Atemnot, Schmerzen, kurze Lebenserwartung – viele Hunderassen gelten als Qualzuchten. Welche Rassen betroffen sind, woran man sie erkennt und was Tierfreunde tun können.

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Ein kurzer Kopf, große Augen, Falten im Gesicht oder ein besonders langer Rücken – bestimmte Merkmale gelten bei vielen Hunderassen als besonders typisch oder sogar wünschenswert. Doch genau diese überbetonten körperlichen Eigenschaften sind in vielen Fällen Ursache für lebenslanges Leiden. Der Begriff „Qualzucht“ beschreibt züchterische Praktiken, bei denen solche Merkmale gezielt gefördert werden – trotz gravierender gesundheitlicher Folgen für die Tiere.

Was ist eine Qualzucht?

Qualzucht liegt dann vor, wenn die Zucht eines Tieres bewusst auf anatomische oder genetische Merkmale abzielt, die das Tier in seinem natürlichen Verhalten, seiner Gesundheit oder seinem Wohlbefinden beeinträchtigen. Gemeint sind damit etwa Atemprobleme, Bewegungsstörungen, Geburtskomplikationen, Augenerkrankungen oder neurologische Schäden.

Grundlage für die Bewertung ist § 11b des deutschen Tierschutzgesetzes. Demnach ist es verboten, Tiere so zu züchten, dass bei Nachkommen erblich bedingte Schmerzen, Leiden oder Schäden auftreten. In der Praxis lässt sich dieses Verbot jedoch oft nur schwer durchsetzen, da klare Grenzwerte oder verbotene Rassestandards fehlen.

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Problematische Zuchtpraktiken und mangelnde Regulierung

Hinter vielen Qualzuchtfällen steht eine Kombination aus überholten Schönheitsidealen, Wettbewerb um Preise auf Zuchtschauen und mangelnder Regulierung. Rassestandards, die von Zuchtverbänden definiert werden, haben teils deformierende Merkmale zur Norm erhoben.

Zudem existieren auf dem Markt neben seriösen Züchtern auch zahlreiche sogenannte "Vermehrer", die Hunde ohne Rücksicht auf Genetik, Gesundheit oder Sozialisation vermehren – häufig unter tierschutzwidrigen Bedingungen. Der Verkauf erfolgt oft über Kleinanzeigenportale oder dubiose Tierbörsen.

Was Tierhalter tun können

Wer einen Hund mit typischen Qualzuchtmerkmalen adoptieren möchte, sollte den Kauf bei einem Züchter mit wirtschaftlichem Interesse grundsätzlich hinterfragen. Stattdessen empfehlen Tierschutzorganisationen wie PETA, betroffene Tiere aus dem Tierheim oder aus Pflegestellen zu übernehmen. Diese Hunde sind oft Opfer der genannten Zuchtpraktiken und benötigen besonders einfühlsame Halter.

Darüber hinaus kann durch bewusstes Konsumverhalten Druck auf Zuchtverbände und Tierbedarfsmärkte ausgeübt werden. Auch Aufklärung spielt eine zentrale Rolle: Je mehr Menschen sich der Problematik bewusst sind, desto stärker wächst der gesellschaftliche Druck auf Verbände, Tierärzte und Gesetzgeber, tierschutzgerechtere Standards zu etablieren.

Unterschiede zwischen Vermehrern und seriösen Züchtern

Seriöse Züchter lassen ihre Tiere auf Erbkrankheiten untersuchen, geben keine Welpen unter acht Wochen ab, legen Wert auf Sozialisierung und ermöglichen Interessierten den Besuch der Zuchtstätte. Die Elterntiere leben in der Regel als Familienhunde und nicht in Zwingern.

Vermehrer hingegen produzieren Nachkommen häufig in großer Zahl, ohne gesundheitliche Voruntersuchungen, tierärztliche Betreuung oder artgerechte Aufzucht. Oft steht Profit im Vordergrund. Äußerlich ist ein Unterschied zunächst schwer zu erkennen – umso wichtiger ist die kritische Prüfung von Herkunft und Umfeld. Folgende Rassen gehören zu den Qualzuchten.

