besten Ergebnisse lassen sich erzielen, wenn man die Übungen in ein ganzheitliches Konzept einbettet. Dazu gehören neben Hautpflege auch Sonnenschutz, eine ausgewogene Nährstoffversorgung und Bewegung. Wer dann dranbleibt, regelmäßig "trainiert" und realistische Ziele hat, kann davon profitieren.

Über die Gesprächspartnerin

  • Dr. med. Susanne Steinkraus ist Fachärztin für Dermatologie mit Spezialisierung auf ästhetische Medizin und Lasermedizin. Ihr Medizinstudium absolvierte sie an der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg. Die anschließende Facharztausbildung durchlief sie an der Universitäts-Hautklinik Erlangen-Nürnberg sowie am Nordklinikum Nürnberg. Während ihrer Tätigkeit an der Hautklinik in Erlangen vertiefte sie ihre Qualifikationen durch Zusatzweiterbildungen in Ernährungsmedizin, Anti-Aging-Medizin, Wundmanagement sowie als zertifizierte Neurodermitis-Trainerin. Später wechselte sie ans Dermatologikum Hamburg. In Hamburg eröffnete sie dann auch ihre erste eigene Praxis, später auch einen Standort in München.

Verwendete Quellen