Rosenheim/Erkrath - Ein "Platz!" und der Hund lässt sich augenblicklich fallen. Ein "Bleib!" und er rührt sich nicht mehr vom Fleck. Ein "Fuß!" und der Hund klebt am linken Bein? So verhält sich - auf den ersten Blick - ein perfekt erzogener Hund.

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Aber wie bekommt man das hin? Und sind das die wichtigsten Kommandos, die Hunde von klein auf beherrschen müssen? Experten legen jedenfalls Wert auf ganz andere Dinge. Das Motto: Bindung statt Befehl, Entspannung statt Unterwerfung, Beziehung statt Bestrafung.

Erziehung geht nicht von allein

"Die meisten Besitzer wollen heute vor allem, dass ihre Hunde auf sie hören und sich entspannt in den Alltag integrieren", sagt Hundetrainerin Katharina Schlegl-Kofler. Doch was sich so leicht und selbstverständlich anhört, erfordert tatsächlich Arbeit und Geduld.

Zwei Dinge sind ihr dabei am wichtigsten: Dass der Hund zuverlässig auf den Rückruf kommt, und dass er unterwegs von selbst Anschluss an seinen Besitzer hält. "Schließlich bringt es ja nichts, wenn ich ihn toll zurückrufen kann, er sein Leckerchen abholt und dann zack wieder weg ist."

Kontrolle - ohne Zwang

Auch Hundetrainer André Vogt versteht unter Hundeerziehung "etwas völlig anderes als das klassische Sitz, Platz und Aus". "Für mich ist ein gut erzogener Hund, dass ich ihn in jeder Situation unter Kontrolle habe - und zwar ohne Zwang." Wie das gelingen kann? Über Beziehung und Kommunikation. Dazu muss mich der Hund nicht nur spannend finden, sondern mir auch vertrauen. Das braucht Zeit.

"Ich kenne Leute, die sind top motiviert, und ihr Welpe kann mit fünf Monaten schon sämtliche Kommandos. Aber keines richtig. Und er ist total überdreht, nervös und kann sich schlecht konzentrieren", so Vogt. Einer der größten Fehler von Hundebesitzern sei es, den Vierbeinern nicht die Ruhe und Entspannung zu geben, die sie unbedingt brauchen.

Ein Junge trägt einen Dalmatiner-Welpen
Eine starke Bindung zwischen Hund und Mensch ist die Basis für eine erfolgreiche Erziehung. © dpa / Florian Schuh/dpa-tmn

Positive Verstärkung

Wie bekommt man den gewünschten Blickkontakt und die Aufmerksamkeit? Zum Beispiel, indem man - gerade am Anfang - die komplette Mahlzeit als Handfütterung verabreiche. Das heißt: Den Hund auf den Spaziergängen füttern und das Futter als Belohnung für positive Verhaltensweisen benutzen.

So kann ich einfach abwarten, bis er sich zufällig zu mir umdreht. "Dann gehe ich sofort in eine einladende Körperhaltung und belohne ihn," so Vogt. Damit werden wichtige Grundlagen für spätere Spaziergänge gelegt: "Ich kann ihn dann dazu bringen, dass er mehr auf mich achtet und sich beispielsweise auch bei Begegnungssituationen mit anderen Hunden zu mir umschaut und erst nachfragt".

Bindungsspaziergänge: Schauen, wo ich bin

Für Katharina Schlegl-Kofler sind gerade am Anfang sogenannte Bindungsspaziergänge essenziell. Vor allem in einem fremden Gelände, sagt sie, versuchen Welpen von ihrem Nachfolgeinstinkt her immer, den Anschluss an ihre Besitzer zu halten. "Dabei gehe ich in einem Tempo, dass er mitdackelt - und nicht, dass er rasen muss."

Zwischendurch ändert man dann immer wieder die Richtung. Ein paar Minuten täglich zu üben, reichen aus. "Wenn ich das regelmäßig mache, lernt er von selbst zu schauen, wo ich bin." Bindungsspaziergänge werden vor allem mit Welpen und bis ins Junghundealter unternommen.

Dabei passt man sich dem Alter des Hundes an. Man startet mit wenigen Minuten - zunächst nur in einem übersichtlichen Gebiet. Später geht man dann vielleicht auch mal in ein lichtes Wäldchen und dehnt die Dauer altersgerecht aus: mit vier Monaten auf etwa zehn Minuten.

"Sitz" steht mit am Anfang

Doch auch mit dem klassischen "Sitz" fängt die Hundetrainerin recht schnell an - parallel zu Bindungsspaziergang und Rückruftraining. Auch das gelingt über positive Motivation: Indem ich ein Leckerchen in der geschlossenen Hand über seinem Kopf halte und es ihm erst dann gebe, wenn er sich hinsetzt und nach oben schaut.