Mops
Mopse leiden häufiger als andere Hunde als Atemnot. © imago images/Arnulf Hettrich

Mops

Der Mops gilt als Inbegriff des brachyzephalen Hundes – also einer Rasse mit übermäßig kurzem Schädel. Diese Zuchtform führt zu einem engen Nasenraum, deformierten Nasenmuscheln und einem verlängerten Gaumensegel. Viele Möpse leiden unter dem sogenannten Brachyzephalen Atemnotsyndrom (BAS), das chronische Atemnot, Hitzestress, röchelndes Atmen und Schlafstörungen verursacht. Auch das Schlucken und Kühlen durch Hecheln ist bei betroffenen Tieren eingeschränkt. Häufig treten zudem Augenprobleme auf, da die stark vorgewölbten Augen leicht austrocknen oder verletzt werden.

Französische Bulldogge
Die Französische Bulldogge hat mit ähnlichen gesundheitlichen Problemen zu kämpfen wie der Mops. © imago images/imagebroker

Französische Bulldogge

Die Französische Bulldogge ist eine weitere brachyzephale Rasse, bei der das Aussehen ebenfalls stark über die Gesundheit gestellt wurde. Charakteristisch sind die flache Schnauze, breite Brust und die kurzen Gliedmaßen. Wie beim Mops leiden viele Tiere unter BAS, was in schweren Fällen operative Eingriffe erforderlich macht, um das Atmen zu erleichtern. Zudem sind Wirbelsäulenverkrümmungen (Hemivertebrae), Hautfaltenentzündungen, Kaiserschnittgeburten aufgrund des schmalen Beckens und Herzprobleme häufig dokumentierte Begleiterscheinungen.

Englische Bulldogge
Englische Bulldoggen sind häufig anatomisch in ihrer Bewegung eingeschränkt. © imago images/Wolfgang Kofler

Englische Bulldogge

Die Englische Bulldogge ist eine der am stärksten von Qualzucht betroffenen Hunderassen. Über Jahrzehnte wurden Tiere mit besonders breitem Kopf, kurzer Schnauze und tiefem Brustkorb selektiert – Merkmale, die heute zu massiven gesundheitlichen Problemen führen. Atemnot, Gelenkfehlstellungen, Hauterkrankungen und Bewegungsunfähigkeit zählen zu den häufigsten Beschwerden. Die körperliche Belastbarkeit ist stark eingeschränkt; bereits geringe Anstrengung oder Hitze können lebensbedrohlich sein. Fast alle Englischen Bulldoggen müssen per Kaiserschnitt zur Welt gebracht werden, da der übergroße Kopf der Welpen eine natürliche Geburt verhindert.

Dackel
Dackel sind in ihrer heutigen Form ebenfalls ein Resultat von Qualzuchten. © imago images/Panama Pictures

Dackel

Der Dackel, insbesondere in seiner Standard- und Zwergform, wurde über Jahrzehnte auf einen extrem langen Rücken bei zugleich sehr kurzen Beinen gezüchtet. Diese anatomische Sonderform führt bei vielen Tieren zu ernsthaften Problemen mit der Wirbelsäule, vor allem zur sogenannten Dackellähme (Bandscheibenvorfall). Bereits geringe Belastungen – etwa Treppensteigen oder Springen – können orthopädische Probleme befördern. Dazu kommen genetisch bedingte Augenerkrankungen und Herzfehler. Auch wenn der Dackel in der Jagdgeschichte eine bedeutende Rolle spielte, ist die heutige Show- und Familienzucht vielfach auf überzeichnete Merkmale fokussiert, die das Tierwohl beeinträchtigen.

Chihuahua
Chihuahuas sind so klein weil sie über Jahrzehnte so gezüchtet wurden. © imago images/NurPhoto

Chihuahua

Der Chihuahua zählt zu den kleinsten Hunden der Welt – eine Eigenschaft, die durch gezielte Zucht immer weiter forciert wurde. Diese Miniaturisierung bringt schwerwiegende Risiken mit sich: Viele Chihuahuas haben eine offengebliebene Schädeldecke (Fontanelle), die zu lebensbedrohlichen Hirnverletzungen führen kann. Auch eine angeborene Wasserkopfproblematik (Hydrozephalus), Herzkrankheiten und eine erhöhte Anfälligkeit für Unterzuckerung sind häufig. Aufgrund ihrer geringen Körpermasse kühlen Chihuahuas schnell aus, leiden unter Zahnfehlstellungen und sind beim Kontakt mit größeren Hunden besonders verletzungsgefährdet.