Ein Labrador-Welpe in der Hundeschule
Früh übt sich: Wer im Welpenalter den Grundstein legt, kann sich später über einen gut erzogenen Hund freuen. © dpa / Benjamin Nolte/dpa-tmn

In der nächsten Stufe baue ich dann das Hörzeichen "Sitz" ein, wenn er sich freiwillig setzt - dann erst bekommt er das Leckerchen. "Sonst wäre es Bestechung und keine Belohnung." Und keinesfalls sollte man "Sitz" sagen, während er noch herumspringt - sondern tatsächlich erst in dem Moment, wo er auch sitzt.

Sitzt das "Sitz", kann man zu "Platz" übergehen. Das Prinzip ist das gleiche - nur, dass ich zunächst das Leckerchen unter die Handfläche lege und warte, bis er sich von allein hinlegt.

"Bleib": Entfernung und Zeit ganz langsam ausdehnen

Auch die "Bleib"-Übung sollte man in kleinen Schritten aufbauen. Es macht erst Sinn, das zu trainieren, wenn der Hund überhaupt mal eine halbe Minute ruhig neben mir sitzen kann. Dann erst mal einige Momente mit dem Hörzeichen "Bleib" dicht vor dem Hund stehenbleiben, sodass er nicht in Versuchung kommt, seinem Menschen nachzulaufen.

"Zwei drei Sekunden warten und wieder zurückgehen", rät Katharina Schlegl-Kofler. Schrittweise dann immer zuerst die Zeit ausdehnen, dann ein paar Zentimeter weiter weggehen.

Und das Wichtigste: Niemals rückwärts oder hastig weggehen und den Hund dann aus der Entfernung abrufen, sondern immer wieder zu ihm zur Ausgangsposition zurückkehren. "Sonst bekomme ich einen Hund, der aufgeregt wie auf einer Abschussrampe wartet, dass er endlich losdüsen kann."

Generell gilt bei der Ausbildung: Qualität vor Quantität. "Lieber ein bisschen weniger üben, als wischiwaschi. Dann funktioniert es später ganz sicher nicht, wenn es darauf ankommt", so die Hundetrainerin.

So gelingt der perfekte Rückruf

Ruhig, gelassen und konsequent: Auch die Körpersprache ist wichtig. "Je entspannter ich selbst die Sache angehe, umso schneller habe ich auch Erfolge", sagt André Vogt. Er rät Hundebesitzern, mit ihren Hunden den perfekten Rückruf zu üben, der sozusagen reflexartig funktioniert.

Cover "So einfach geht Hundeerziehung"
"So einfach geht Hundeerziehung", Katharina Schlegl-Kofler, Gräfe und Unzer Verlag, ISBN: 978-3-8338-5391-3, 168 Seiten, 19,99 Euro. © dpa / Gräfe und Unzer Verlag/dpa-tmn

Am liebsten arbeitet er dabei mit der Pfeife: Wenn sich der Hund nach dem Kommando umdreht, rennt man los und hat etwas super Spannendes parat - entweder ein super Leckerchen wie Käse- oder Fleischwurst-Stückchen oder auch ein besonderes Spielzeug.

Ist der Hund auf zwei Metern herangekommen, wirft man das Objekt der Begierde flach wie einen Stein übers Wasser nach vorn weg. "Das löst das Jagdverhalten aus, der Hund holt sich die Belohnung. Und zwar kontrolliert und von mir ausgehend", so der Hundeprofi. Übt man das immer wieder, funktioniert es ein Hundeleben lang.

Orientierung und Stabilität

Natürlich muss man nicht immer und ewig Fleischwurst in der Tasche haben. "Das Einzige, was ich später brauche, ist die Pfeife, damit er kommt", so Vogt. Was natürlich nicht ausschließt, dass man seinen Vierbeiner nicht doch hin und wieder fürs schnelle Kommen mit besonderen Leckerchen belohnt.

Wichtig ist, dass man als Hundehalter verlässlich ist, dem Hund Orientierung und Stabilität zu bilden. Und auch souverän zu sein, wenn es darum geht, Grenzen zu setzen oder falsches Verhalten zu korrigieren. "Hauptsache, man vermenschlicht die Hunde nicht", sagt Vogt.

"Mag sein, dass sie dann die ein oder andere Regel oder Grenze doof finden, aber wenn sie merken, dass wir Verantwortung übernehmen, können sie sich leichter entspannen". Denn das sei nicht zuletzt das, was dazu führt, dass Hunde ein schönes Leben haben.  © Deutsche Presse-Agentur