Shar Pei
Die faltige Haut von Shar Peis kann Entzündungen begünstigen. © imago images/Cavan Images

Shar Pei

Der Shar Pei ist bekannt für seine tiefen Hautfalten, die ihn unverwechselbar erscheinen lassen. Genau diese Falten führen jedoch bei vielen Tieren zu erheblichen Gesundheitsproblemen. Durch Reibung, Schweißansammlungen und mangelnde Luftzirkulation kommt es häufig zu chronischen Hautentzündungen, Ekzemen und schmerzhaften Infektionen. Zudem leiden viele Shar Peis unter einer erblichen Lidfehlstellung (Entropium), bei der die Augenlider nach innen rollen und die Wimpern die Hornhaut reizen – oft mit Sehverlust als Folge. Auch Gelenkprobleme und eine genetisch bedingte Fiebersyndrom-Erkrankung („Shar-Pei-Fieber“) sind rassetypisch.

Cavalier King Charles Spaniel
Cavalier King Charles Spaniel haben häufig einen zu kleinen Schädel für ihr Gehirn. © imago images/Cavan Images

Cavalier King Charles Spaniel

Beim Cavalier King Charles Spaniel steht weniger das Äußere, sondern ein genetisch bedingter Gendefekt im Fokus. Ein Großteil der Population leidet unter einer Fehlentwicklung des Schädels, der zu klein für das Gehirn ist (Chiari-Malformation). Dies kann zu einer schmerzhaften neurologischen Erkrankung führen: der Syringomyelie. Dabei bilden sich flüssigkeitsgefüllte Hohlräume im Rückenmark, was zu Schmerzen, Krampfanfällen, Lähmungen und Verhaltensstörungen führen kann. Viele betroffene Hunde kratzen sich zwanghaft an Hals oder Ohren – nicht selten ohne äußere Ursache.

Pekinese
Pekinesen haben häufig Probleme mit der Atmung. © imago images/Pond5 Images

Pekinese

Wie beim Mops handelt es sich beim Pekinesen um eine stark brachyzephale Rasse. Die extrem kurze Schnauze erschwert das Atmen, insbesondere bei körperlicher Anstrengung oder hohen Temperaturen. Zudem leiden viele Tiere unter chronischer Augentrockenheit und Verletzungsgefahr durch weit hervortretende Augen. Auch die stark gekrümmte Körperhaltung, kurze Beine und der massige Kopf belasten das Tier. Pekinesen können oftmals nicht ohne Hilfe gebären und zeigen durch ihre Zuchtgeschichte zudem eine geringe genetische Vielfalt – was die Anfälligkeit für viele Krankheiten weiter erhöht.

Boston Terrier
Der Boston Terrier hat mit den typischen Problemen brachyzephaler Hunderassen zu kämpfen. © imago images/Cavan Images

Boston Terrier

Der Boston Terrier ist eine weitere brachyzephale Rasse mit einer Vielzahl zuchtbedingter Probleme. Neben den bekannten Atemwegserkrankungen zeigen Boston Terrier häufig Augenerkrankungen wie Glaukom, Hornhautverletzungen oder Netzhautablösungen. Auch Fehlstellungen der Kiefer, Zahnprobleme und neurologische Auffälligkeiten wie Krampfanfälle oder Ataxie treten überdurchschnittlich häufig auf. Einige Tiere zeigen zudem eine Tendenz zu Wirbelsäulenveränderungen, insbesondere bei Merle-Varianten.

Chinese Crested Dog
Dem Chinese Crested Dog wurde im Lauf der Jahrzehnte Teile seines Fells weg gezüchtet. © imago images/Cavan Images

Chinese Crested Dog

Der Chinese Crested Dog (Chinesischer Schopfhund) ist eine haarlose Rasse, die durch gezielte Zucht auf Haarlosigkeit entstanden ist. Das entsprechende Gen ist jedoch mit einer Reihe gesundheitlicher Risiken verbunden. Haarlose Hunde haben eine deutlich empfindlichere Haut, sind anfällig für Sonnenbrand, Verletzungen und Hauttumoren. In der Zucht kann es außerdem zu embryonaler Letalität kommen, wenn zwei haarlose Hunde miteinander verpaart werden. Diese genetischen Zusammenhänge machen die Rasse besonders pflegeintensiv und aus tiermedizinischer Sicht problematisch.

Verwendete Quellen:

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